Marathonmann Kickl bricht blauen Rekord und holt für FPÖ den Sieg

Nationalratswahl

Mit einem unversöhnlichen Kurs hat der FPÖ-Chef seine Partei auf Platz eins geführt. Nun will er als “Volkskanzler” aus der Republik eine Festung machen

FPÖ-Chef Herbert Kickl mit erhobenen Händen auf der Bühne beim Wahlkampfauftakt in Graz.
FPÖ-Chef Herbert Kickl zieht es nicht nur auf die Gipfel dieses Landes, sondern auch im Gefüge des Staates hoch hinauf.
AFP/ALEX HALADA

Die Fußstapfen seines Vorbilds Jörg Haider sind ihm also doch nicht zu groß: 29,1 Prozent holte Herbert Kickl für die FPÖ. Die Partei erobert damit erstmals Platz eins bei einer Nationalratswahl, fährt ein Rekordplus ein und übertrumpft ihr bisher bestes Ergebnis von 26,9 Prozent, das Haider 1999 erzielt hatte.


Dabei galt Herbert Kickl lange Jahre als prädestiniert für die zweite Reihe, als gewiefter Stratege, der im Hintergrund die Fäden zieht und gar nicht selbst an vorderster Front stehen will. Erst als er sich 2017 zu einem Ministerposten überreden ließ, soll Kickl, der seiner Partei bis dahin als Generalsekretär diente, Gefallen am Scheinwerferlicht gefunden haben. Mit seiner Amtsführung im Innenressort sorgte er mehrfach für Skandale. Infolge der Ibiza-Affäre setzte ihn der Bundespräsident 2019 schließlich vor die Tür.


Nachdem er seinen Vorgänger Norbert Hofer über Monate hinweg erfolgreich zermürbt hatte, erklomm der passionierte Bergsteiger 2021 die Spitze seiner Partei. Kickls Werdegang entspricht dem eines klassischen Berufspolitikers. Seit seiner Studentenzeit ist der heute 55-Jährige bei der FPÖ aktiv, sein Studium der Geschichte und Philosophie schmiss er hin, stattdessen kletterte der Extremrechte die parteiinterne Karriereleiter ganz nach oben.


Speerspitze der Maßnahmengegner

Dort angekommen, gab es für den als Asket geltenden und aus einer Arbeiterfamilie stammenden Kärntner kein Halten mehr: Krisen wie die Corona-Pandemie wusste Kickl perfekt zu nutzen und stilisierte sich so zur Speerspitze der Maßnahmengegner. Zu Beginn pochte er zwar höchstselbst noch auf einen landesweiten Lockdown, legte jedoch recht rasch eine Kehrtwende hin. Fortan befeuerte er Verschwörungsmythen rund um die Impfung, wurde zum gern gesehenen Redner bei Corona-Demos und verweigerte sich beharrlich dem Maskentragen im Parlament.


Verbal schoss der einstige Redenschreiber Haiders nicht selten weit übers Ziel hinaus, mitunter bediente er sich dabei auch eines NS-Jargons. So sprach Kickl von “Fahndungslisten” für politische Gegner, nannte den Bundespräsidenten “Mumie” und die Salzburger Festspielgesellschaft “Inzuchtpartie”. Abgesehen hat er es auf “illegale Migranten”, “politische Eliten” und “Systemmedien”.


Seinem Ziel, “Volkskanzler” in einer “Festung Österreich” zu werden, wird sich Kickl nun einen großen Schritt näher wähnen. Den Marathonmann, der mit Frau und Sohn in Niederösterreich lebt, zieht es nämlich nicht nur auf die Gipfel dieses Landes, sondern auch im Gefüge des Staates hoch hinauf. Bis dahin ist es aber noch ein steiler Anstieg, hat er sich doch mit seinem radikalisierten und unversöhnlichen Kurs politisch weitgehend isoliert. (Sandra Schieder, 29.9.2024)

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