TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: “Bisher kein Ausweg in Sicht”, von Florian Weißmann

Innsbruck (OTS) Zwischen Russland und dem Westen ist kein Lösungsansatz bekannt geworden,
mit dem alle Seiten leben können.

Im Ukraine-Konflikt naht der Tag der Wahrheit. Russland hat die Ukraine militärisch nahezu umzingelt und veranstaltet im Norden, Osten und Süden zeitgleiche Manöver. Nach Darstellung der USA kann Kremlchef Wladimir Putin nun jederzeit den Befehl zum Angriff geben, sofern er das denn will. – Alles nur Hysterie und antirussische Propaganda, heißt es dazu aus Moskau.
Was die Lage so gefährlich macht, ist das Fehlen einer diplomatischen Perspektive. Zwar gab es zahlreiche Gespräche in verschiedenen Formaten, bisher ist aber kein Lösungsansatz bekannt geworden, mit dem alle Seiten leben können. Und die Uhr tickt, denn Putin kann seine militärische Drohkulisse nicht unbefristet aufrechterhalten. Die Ukraine hat für Russland aus strategischen, historischen und kulturellen Gründen eine besondere Bedeutung. Aber es geht nicht allein um die Ukraine. Putins Forderungskatalog läuft darauf hinaus, dass sich die NATO aus ganz Osteuropa zurückzieht. Das wird die NATO aber nicht tun, schon gar nicht unter vorgehaltener Waffe. Im Gegenteil: Je mehr Druck Putin entfaltet, desto lauter rufen die meisten Staaten der Region nach Schutz und Unterstützung durch NATO und EU.
Und es geht nicht allein um Europa. Auch China will die USA und generell den Einfluss westlicher Prinzipien aus seiner Nachbarschaft hinausdrängen. Und es hat mit Taiwan ein ähnliches Problem vor der Haustüre wie Russland mit der Ukraine. Auch in Fernost steht die Drohung im Raum, die Abtrünnigen, die ideologisch lieber nach Westen steuern, mit Gewalt unter Kontrolle zu bringen.
Die Führung in Peking wird ihre Schlüsse daraus ziehen, wie der Westen im Ukraine-Konflikt agiert. Auch die Geostrategen in Washington wissen um diese Signalwirkung. Das wird ihre Bereitschaft, Putin entgegenzukommen, nicht erhöhen.

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