Präsidentin der Digital-Uni Linz zu abgesagtem Standort: “Andere Stadt kommt nicht infrage”

Stefanie Lindstaedt Porträt
Stefanie Lindstaedt will mit ihrer neuen Uni einen dauerhaften Standort in der Nähe der Kepler-Uni. Die Hoffnung der Uni-Präsidentin – quasi der Rektorin – hängt auch an der Bürgermeisterwahl im Jänner.
Violetta Wakolbinger

Einen leichten Start hat Uni-Präsidentin Stefanie Lindstaedt beileibe nicht. Die Gründung der Technischen Uni in Linz, die mittlerweile “Interdisciplinary Transformation University” heißt, ist seit der politischen Ankündigung von Querelen überschattet (siehe Zeitleiste unten). Trotzdem gelang Lindstaedt die rasche Anwerbung von Personal, seit Herbst sind auch PhD-Studierende aktiv. Momentan sind die Lern- und Arbeitsräume an der Johannes-Kepler-Uni (JKU) untergebracht – direkt in der Nachbarschaft sollte ab kommendem Jahr ein großer Neubau für die IT:U entstehen. Daraus wird nun offenbar nichts. Oder doch?


STANDARD: Es war geplant, dass die IT:U hier – auf dem Areal der JKU – aufgebaut werden soll. Vergangene Woche hat der interimistische Stadtchef Dietmar Prammer (SPÖ) die Widmung für diesen Standort jedoch abgeblasen. Waren Sie schockiert?


Lindstaedt: Ja, der Schock war im ersten Moment groß. Wir können vorerst hier am Standort zwar unsere Entwicklung fortsetzen, aber für das langfristige Wachstum der IT:U ab 2029 ist eine gute Location natürlich immens wichtig. Der Standort hier bietet durch die Synergieeffekte und die enge Zusammenarbeit mit der JKU viele Vorteile für beide Seiten. Wir hatten auch einen gelungenen Architekturwettbewerb für den Bau. Herr Prammer war als Planungsstadtrat in den Prozess jahrelang eingebunden, daher wundert mich seine plötzliche Meinungsänderung.


STANDARD: Er beruft sich auf ein Umweltgutachten der Stadt.


Lindstaedt: Ich würde mir die Kritikpunkte gerne genauer anschauen. Bisher habe ich das Gutachten noch nicht.


STANDARD: Sie hoffen, auf dem Areal der JKU doch noch eine Widmung für den Bau der IT:U zu bekommen?


Lindstaedt: Ja, aber wir müssen jetzt einmal die Bürgermeisterwahl im Jänner abwarten.


STANDARD: Derweil bringen sich Steyr und Wels als künftige Standorte ins Gespräch. Wirtschaftslandesrat Achleitner (ÖVP) fordert eine neuerliche Suche in ganz Oberösterreich. Was halten Sie davon?


Lindstaedt: Im Gesetz steht, dass die IT:U nach Linz gehört. Das gilt für mich, daher kommt aus meiner Sicht eine andere Stadt aktuell nicht infrage.


STANDARD: Der rechtliche Rahmen kann geändert werden.


Lindstaedt: Schwierig, aber dann müssten wir die Situation neu bewerten. Für mich ist klar, dass wir die Nähe zur JKU sowie eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr brauchen. Auch eine schnelle Achse Richtung Wien und Flughafen ist für die internationale Attraktivität wichtig. Mich ärgert die wiederentflammte Standortdiskussion, weil dadurch unsere gewaltigen Fortschritte in den Hintergrund geraten: Wir haben elf tolle Professorinnen und Professoren geholt und im Herbst 16 engagierte PhD-Studierende aufgenommen. Zudem haben wir eine funktionierende Verwaltung hochgezogen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das eine Rekordleistung.

Stefanie Lindstaedt glaubt an die segensreichen Wirkungen der Interdisziplinarität.
Violetta Wakolbinger

STANDARD: Die IT:U bietet heuer zwei Doktoratsstudien an. Eines davon – Digital Transformation in Learning – wird mit der JKU gemeinsam betrieben. Zeigt das nicht, dass es gescheiter wäre, gleich mehr in die JKU zu investieren, anstatt eine neue Institution hinzustellen, die erst recht beim Studienangebot kooperieren muss?


Lindstaedt: Wir sind bewusst als Netzwerkuniversität angetreten, die in der Forschung interdisziplinär aufgestellt ist. Informatik ist der Kern, aber jeder unserer Professoren forscht an der Schnittstelle zu einer anderen Disziplin. Das Ziel ist, an diesen Schnittstellen durch die Gemeinsamkeit unterschiedlicher Perspektiven neues Wissen zu generieren. Gerade weil wir ein Leuchtturm für solche Synergien sein wollen, suchen wir den Schulterschluss mit anderen Hochschulen – von technischen bis zu künstlerischen Unis. Der Bund hat uns den klaren Auftrag gegeben, eine neue Form von Universität aufzubauen.


STANDARD: Das Schlagwort “Interdisziplinarität” heften sich die etablierten Unis ebenfalls gerne auf die Fahnen.


Lindstaedt: Wir reden in Österreich seit Jahrzehnten davon, bloß es passiert kaum. Das liegt an den starren Fakultäten, die aus verständlichem Eigeninteresse darauf bedacht sind, Nachwuchs nur aus der eigenen Disziplin zu rekrutieren. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich Innovationen besser entwickeln, wenn Menschen verschiedene Blickwinkel auf ein Problem einnehmen können. Unsere Studienprogramme richten sich daher explizit an Leute, die keinen Informatikabschluss haben, aber für ihre Forschung Kompetenzen in digitalen Technologien aufbauen möchten. Das reicht von Soziologen über Psychologinnen bis zu Musikwissenschaftern. Es müssen nicht alle Programmierprofis werden, aber das Arbeiten an den Schnittstellen zu KI und digitalen Skills wird in Zukunft unerlässlich sein.


STANDARD: Für die IT:U wurde ein eigenes Gesetz außerhalb des regulären Universitätsgesetzes (UG) geschaffen. Wozu diese Parallelstruktur?


Lindstaedt: Wir konnten unsere elf Gründungsprofessoren in einem halben Jahr berufen, weil wir nicht an die Fristen und Regeln gebunden sind, die an normalen Unis vorgeschrieben sind. Damit agieren wir schneller und agiler am Markt. An den anderen Unis ziehen sich Berufungsverfahren oft so lange, dass die besten Kandidaten in der Zwischenzeit abspringen.


STANDARD: Das Gesetz, dem die 23 anderen öffentlichen Unis unterliegen, ist aus Ihrer Sicht mangelhaft?


Lindstaedt: Ich glaube, man sollte die Verfahren schneller machen. Wir müssen am akademischen Jobmarkt international wettbewerbsfähig sein, um die besten Köpfe zu bekommen.


STANDARD: An der IT:U geht es auch deshalb schneller, weil die Entscheidungskompetenz bei Ihnen als Präsidentin konzentriert ist und es keinen starken Senat gibt. Die demokratische Mitbestimmung der Wissenschafter und Studierenden wird dadurch ausgehebelt, hat etwa der Verfassungsdienst kritisiert.


Lindstaedt: Unsere Satzung stellt sehr wohl sicher, dass bei Berufungen neben externer Expertise die Perspektiven aller Universitätsangehörigen abgebildet sind. In Zukunft werden die Professorinnen und Professoren, die jetzt schon da sind, auch eine interne Mitsprache bei Berufungen haben. Am Anfang ging das logischerweise noch nicht. Was wir uns an der IT:U vor allem ersparen, sind die langwierigen Fristen des UG.


STANDARD: Es kursiert das Gerücht, dass die IT:U den Professoren mehr Geld zahlt, als im Gehaltsschema der öffentlichen Unis vorgesehen ist. Stimmt das?


Lindstaedt: Wir zahlen in etwa dasselbe wie die anderen Unis. Wir stellen den Professorinnen und Professoren aber mehr Personal und Ausstattung zur Verfügung.

Die ersten Doktoratsstudien haben im heurigen Herbst an der IT:U begonnen. Zur Auswahl stehen “Computational X” und “Digital Transformation in Learning”.
VIioletta Wakolbinger

STANDARD: Ein Schwerpunkt Ihrer Uni ist die digitale Transformation des Lernens. Haben klassische Vorlesungen ausgedient?


Lindstaedt: Wir werden Formate, bei denen hunderte Menschen in einem Hörsaal sitzen, nicht machen. Man muss sich überlegen, für welche Lernsituation welche Technologien und Settings sinnvoll sind. Wenn es nur um Grundlagenwissen geht, können sich Studierende das mit einem Buch oder über Online-Videos aneignen. Auf der anderen Seite gibt es Situationen, wo das Zusammentreffen von Lehrenden und Studierenden einen richtigen Mehrwert hat. Wo der Funke überspringen kann. Dafür haben wir moderne Lern-Labs, in denen die Begegnung von Studierenden, Professoren und Coaches passiert. Das kann beispielsweise das gemeinsame Bauen eines Pflegeroboters sein, der genau den Bedürfnissen der Pflege entspricht. Auch KI wird in der Lehre eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, den Studierenden schnelles und kontinuierliches Feedback zu ihren Lernfortschritten geben.


STANDARD: Beim Durchlesen der Materialien auf der Uni-Website hatte ich manchmal das Gefühl, von Wortungetümen aus dem Marketingjargon erschlagen zu werden. “Inquiry Based Learning mit individuellen Lernpfaden”; “Real-Life-Fragestellungen”; “Wissenschafter agieren missionsorientiert in fluiden Forschungsstrukturen”; “Affinity Groups und abstrakte Curricula fördern Neugier”, “Lernen in Maker-Spaces” etc. Was soll man damit anfangen?


Lindstaedt: Na ja, junge Leute wissen sehr wohl, was “Maker-Spaces” sind. Manche Formulierungen hat übrigens der Gründungskonvent verfasst, das richtet sich nicht unbedingt an ein allgemeines Publikum. Aber Sie haben in einem Punkt recht: Unsere Forschungs- und Ausbildungsthemen kommen mitten aus der Gesellschaft und haben hohe Relevanz, das werden wir künftig in unserer Kommunikation noch klarer machen. (Theo Anders, 21.10.2024)

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