SPD in Brandenburg vor AfD

Den Hochrechnungen zufolge erreicht die SPD 30,7 bis 31,3 Prozent (2019: 26,2 Prozent). Die AfD, die der Landesverfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall einstuft, steigert sich auf 29,5 bis 29,6 Prozent (23,5). Dahinter folgen das BSW, das aus dem Stand 12,4 bis 13,1 Prozent erreicht, und die CDU mit 11,9 bis 12,1 Prozent (15,6).

Die Grünen verlieren enorm und landen bei 4,6 Prozent (10,8) und damit klar unter der Fünfprozenthürde. Die Linke rutscht ebenfalls dramatisch ab auf 2,9 bis 3,5 Prozent (10,7). BVB/Freie Wähler kommen auf 2,5 bis 2,7 Prozent (5,0). Die FDP liegt laut ARD-Hochrechnung bei unter einem Prozent.

AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt und die Co-Vorsitzenden Alice Weidel sowie Tino Chrupalla

Reuters/Liesa Johannssen
Berndt (Mitte) von der AfD ist erfreut über Platz zwei, unterlag aber der SPD

Parteien, die an der Fünfprozenthürde scheitern, haben über die Grundmandatsklausel noch eine Chance: Wenn sie mindestens ein Direktmandat gewinnen, ziehen sie in den Landtag ein, mit der Anzahl der Sitze nach ihrem Zweitstimmenergebnis.

Hohe Wahlbeteiligung

Alle drei Parteien können aber noch auf ein Direktmandat hoffen. Die Wahlbeteiligung liegt den Hochrechnungen zufolge bei 73 bis 74 Prozent und damit deutlich höher als 2019 mit 61,3 Prozent. Zur Wahl aufgerufen waren rund 2,1 Millionen Menschen.

Woidke könnte nach elf Jahren im Amt also weiterregieren. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz darf auf leichten Rückenwind für die Bundestagswahl in einem Jahr hoffen. Für die beiden anderen „Ampel“-Parteien Grüne und FDP sind die Brandenburger Zahlen hingegen bitter.

Seit der Wiedervereinigung 1990 haben die Sozialdemokraten in Brandenburg durchgängig den Ministerpräsidenten gestellt. Im Wahlkampf hatte der 62-jährige Woidke bewusst nicht auf große gemeinsame Auftritte mit Kanzler Scholz gesetzt, wohl auch wegen der schlechten Umfragewerte der Berliner „Ampel“.

Komplizierte Regierungsbildung erwartet

Vor der Wahl hatte Woidke angekündigt, dass er nur dann weiter Regierungsverantwortung tragen will, wenn die SPD stärkste Kraft wird. Die Regierungsbildung dürfte aber kompliziert werden. Unklar ist, ob der bisherige Regierungspartner Grüne wieder in den Landtag kommt. So wäre eine Fortsetzung der rot-schwarz-grünen Koalition möglich. Woidke hatte sich vor der Wahl nicht zu Wunschpartnern geäußert. Als Partner käme außerdem das BSW infrage, aber auch BVB/Freie Wähler, falls Letztere ein Direktmandat gewinnen. Das BSW hatte im Wahlkampf signalisiert, nicht um jeden Preis mitregieren zu wollen.

ORF-Analyse zu SPD-Sieg in Brandenburg

Viele Umfragen haben die rechtsextreme Partei AfD an erster Stelle bei der Landtagswahl in Brandenburg gesehen. SPD-Ministerpräsident Woidke konnte aber Platz eins verteidigen.

In einer ersten Reaktion sagte Woidke: „Wir haben eine Aufholjagd hingelegt, wie es sie in der Geschichte unseres Landes noch niemals gegeben hat.“ Er fügte an: „Unser Ziel war von Anfang an, zu verhindern, dass unser Land einen großen braunen Stempel kriegt.“ CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach nach den Einbußen seiner Partei von einer „bitteren Niederlage“. Woidke habe mit seiner Rücktrittsdrohung alles auf eine Karte gesetzt. „So sieht Glaubwürdigkeit aus.“

AfD keine Aussicht auf Regierungsbeteiligung

Die AfD hat trotz ihres guten Abschneidens keine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung, denn keine andere Partei will mit ihr zusammenarbeiten. Parteichef Tino Chrupalla sagte, man habe das Ziel verpasst, Woidke „in die Rente zu schicken“. Doch seien die ostdeutschen Wahlen in Sachsen und Thüringen erfolgreich gewesen: „Wir haben einmal Gold und zweimal Silber geholt.“ Das Erstarken der AfD hat zuletzt auch im Ausland Sorgen vor einem Rechtsruck in Deutschland ausgelöst, etwa bei Partnern in der NATO und der EU.

Eine Besonderheit in Brandenburg, die es in keinem anderen deutschen Bundesland gibt, ist die Deckelung der Sitze im Landtag – maximal 110 dürfen es sein. Sollte die AfD bei dieser Wahl mehr Direktmandate gewinnen, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil Mandate zustehen, könnte es Experten zufolge dazu kommen, dass die anderen Parteien wegen der Begrenzung der Landtagssitze nicht genug Ausgleichsmandate bekommen.

Zentralrat der Juden besorgt

Sollte die AfD sogar mehr als ein Drittel der Sitze bekommen, hätte sie eine Sperrminorität: Bei Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, müsste sie zustimmen. Verfassungsrichter und -richterinnen werden beispielsweise vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt.

Der Zentralrat der Juden äußerte sich besorgt. „Wenn erneut fast ein Drittel der Wähler eine zerstörerische politische Partei wie die AfD an der Macht sehen will und eine populistische Kraft wie das BSW wieder zweistellig wird, dann darf uns das nicht unberührt lassen“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster.

Kickl gratuliert AfD

FPÖ-Chef Herbert Kickl gratulierte der AfD Sonntagabend zum „imposanten“ Wahlerfolg. „Die politischen Reaktionen zeigen, dass das System keine Themen mehr hat, sondern lediglich das destruktive Ziel verfolgt, die AfD vom Spitzenplatz fernzuhalten. Das ist – trotz intensiver Unterstützung der auch von AfD-Wählern zwangsfinanzierten Medien – nur ganz knapp gelungen. Umso höher ist die Leistung der AfD einzuschätzen“, reagierte der Bundesparteiobmann der Freiheitlichen.

Der Wahlkampf war bestimmt von einer scharfen Debatte über die Begrenzung der irregulären Migration, angeheizt auch vom islamistischen Messerattentat in Solingen mit drei Todesopfern. Brandenburgs Grenze zu Polen gilt bundesweit als Migrationshotspot, dort reisen trotz stationärer Polizeikontrollen viele Asylwerberinnen und Asylwerber ein.

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