Heftiger Schlagabtausch
Zunächst startete das Duell aber ganz anders. Gefragt, ob es angesichts existenzieller Fragen und Ereignisse wie des jüngsten Unwetters und Hochwassers auch die Bereitschaft gäbe, gemeinsame Lösungen zu finden, herrschte Einmütigkeit: Natürlich, eine solche müsse es geben, es brauche in solchen Fällen einen gemeinsamen Kraftakt, waren sich Babler und Kickl einig.
Doch noch aus dem Thema heraus änderte sich der Tonfall und wurde im Verlauf des Duells immer rauer. Kickl warf der SPÖ – und allen anderen Parteien – vor, es weniger eilig zu haben, Österreichern in Not zu helfen, als bei Themen wie der Ukraine oder bei Entwicklungshilfe.
Hilfe für Opfer der Hochwasserkatastrophe
Andreas Babler (SPÖ) und Herbert Kickl (FPÖ) sind sich einig, dass Betroffenen 100 Prozent des Schadens ersetzt werden soll.
Einig bei Entschädigung für Hochwasseropfer
Inhaltlich waren sich beide einig, dass es für Hochwasserbetroffene eine 100-prozentige Entschädigung geben solle, wobei Babler es nicht verabsäumte, auf eine 20-prozentige Ersatzrate in Niederösterreich, wo ÖVP und FPÖ regieren, hinzuweisen. In den SPÖ-regierten Bundesländern gebe es dagegen einen vollen Schadenersatz.
Babler nutzte das Thema, um auf die ablehnende Haltung der FPÖ zur Bekämpfung des Klimawandels hinzuweisen. Kickl wies den Vorwurf zurück und meinte, der beste Klimaschutz sei es, die Abwanderung der Industrie aus Österreich zu verhindern, da der CO2-Ausstoß in China viel höher sei als in Österreich.
Maßnahmen gegen die Teuerung
Bei der Wirtschaftspolitik – darunter auch der Kampf gegen die Teuerung – hagelte es gegenseitige Vorwürfe.
„Oldschool“ vs. „retro“
Ein zentraler Teil des Duells war die Wirtschaftspolitik. Babler wiederholte seinen Vorwurf, ÖVP und FPÖ seien gerade wirtschaftspolitisch eine Einheitspartei, und warf Kickl vor, „Lohnzurückhaltung“ von den arbeitenden Menschen zu fordern. Das sei „oldschool“. Die SPÖ stellte Babler als einzige Partei dar, die uneingeschränkt für Lohnsteigerungen und für die Interessen der Beschäftigten kämpfe.
Kickl retournierte den Vorwurf umgehend und meinte, Babler sei der wahre Experte „beim Thema retro“. Der SPÖ-Chef habe einen „Klassenkämpferjargon“, der aber niemanden weiterbringe. Man müsse für Arbeitgeber – Stichwort: Körperschaftssteuersenkung – etwas machen, um eine Abwanderung zu verhindern. Und man müsse in die Arbeitnehmer investieren. Die Interessen seien hier deckungsgleich, argumentierte Kickl.
Versuch des gegenseitigen Vorführens
Babler setzte nach: Die letzten drei KÖSt-Senkungen hätten keine Investitionen ausgelöst. Man müsse die Industrie vielmehr mit staatlicher Unterstützung bei der Transformation zu einer CO2-freien Wirtschaft unterstützen.
Kickl hielt Babler wie auch bei anderen Themen die in seinen Augen verfehlte Politik der SPÖ in Wien vor, die die Mieten in den Gemeindewohnungen erhöht habe, ebenso bei Fernwärme und Strom und Gas. Babler konterte mit den Gebühren und sonstigen Lebenskosten, die in – auch FPÖ-regierten – Städten viel höher seien.
Unterschiedliche Zugänge zu direkter Demokratie
Babler nutzte das Thema direkte Demokratie zu schweren Angriffen auf Kickl. Dieser warf Babler im Gegenzug vor, ein Problem mit der Demokratie zu haben.
Schwere Geschütze bei Thema Demokratie
Ans Eingemachte ging es dann vor allem auch beim Thema Demokratie und Justiz. Gefragt, ob es angesichts des SPÖ-Konzepts einer „Mitmachrepublik“ und einer von der FPÖ propagierten Änderung hin zu einer plebiszitären Demokratie und der Forderung, mit einer Volksabstimmung bei 250.000 Unterschriften eine Regierung ihres Amtes zu entheben, gemeinsamen Boden geben könnte, verneinte das Babler vehement und warf Kickl und der FPÖ vor, „eine Gefährdung für diese Demokratie“ zu sein. Man müsse aufpassen, dass die FPÖ den Staat nicht in Richtung Notstand umbaue. Das letzte Notstandsgesetz habe es 1933 gegeben, als die Demokratie in Österreich abgeschafft wurde. Das sei „brandgefährlich“.
Kickl attestierte Babler im Gegenzug seinerseits ein Problem mit Demokratie, „vielleicht wegen ihrer leninistisch-marxistischen Indoktrination“.
Justizverfahren gegen SPÖ und FPÖ-Politiker
SPÖ- und FPÖ-Chef warfen einander ein problematisches Verhältnis zur Justiz vor.
Vorwürfe beim Thema Rechtsstaat und Korruption
Babler öffnete in dem Zusammenhang ein weiteres Streitfeld und warf Kickl ein problematisches Verhältnis zum Rechtsstaat vor. Der SPÖ-Chef zückte einen laut eigenen Aussagen 1,80 Meter langen leporellomäßig gefalteten Papierbogen. Darauf waren laut Babler ausschließlich Verurteilungen von FPÖ-Funktionären aufgelistet – unter anderem wegen schwerer Körperverletzung und Verhetzung.
Kickl verwies unter anderem auf die Ermittlungen zu Inseratenkorruption rund um den Ex-SPÖ-Kanzler Werner Faymann. Die Anklage sei von SPÖ und ÖVP gemeinsam niedergeschlagen worden, behauptete Kickl. ÖVP und SPÖ würden glauben, sie hätten die Justiz und den Zugriff darauf für sich gepachtet, so Kickl.
Themensetting en passant
Babler wiederum warf Kickl vor, immer das Täter-Opfer-Umkehrspiel zu betreiben. Das glaube Kickl mittlerweile „kein Mensch mehr“.
Der FPÖ-Chef brachte beim Thema Demokratie auch noch die CoV-Pandemie ein und warf der SPÖ vor, in der „größten Stunde der Bewährung“ nicht aufseiten der Freiheit gestanden zu haben. Babler verwies auf Kickls Empfehlung, das Entwurmungsmittel Ivermectin zur Behandlung einer Covid-Infektion zu verwenden.
Die Asyl- und Migrationspolitik war dann auch noch Thema – mit den bekannten Positionen. Auch hier strich Kickl wiederholt Wien als aus seiner Sicht negatives Beispiel hervor. Babler versuchte dann Kickl mit dem Thema Abtreibung zu überraschen. Das Recht darauf habe Kickl als pervers bezeichnet, so Babler. Gefragt, wie er dazu stehe, sagte Kickl, die Fristenlösung stehe nicht zur Disposition.
Analyse der TV-Duelle mit Thomas Hofer
Politikberater Thomas Hofer kommentiert das Aufeinandertreffen von Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler als „schaumgebremstes Kampfkuscheln“. Das Duell zwischen SPÖ-Vorsitzendem Andreas Babler und FPÖ-Obmann Herbert Kickl klassifiziert er als untergriffiges Buhlen um den sogenannten „kleinen Mann bzw. die kleine Frau“.
Warnungen vor Koalitionen
Beide versuchten auch mit aus ihrer jeweiligen Perspektive drohenden Koalitionen zu mobilisieren. Babler warnte, eine Neuauflage von ÖVP und FPÖ sei fix, wenn sie nur eine Stimme Mehrheit bekämen. Kickl warnte, „im Hinterzimmer“ werde bereits an einer Koalition gegen die FPÖ gearbeitet. Eine Kooperation der beiden dagegen, das wurde im Duell deutlich, ist wohl ausgeschlossen.
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