Nehammer versus Kickl: Wer ist hier der Herausforderer?
TV-Duelle
Es war die direkte Konfrontation zwischen Nehammer, der Kanzler bleiben, und Kickl, der es werden will. Es war ein ruhiges Gespräch, getragen von gegenseitiger Antipathie
Das war ein heikles Zusammentreffen. Der formal Erste laut letztem Wahlergebnis gegen den informell Ersten in allen Umfragen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) stellte sich am Montagabend in einer ORF-Konfrontation FPÖ-Chef Herbert Kickl – und es war die Frage, wer von beiden der Herausforderer ist. In den jüngsten Umfragen ist der Vorsprung der FPÖ geschmolzen, die ÖVP ist bis auf ein oder zwei Prozentpunkte herangerückt, und auch wenn in allen Umfragen die Kickl-FPÖ voranliegt, gilt nicht mehr als ausgeschlossen, dass die Nehammer-ÖVP doch noch Platz eins erringen könnte. Ein kleiner Fehler oder eine große Emotion könnte diese Wahl entscheiden.
Im Vorfeld hatte Kickl keine Gelegenheit ausgelassen, seinen Kontrahenten Nehammer mit Hohn und Spott zu bedenken, dieser wiederum hatte Kickl als das Böse schlechthin identifiziert und eine Koalition mit ihm kategorisch ausgeschlossen. Kickl sei ein Sicherheitsrisiko, betete Nehammer immer vor, ein Extremist, der die Demokratie gefährde und mit dem kein Staat zu machen sei. Arena frei zum Duell von Schwarz und Blau: Zwei Kontrahenten, die persönlich sehr verschieden sind, deren Parteien aber mehr inhaltliche Überschneidungen aufweisen als die meisten anderen Konstellationen und möglichen Koalitionen.
Kickl legt gleich los, er attestiert Nehammer jene Radikalität, die ihm nachgesagt wird. Nehammer habe in der Pandemie “ein demokratisches Land in einen totalitären Ausnahmezustand überführt”. Es sei eine mehr als schwierige Zeit gewesen, erwidert Nehammer, es sei immer nur darum gegangen, Menschenleben zu retten. Wenn man politische Verantwortung trägt, geht man immer das Risiko ein, Fehler zu machen oder unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Die FPÖ habe daraus politisches Kapital zu schlagen versucht.
Nehammer beteuert, viele vernünftige Kräfte in der FPÖ zu kennen, Kickl, den er sechs Mal gegen Misstrauensanträge im Parlament verteidigt habe, gehöre mittlerweile nicht mehr dazu. Kickl habe sich radikalisiert und gebe sich Verschwörungstheorien hin, auf ihn sei kein Verlass. Kickl spricht daraufhin von gefälschten Bildern, die Impfung sei jedenfalls nicht der Gamechanger in der Corona-Pandemie gewesen, Nehammer unterstellt er Sturheit und Dummheit.
Der FPÖ-Chef geht jedenfalls nicht von einer Zusammenarbeit mit Nehammer aus. Auf eine mögliche Koalition angesprochen, sagt Kickl, er rechne damit zu gewinnen, dann werde sich jene Partei, die verloren hat, auch hinterfragen und die Person an der Spitze austauschen.
Harter Themenwechsel von Moderatorin Susanne Schnabl: Bodenversiegelung. Nehammer spricht von leistbaren Wohnräumen, von neuen Betrieben und Lebensmittelproduktion. Eine Renaturierung will er sich nicht von Brüssel vorgeben lassen. Was die Renaturierung anbelangt, ist Kickl ganz auf Linie Nehammers, es brauche keine gesamteuropäische Lösung, er wolle sich dem Diktat Brüssels nicht unterwerfen. Aber Kickl ist im Gegensatz zu Nehammer für ein Bodenschutzgesetz, das die Bodenversiegelung begrenzt. Das wäre ein Eingriff in die Möglichkeiten der Raumordnung und damit in die Kompetenzen der Bürgermeister, räumt Kickl ein. Und wettert im gleichen Atemzug die Windräder, deren Bau die Natur zerstören würde.
Nehammer gesteht Kickl zu, komplexe Zusammenhänge einfach darzustellen und so Plausibilität darzustellen. Aber so funktioniere es nicht. Es gehe jetzt um die Frage, wie man von fossilen Brennstoffen und vor allem vom russischen Gas wegkomme. Kickl beharrt einmal mehr darauf, sich nicht der Europäischen Union unterwerfen zu wollen, das gelte auch für die Klimaziele. Nehammer wirft er vor, sich in Klimafragen den Grünen ausgeliefert zu haben und den “ganzen Irrsinn” mitgemacht zu haben.
Überraschend gibt Nehammer Kickl in Teilen recht und erklärt, eine derartige Konzentration wie jetzt im Klimaministerium werde es in der nächsten Regierung nicht mehr geben.
Nehammer bekennt sich zu Sky Shield, der gemeinsamen europäischen Luftabwehr, Kickl sieht dadurch die Neutralität außer Kraft gesetzt. Er gibt eine Garantie ab, dass kein junger Österreicher als Handlanger der Nato in den Krieg ziehen wird müssen. Für Nehammer ist das pure Angstmacherei.
Es sei kein Geheimnis, dass die FPÖ die Sanktionen der EU gegen Russland nicht unterstützt, erklärt Kickl, das sei bloß eine andere Form der Kriegsführung. Nehammer hingegen bekennt sich zur Solidarität mit der Ukraine. Den Krieg Russland könne man nicht einfach zur Kenntnis nehmen, daher seien auch die Sanktionen wichtig.
Auch beim Thema Asyl bekennt sich Nehammer zu europäischen Lösungen, Kickl propagiert dagegen die “Festung Österreich”. Nur wenn sich auch Europa endlich als Festung verstehe und sage, “wir wollen niemanden von euch”, dann sei das richtige Weg. Einen klaren Sieger und einen Verlierer gab es in dieser Diskussion nicht, beide brachten ihre Botschaften an, Kickl etwas deutlicher als Nehammer. Der ÖVP-Chef hatte zwar auch starke Phasen, wirkte aber etwas angeschlagen und insgesamt sehr verhalten. (Michael Völker, 23.9.2024)
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