Verstößt eine Trendprognose vor Wahlschluss gegen das Wahlgeheimnis?

Nationalratswahl

Servus TV veröffentlicht schon vor Wahlschluss eine Trendprognose. Offizielle Ergebnisse darf diese aber nicht enthalten, sonst wäre sie gesetzeswidrig

Wien – Die Trendprognose ist wohl spätestens seit der Europawahl vielen ein Begriff. Im Juni kam sie am Wahlsonntag zur Anwendung, um schon am Sonntagabend ungefähr zu wissen, wie der Ausgang der Europawahl aussehen könnte. Eine erste Hochrechnung mit offiziellen Ergebnissen gab es ja bekanntlich erst um 23 Uhr, da die Wahllokale in Italien bis kurz vor Mitternacht geöffnet hatten. Die Trendprognosen bestanden aus repräsentativen Befragungen vor und am Wahltag, Stimmen aus den Wahllokalen waren darin nicht enthalten.

Bei der Europawahl am 9. Juni musste man sich lange Zeit mit Trendprognosen begnügen, bevor offizielle Ergebnisse bekannt wurden.
@Christian Fischer

Bei der Nationalratswahl am Sonntag schließt das letzte Wahllokal um 17 Uhr, offizielle Ergebnisse dürfen also schon kurz nach fünf veröffentlicht werden, und damit auch eine erste Hochrechnung. Diese liefert für den ORF das Meinungsforschungsinstitut Foresight (vormals Sora) – Servus TV arbeitet mit Daten des Instituts OGM.


Auf dem Privatsender wird schon vorab, nämlich um 16 Uhr, eine Trendprognose von OGM veröffentlicht. Diese beinhaltet rund 1500 Befragungen aus dem Zeitraum 24. bis 29. September, offizielle Daten sind darin noch nicht enthalten.


“Stimmiger, bis Wahlschluss zu warten”

Die vorzeitige Trendprognose stößt bei anderen Meinungsforscherinnen und -forschern auf Unverständnis. “Im Sinne der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) aus dem Jahr 2016 wäre es stimmiger, bis Wahlschluss zu warten. Zudem ist die Prognose, die nur auf Umfragen beruht, recht unsicher”, sagt etwa Meinungsforscher Christoph Hofinger vom Foresight-Institut im Gespräch mit dem STANDARD. OGM war für den STANDARD vorerst nicht erreichbar.


Vor mehr als acht Jahren hob der VfGH die Bundespräsidentenwahl auf, da unter anderem erste Ergebnisse bereits vor Wahlschluss an die Öffentlichkeit durchgedrungen sind und so ein Einfluss auf Wählerinnen und Wähler befürchtet wurde. Aber könnte eine Trendprognose tatsächlich gegen das geheime Wahlrecht verstoßen?


Befragungen erlaubt, offizielle Ergebnisse nicht

Verfassungsexperten sehen darin kein Problem, solange die Trendprognose keine offiziellen Ergebnisse enthält. “Beruht die Prognose nur auf Befragungen und nicht auf offiziellen Ergebnissen, ist das gesetzeskonform. Erst wenn sich die Prognose auf Daten aus den Wahllokalen stützen würde und diese vor Wahlschluss veröffentlicht werden, wäre das ein Verstoß”, erklärt Verfassungsexperte Peter Bußjäger.


Gleicher Meinung ist auch Verfassungsjurist Heinz Mayer: “Solange die Prognose keine amtlichen Ergebnisse enthält, ist das im Rahmen der Gesetze.” Umfragen kurz vor der Wahl sind zudem, was in anderen Staaten durchaus der Fall ist, in Österreich nicht verboten.


Auch bei Servus TV sieht man keinen Konflikt mit dem Wahlrecht. Die Prognose solle als “stimmiger Einstieg” in die Sendung dienen und enthalte ohnehin keine offiziellen Ergebnisse. Diese würden erst bei der ersten Hochrechnung um 17 Uhr veröffentlicht werden, sagt eine Sprecherin dem STANDARD. (Max Stepan, 28.9.2024)

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