Ein Journalist als Schützer der Minderheiten [premium]

FAZ-Korrespondent Reinhard Olt stellt sich auf die Seite der vielen Volksgruppen in Osteuropa.

Er zählte in den Neunzigerjahren bis zu seiner Emeritierung 2012 zum festen „Stammpersonal“ des Corps der Auslandskorrespondenten in Wien. Reinhard Olt (69), Mehrfachakademiker und vielfach beschäftigter Lehrbeauftragter an fünf Hochschulen Deutschlands und Österreichs, diente „seiner“ „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ seit 1985, zuletzt 18 Jahre als Österreich- und Osteuropa-Korrespondent: Unbestechlich, souverän. Und neugierig.

Er kam aus dem Frankfurter Stammhaus bereits als intimer Kenner der Südtirol-Problematik und so nimmt es nicht wunder, dass er immer wieder auch für ethnische Minderheiten in Osteuropa in die Bresche sprang. Aus seinen Beiträgen über Ungarn, die Slowakei und Rumänien ist nun ein Buch entstanden, das mit vielen Stereotypen radikal aufräumt.
Am Beispiel der Slowakei etwa erläutert Olt, wie lang das Zersplittern der Habsburgermonarchie aus dem Jahre 1918 in das Leben und die Politik nationaler Minderheiten nachwirkt. Im Süden des Landes leben etwa 500.000 Slowaken ungarischer Nationalität, ein Zehntel der Gesamtbevölkerung. Und da diese großteils Calvinisten sind, geht die Differenzierung in der katholischen Slowakei bis in den Religionsbereich. Von einer Ungerechtigkeit bei der Vergabe staatlicher Subventionen ist die Rede.

Historische Kontinuität Ungarns

Apropos Religion. Sie spielt auch in der neuen ungarischen Verfassung eine Rolle. 2012 von der Regierung Orbán ausgearbeitet, heftig angefeindet von der Opposition und in der EU mit scheelen Augen betrachtet, findet sie in Reinhard Olt einen bestimmten und profunden Verteidiger. Denn in der Präambel werde nicht nur die „Heilige Krone“ Stephans I. als Symbol der Wahrung der historischen Kontinuität der Nation verehrt, sondern auch der „Segen Gottes“ für deren Gedeih erfleht. Olt: „Ungarn gehört damit zu jenen wenigen Ländern in Europa, die einen Gottesbezug in der Verfassung haben – der übrigens wörtlich aus der ungarischen Nationalhymne entlehnt ist.“ Das festgeschriebene Bekenntnis zur Familie sorge für Unmut, weil die neue Verfassung die Gleichstellung der Ehe mit gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften ausschließt. „Auch mit der Festlegung des 22. Juli zum nationalen Gedenktag – in Erinnerung an den Sieg eines christlichen Heeres bei Belgrad unter Johann Hunyadi über die Osmanen 1456 – fordert Orbáns Ungarn den Zeitgeist heraus und setzt ihm ein Stück seines christlich geprägten Wertekanons entgegen.“

Germanistik, Volkskunde, osteuropäische Geschichte und Politologie – diese Studienfächer ließen den Zeitungsmann zum wortgewaltigen Streiter gegen den aktuellen Meinungsstrom werden. Seine intensive Beschäftigung mit Südtirol wurde nicht nur von Innsbruck und Bozen mit zahlreichen Ehrungen bedankt, sondern auch in Wien geschätzt, wenn Rat benötigt wurde. Und der war stets profund, nüchtern, niemals geschwätzig oder geleitet von Meinungsumfragen.
Umgekehrt ließ er aber auch keinen Zweifel daran, dass er in diesen 18 Jahren seiner Wiener Tätigkeit unter allen Regierenden an dem Koalitionsgespann Schüssel/Riess-Passer den meisten Gefallen fand. Manipulieren ließ er sich dennoch nie. So sind Olts ausgewählte Artikel aus der „F.A.Z.“ zeitlos und auch heute mit Gewinn nachzulesen.

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