Hochwasserkatastrophe dämpft Debatte

ÖVP und Grüne sind seit 2020 Koalitionspartner in der Bundesregierung, Kogler ist seitdem Vizekanzler, Nehammer seit 2021 Bundeskanzler. In der Livedebatte „Wahl 24 – Die Konfrontation“ Freitagabend in ORF2 verwiesen beide auf Erreichtes in ihrer Regierungszusammenarbeit.

Grundsätzliche Auffassungsunterschiede wurden bei den Themen Klimaschutz im weiteren und Bodenverbrauch, Renaturierung und Verbot von Verbrennungsmotoren im engeren Sinn deutlich, die meisten davon debattiert mit Blick auf die Hochwasserkatastrophe vom letzten Wochenende vor allem in Niederösterreich.

Umweltpolitik der Regierung

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verwiesen beim Thema Umweltpolitik der Regierung auf gemeinsam Erreichtes, beim Thema Klimaschutz zeigten sich aber deutliche sachliche Differenzen.

Trotz aller Unterschiede in Grundsatzfragen fiel die Bewertung der Regierungsbilanz durch Nehammer und Kogler grundsätzlich positiv aus, nicht nur, aber selbst auch beim Thema Klimaschutz. Tatsache sei, dass man „große Projekte“ angegangen sei, sagte Nehammer eingangs und verwies etwa auf die Abschaffung der kalten Progression, die CO2-Bepreisung und die ökosoziale Steuerreform.

„Ölbarone und Betonbarone“

Beim Klimaschutzgesetz „mit uns als Volkspartei nicht möglich“ gewesen sei ein Gesetz, das zu einer Deindustrialisierung führe und mit dem Arbeitsplätze verloren gingen, so Nehammer unter Verweis auf die Autoindustrie in Deutschland und sein Nein zum Aus für Verbrennungsmotoren. „Die Geschichte gibt mir leider recht in diesem Fall.“ Die ÖVP stehe aber für „Technologieoffenheit und Forschungsfreiheit“ und wolle die Menschen und den Wirtschaftsstandort nicht mit „Geboten und Verboten“ einengen.

Beim Klimaschutz sei vieles offen geblieben, sagte Vizekanzler Kogler, der beim Thema Bodenverbrauch und Flächenversiegelung anderer Meinung war als Nehammer. Was ihn tatsächlich ärgere, sagte Kogler, sei das Verhalten der Bundesländer, die sich beim 2,5-Hektar-Ziel quergelegt hatten, es brauche hier Verbindlichkeit.

Streitpunkt Renaturierung

Vizekanzler Kogler sah beim Thema Klimaschutz einige offene Baustellen nach der gemeinsamen Legislaturperiode. Nehammer will keine Gebote und Verbote, die Menschen einengten.

Wenn man weiterhin Flächen zubetoniere und etwa nicht weniger Straßen baue, werde es „in zwei, drei Generationen überhaupt keine fruchtbare Fläche“ mehr geben, so Kogler, der in diesem Zusammenhang der ÖVP – wenn auch nicht der ganzen, wie er betonte – „altes Denken“ attestierte. In der ÖVP-Wirtschaftskammer und im Wirtschaftsbund gingen die „Ölbarone, Betonbarone und Gasagenten“ ein und aus, so Kogler, „dann reiten sie wieder ein und machen Druck“. Dafür sei aber „viel weitergegangen“, so Kogler.

Ausweichende Kommentar zu Neuauflage der Koalition

Stichwort Regierungszusammenarbeit: Der Frage, ob sie sich beide eine Neuauflage der Koalition von ÖVP und Grünen nach der Nationalratswahl vorstellen könnten, insbesondere mit einer Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), die gegen den Willen der ÖVP in Brüssel für die EU-Renaturierungsverordnung gestimmt hatte, wichen Kanzler und besonders Vizekanzler aus.

Dezidiert ausschließen wollten sie eine solche aber nicht. Nehammer meinte auf „diese Spekulationsfragen“, dass zunächst der Wähler am Zug sei. Jeder ringe erst für sich um den Regierungsauftrag. Dann werde man sehen. Und mit offensichtlichem Verweis auf Gewesslers Alleingang: „Und was braucht es für eine verlässliche Regierungszusammenarbeit? Dass man sich an die Spielregeln hält.“

Kogler sagte, danach gefragt, ob er für eine Neuauflage der Koalition auf eine Ministerin Gewessler verzichten würde, dass „jeder Kapitän selber schaut, welche Mannschaft aufläuft“. Dass die ÖVP die Zusammenarbeit mit Gewessler ausschließe, sei dem Wahlkampf geschuldet, mutmaßte der Vizekanzler in der von Alexandra Maritza Wachter moderierten siebenten von zehn TV-Konfrontationen vor der Wahl.

Hochwasserkatastrophe dämpft Debatte

Breiten Raum nahmen in der Debatte – wie erwähnt – das Hochwasser der letzten Tage und seine Folgen ein. Gleich zu Beginn des Duells hatte Nehammer den Opfern der Katastrophe seine Anteilnahme und sein Beileid ausgesprochen, insbesondere den Angehörigen der fünf Todesopfer. In der Bundesregierung habe man für die Behebung der Schäden „vorgesorgt“. Sowohl er als auch Kogler sicherten sofortige Hilfe zu.

Hilfe für Betroffene des Hochwassers

Sowohl Nehammer als auch Kogler betonten, dass es nun primär um rasche Hilfe für die Hochwasseropfer gehe. Zur Sprache kam auch das Thema Bundes- versus Länderkompetenzen.

In weiterer Folge drehte sich das TV-Duell, das mehr per „Karl“ und „Werner“ als offensiv ausgetragen wurde, um die Kompetenzen von Bund und Ländern bei der Hochwasserhilfe, Kogler wünschte sich hier eher eine bundeseinheitliche Regelung als Nehammer, der darauf verwies, dass die Landeshauptleute vielleicht am besten wüssten, was die Menschen in den betroffenen Orten brauchten.

Forderungen der Versicherungswirtschaft

Zu Sprache kamen außerdem Forderungen aus der Versicherungswirtschaft nach Reformen, etwa bei Tarifmodellen. Nehammer sah einen solchen Nachdenkprozess als „ergebnisoffen“, neue Modelle dürften allerdings nicht zur Teuerung beitragen, und man dürfte die Menschen nicht unverhältnismäßig belasten.

Kogler sprach von einer ökonomischen, versicherungsmathematischen, aber auch sozialen Frage, in der man stark differenzieren müsse. „Ökonomisch schlau“ müsse heißen: sozial differenziert, und dass die Versicherungswirtschaft hier „keine Übergewinne“ generiere. Differenziert werden müsse bei Polizzen dann auch nach Lage, Wert von Gebäuden, Hochwasserrisiko und anderen Faktoren.

Randthema Generalstaatsanwaltschaft

Ein Thema, das ganz am Schluss und nur am Rande zur Sprache kam, war das einer Generalstaatsanwaltschaft. Dieses will Nehammer nicht getrennt von der Messengerüberwachung diskutieren. Man müsse den Sicherheitsbehörden die Möglichkeit geben, auf breiter Ebene, also auch in den sozialen Netzwerken, ermitteln zu können.

Analyse der TV-Duelle mit Thomas Hofer

Politikberater Thomas Hofer kommentiert das Aufeinandertreffen von Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler als „schaumgebremstes Kampfkuscheln“. Das Duell zwischen SPÖ-Vorsitzendem Andreas Babler und FPÖ-Obmann Herbert Kickl klassifiziert er als untergriffiges Buhlen um den sogenannten „kleinen Mann“.

Kogler verwies darauf, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine erste Regelung der Messengerüberwachung unter der ÖVP-FPÖ-Koalition gekippt habe. Beim Thema Generalstaatsanwalt hätten die Grünen mit Richtern und Staatsanwaltschaften gesprochen und würden daher eine Lösung befürworten.

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