Debatte im Zeichen der Hochwasserhilfe
Einig waren sich die Fraktionen im Nationalrat in Dank und Anerkennung der Leistungen der freiwilligen Helferinnen und Helfer sowie der sonstigen Einsatzkräfte. ÖVP-Chef Karl Nehammer zeigte sich beeindruckt vom Zusammenhalt im Land, aus allen Landesteilen seien Hilfsangebote gekommen. Der Kanzler versicherte, dass man alles tun werde, um die Schäden durch das Hochwasser abzufedern.
Nehammer verwies im Nationalrat etwa auf die Aufstockung des Katastrophenfonds und die Erweiterung des „Wohnschirms“ – für diesen sollen 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Vor allem in Härtefällen soll das greifen, in denen Menschen ihren Wohnraum nicht nutzen können.
In den kommenden Jahren werde zudem eine Milliarden Euro in den Ausbau des Hochwasserschutzes investiert, so Nehammer – schließlich müsse man durch „neu auftretende Phänomene“ den Hochwasserschutz laufend verbessern. Umgehend sollen dafür zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Bereits am Vortag hatte das besonders schwer betroffene Niederösterreich 45 Millionen Euro aus dem Katastrophenfonds erhalten.
„Nicht Kopf in den Sand stecken“
Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) betonte die Hilfen und sagte, es sei evident, dass in Sachen Wetter Jahrhundertereignis auf Jahrhundertereignis folge. Darauf müsse man sich einstellen: „Es hat ja keinen Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken“, so der Grünen-Chef in Richtung jener, die den Klimawandel leugnen. Für ihn seien Dämme alleine nicht die Lösung sein, zusätzlich müsse der Natur Raum gegeben werden, wo das möglich sei.
Letzte Nationalratssitzung vor der Wahl
Bei der letzten Nationalratssitzung vor der Wahl sind die Hochwasserkatastrophe und die Folgen debattiert worden. Während Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Hilfsmaßnahmen der Regierung bewarb und Vizekanzler Werner Kogler (ÖVP) und NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger die Bedeutung des Klimaschutzes hervorhoben, bemühten sich FPÖ-Chef Herbert Kickl und SPÖ-Klubobmann Philip Kucher, mit zusätzlichen Forderungen im Sinne der Flutopfer zu punkten.
SPÖ: „Hilfe soll nicht von Postleitzahl abhängen“
Die SPÖ plädierte für einen Freistellungsanspruch für ehrenamtliche Helfer und eine rechtliche Klarstellung, dass Betroffene am nächsten Tag nicht zur Arbeit gehen müssen, wie Klubchef Philip Kucher ausführte. Ein Antrag dazu fand aber später keine Mehrheit.
Kucher sagte weiter, dass Hilfe in der Not nicht von der Postleitzahl abhängen dürfe oder von der Kulanz von Politikern oder Versicherungen. „Wir haben da noch immer einen österreichweiten Fleckerlteppich“, so Kucher. Man dürfe Menschen „im Kampf gegen Versicherungen, die vielleicht nicht zahlen“, nicht alleine lassen.
Kickl für Rechtsanspruch auf Schadenersatz
FPÖ-Chef Herbert Kickl übte Kritik am Krisenmanagement der Regierung und plädierte für einen Rechtsanspruch auf Schadenersatz. In der Vergangenheit seien viele Betroffene mit Almosen abgespeist worden.
„Wir haben ein Systemproblem in der Hilfeleistung“, so Kickl. Die Opfer seien auf die Rolle eines „Bittstellers degradiert“. Zur Finanzierung müsse man bei Ausgaben umschichten, so etwa bei der Entwicklungshilfe und bei der Ukraine-Hilfe einsparen, schlug Kickl vor. Auch dazu blieb ein entsprechender Antrag ohne Mehrheit.
Stocker: „Nur Scheinlösung“
Kickls Auftritt fand in den anderen Fraktionen wenig Anklang: ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sagte, sogar in einer solch tragischen Situation spiele der FPÖ-Chef einmal mehr eine gesellschaftliche Gruppe gegen die andere aus. „Ein Rechtsanspruch ändert gar nichts für die Menschen, sondern eröffnet den Gerichtsweg“, so Stocker. Es wäre eine „Scheinlösung wie alles, was Sie hier vorschlagen“, sagte er an Kickl adressiert.
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger verwies auf den „unglaublichen Zusammenhalt der Gesellschaft“, es sei ein „großartiges Bild, das Österreich hier gezeigt hat“. Das Aussetzen des Wahlkampfs sei für die Bevölkerung sehr wohltuend gewesen, einzig Kickl sei „wieder sehr giftig unterwegs gewesen“. Sie hob auch das Thema Bodenversiegelung hervor – sie befürchte, dass solche Jahrtausendereignisse „uns leider öfter begleiten werden“.
Kritik an Regierungsfinanzen
Doch war die Hochwasserkatastrophe nicht das einzige Thema im Plenum. Gestartet war die Sitzung mit Kritik an den Regierungsfinanzen. In einer Aktuellen Stunde beklagte NEOS-Chefin Meinl-Reisinger ein finanzielles Loch und „riesigen Reformbedarf“. Von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) forderte sie einen Kassensturz. Das Land stehe „wesentlich besser da, als es uns manche glauben machen wollen“, meinte dieser.
Österreich befinde sich wieder in einer Rezession, so Meinl-Reisinger: „Wir werden ärmer.“ Das Fördervolumen Österreichs sei um 70 Prozent höher als vor der Pandemie, kritisierte sie. Strukturelle Probleme würden „mit Geld beworfen“. Sie wolle die Krisen, die Österreich während dieser Legislaturperiode getroffen haben, nicht vom Tisch wischen, allerdings hätten diese auch andere Länder betroffen.
Der Argumentation konnte Brunner, der bald als Migrationskommissar auf die EU-Ebene wechseln wird, nicht viel abgewinnen. Schließlich nähere sich die Inflation mit 2,3 Prozent im August wieder „Schritt für Schritt“ dem Normalwert. Die Einkommen seien trotz Inflation gestiegen. So viel wie nie sei zudem in Zukunftsthemen und strukturelle Reformen investiert worden, er nannte etwa die Abschaffung der kalten Progression und den Finanzausgleich.
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