Selbst wenn sie wollten, werden Bablers Gegner ihren Vorsitzenden nicht mehr so einfach los
SPÖ
Die Spitze der Sozialdemokratie wird seit Bablers Statutenreform von der Basis gewählt. Ein schneller Putsch im Hinterzimmer ist nicht möglich. Die Konkurrenz müsste sich einem Duell stellen, das sie noch dazu verlieren könnte
Am Wahlabend dauerte es nicht lange, bis sich unter Genossinnen und Genossen die ersten Sorgen breitmachten. Beginnt jetzt wieder das große Sesselsägen? Und: “Was können wir jetzt für den Andi tun?”, fragte ein älterer Sozialdemokrat bei der roten Wahlparty verzweifelt einen Mitstreiter. Minuten zuvor hatte die Sozialdemokratie ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Nationalratswahl eingefahren. Andreas Bablers Ziel, Erster zu werden und ins Kanzleramt einzuziehen, war rigoros gescheitert. Aus der Traum. War es das also für Babler als Parteichef?
Zumindest nach außen hin gaben sich die SPÖ-Granden Anfang der Woche nicht geschlossen. Es sei jetzt nicht die Zeit für Personaldiskussionen, hieß es. Im Hintergrund wird Babler schon seit Wochen kritisiert. Sein Team als “Sekte” diffamiert. Sein Wahlkampf zerrissen. Babler als Chef infrage gestellt. Offen aussprechen traute sich das nach der Wahl aber niemand.
Von der Bühne pfeifen ist passé
Vielleicht auch deshalb, weil Babler fester im Sattel sitzt, als es den Anschein hat. Und zwar nicht nur, weil er die SPÖ vielleicht doch in eine Koalition mit ÖVP und Neos führen könnte, potenziell sogar als Vizekanzler. Sondern weil Babler als Neo-Parteichef recht schnell die roten Statuten reformiert hat. Seither wird der SPÖ-Vorsitz direkt von der Basis gewählt. Die Partei kann Babler dadurch nicht mehr einfach von einer Bühne pfeifen wie einst Werner Faymann oder mürbe machen wie Christian Kern und einfach austauschen, wie es ihr beliebt.
Schmeißt Babler – der keinesfalls an einen Rücktritt denkt – also nicht irgendwann von selbst entnervt hin, wird es durch den Modus einige Zeit dauern, bis die Konkurrenz Bablers überhaupt in die Nähe kommt, ihren amtierenden Chef vom Thron stoßen zu können – noch dazu mit der Unsicherheit, das Duell zu verlieren.
Mitglieder als große Unbekannte
In Summe ist die rote Direktwahl ein aufwendiges Verfahren. Aber nicht nur das: Wie sich schon beim Dreikampf zwischen Ex-Chefin Pamela Rendi-Wagner, Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil und Babler im Vorjahr gezeigt hat, gibt es eine große Unbekannte. Nämlich die Mitglieder selbst. Über sie ist praktisch nichts bekannt – zumindest für Außenstehende.
Klar ist nur, dass die SPÖ-Mitglieder im Schnitt über 60 Jahre alt sind. Babler konnte mit seinem Antritt viele Junge für die Partei begeistern. Über die Motivlage der Mitglieder ist darüber hinaus aber sonst nichts bekannt. Das macht es für Bablers parteiinterne Konkurrenz vermutlich nicht unbedingt leichter, eine Herausforderin oder einen Herausforderer zu finden. Und für die Gegenkandidatur ist nicht besonders schmackhaft, in ein Duell zu gehen, bei dem unklar ist, ob man dabei tatsächlich auch als Siegerin oder als Sieger hervorgeht.
Gerüchteweise werden etwa seit längerer Zeit Niederösterreichs SPÖ-Chef Sven Hergovich und Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke medial immer wieder als mögliche Nachfolger von Babler gehandelt. Aber würden die beiden Roten ein Duell mit Babler überstehen, bei dem die Mitglieder und nicht die Funktionäre das letzte Wort haben? (Jan Michael Marchart, 2.10.2024)
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