Der Nazi-Wähler von Seitenstetten darf nicht ausgeforscht werden

Verbotene Symbole

Eine Stimme für die FPÖ wurde in Niederösterreich mit nationalsozialistischen Symbolen abgegeben, der Bürgermeister erstattete Anzeige. Doch das Wahlgeheimnis schützt den Täter

Seitenstetten – Das Abstempeln eines Stimmzettels mit Reichsadler samt Hakenkreuz im niederösterreichischen Seitenstetten dürfte ohne strafrechtliche Konsequenzen für die Täterin oder den Täter bleiben. Bürgermeister Johann Spreitzer (ÖVP) hat zwar Anzeige erstattet, weil der Wahlbehörde bei der Nationalratswahl am Sonntag der Stimmzettel mit den verbotenen Symbolen aufgefallen war – DER STANDARD berichtete. Doch die Polizei darf die verantwortliche Person wegen des Wahlgeheimnisses nicht ausfindig machen, erklärt Strafrechtsexperte Robert Kert dem STANDARD.

Kugelschreiber auf einem Stimmzettel für die Nationalratswahl
Solange der Wählerwille eindeutig erkennbar ist, gilt die Stimme –auch wenn sich daneben verbotene Symbole befinden.
IMAGO/Andreas Stroh

“Man hat immer ein Aussageverweigerungsrecht über den Gebrauch des Wahlrechts”, sagt Kert. Das heißt aber nicht nur, dass sich ein bereits ausgeforschter Wähler zu seiner Wahl ausschweigen dürfte: “Dieses Recht auf Aussageverweigerung darf auch nicht umgangen werden, daher ist es auch nicht zulässig, Stimmzettel sicherzustellen oder zu beschlagnahmen”, sagt der Professor für Strafrecht an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Ermittlungen mittels Abgleichs von Fingerabdrücken oder DNA sind damit ausgeschlossen.

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Robert Stein, ehemaliger Leiter der Bundeswahlbehörde, erinnert daran, dass per Briefwahl abgegebene Stimmen ebenfalls im Wahllokal ausgezählt wurden. Er hält es für naheliegender, dass der Täter den Stempel zu Hause angebracht hat. Über eine theoretische Herausgabe des Stimmzettels müsste die Gemeindewahlbehörde entscheiden, die freilich selbst an die Gesetze gebunden ist. Die Wahrung des Wahlgeheimnisses sei in den Rechtsvorschriften zur Wahl nirgends explizit als Grundsatz festgeschrieben, ergebe sich aber aus dem Workflow.


“Kommt nicht infrage” 

Aktuell befindet sich der Stimmzettel wie alle anderen sicher verwahrt auf dem Gemeindeamt, sagt Bürgermeister Spreitzer. Weil der Wählerwille durch eine Markierung abseits des Stempels eindeutig erkennbar war, wurde die Stimme gültig für die FPÖ gezählt. “Wenn das eine höhere Instanz verlangt”, würde er das Beweisstück schon ausfolgen – vorstellen könne er sich das aber nicht, das Wahlgeheimnis sei ein hohes Gut. “Aus meiner Sicht kommt das nicht infrage.” (Sebastian Fellner, 4.10.2024)

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