Koloniale Vergangenheit holt London ein

Starmer sagte diese Woche, er wolle bei dem Gipfel aktuelle Herausforderungen, insbesondere den Klimawandel, ansprechen und keine „sehr, sehr langen, endlosen Diskussionen“ über die Vergangenheit führen. Er werde das Thema Reparationszahlungen für die Sklaverei beim Gipfel nicht auf den Tisch bringen und sich auch nicht entschuldigen, sei aber offen für Gespräche mit Staats- und Regierungschefs darüber.

Der Kampf gegen die Klimakrise sei essenziell, sagte Starmer. „Ich habe mit vielen unserer Kollegen aus dem Commonwealth gesprochen, und sie stehen hier und jetzt vor echten Herausforderungen in Sachen Klima.“ Mehr als die Hälfte der Commonwealth-Mitglieder sind kleine Nationen, viele davon tief liegende Inseln, die angesichts des durch den Klimawandel verursachten Anstieg des Meeresspiegels gefährdet sind.

Keir Starmer währende eines Commonwealth-Banketts

APA/AFP/Fiona Goodall
Starmer: „Wir sollten nach vorne schauen, nicht zurück“

Gipfel mit Gewicht für Zukunft

Unter ihnen ist Tuvalu, dessen Klimaminister Maina Vakafua Talia die Gruppe aufforderte, das im Pariser Abkommen festgelegte Erwärmungsziel von 1,5 Grad Celsius einzuhalten, und die Ausweitung fossiler Brennstoffe als „Todesurteil“ für sein Land bezeichnete. Es ist das erste Mal, dass das Commonwealth-Treffen in einem Pazifikstaat stattfindet. Der Südpazifik gehört zu den am schlimmsten vom Klimawandel betroffenen Regionen.

Das Treffen hat auch besondere Bedeutung für Afrika, denn die Position des Generalsekretärs soll künftig eine Afrikanerin oder ein Afrikaner übernehmen. Alle drei Kandidaten, aus Ghana, Lesotho und Gambia, haben entgegen dem Willen Londons finanzielle Wiedergutmachung für die frühere Versklavung kolonisierter Menschen gefordert.

Einer von ihnen, Joshua Setipa, ehemaliger Handelsminister von Lesotho, sagte diese Woche gegenüber der „Financial Times“, dass „der Zeitpunkt richtig ist, um eine Diskussion über Wiedergutmachungsgerechtigkeit zu beginnen“. Setipa zufolge habe die Frage der Wiedergutmachung „an Zugkraft und globaler Aufmerksamkeit gewonnen“, und das Commonwealth-Treffen sei das beste Forum, um eine „politische Verpflichtung“ zur Lösung dieses Problems anzugehen.

Frederick Mitchell, Außenminister der Bahamas, sagte in der Sendung „Today“ von BBC Radio 4 am Donnerstag: „Wenn man das Thema erst einmal anspricht, kann es eine Weile dauern, bis die Leute darauf eingehen. Aber sie werden darauf eingehen.“ Auch 14 Regierungen anderer karibischer Länder machten sich dafür stark, Reparationszahlungen auf dem Treffen zur Sprache zu bringen.

Definition

Das Commonwealth of Nations (CoN), kurz Commonwealth, ist eine lose Verbindung souveräner Staaten, die in erster Linie von Großbritannien und dessen ehemaligen Kolonien gebildet wird. Die Gründung geht auf das Jahr 1931 zurück. Heute sind 56 Länder Teil der Staatengemeinschaft, Charles III. ist Staatsoberhaupt in 15 davon.

Front karibischer Staaten

London sträubt sich dagegen. Diplomatische Quellen sagten der BBC aber, dass im Hintergrund über eine Vereinbarung verhandelt wurde, weitere Untersuchungen diesbezüglich einzuleiten und „sinnvolle Gespräche“ zu eröffnen. Britischen Beamten und Beamtinnen soll es gelungen sein es, eine separate Erklärung zu dem Thema auf dem Gipfel zu blockieren, jedoch soll das Abschlusscommunique drei Absätze zur Wiedergutmachung enthalten – darunter eine Anerkennung der Forderung nach „reparativer Gerechtigkeit“ im Zusammenhang mit dem Sklavenhandel.

Patricia Scotland, die aktuelle Generalsekretärin des Commmonwealth, bestätigte den Bericht allerdings nicht, und tatsächlich könnte sich der Entwurf noch ändern. Das Thema aber wird Großbritannien nicht mehr vom Tisch bekommen: Spätestens beim Commonwealth-Gipfel in zwei Jahren in der Karibik, sagen Diplomaten, werde es der zentrale Punkt sein.

Demonstration in Kingston vor dem Besuch der Königsfamilie, 2022

APA/AFP/Ricardo Makyn
Demonstration für Reparationen in Kingston, Jamaika, vor einem Besuch der Königsfamilie im März 2022

Verpasste Entschuldigung

Britische Regierungen und Monarchen haben es bis heute abgelehnt, sich offiziell für die Massenversklavung afrikanischer Menschen zu entschuldigen. Bei einem Besuch in Kenia vor einem Jahr verurteilte der König aber die „unentschuldbaren“ britischen Kolonialübergriffe. Beim letzten Commonwealth-Gipfel in Ruanda – noch bevor er Monarch wurde – drückte Charles seine „tiefe Trauer“ darüber aus, sein Sohn Prinz William bezeichnete den Handel mit schwarzen Leben während einer Rede in Jamaika im Jahr 2022 als „abscheulich“.

Labour-Abgeordnete, darunter David Lammy, hatten die britische Regierung wiederholt aufgefordert, sich offiziell für ihre Beteiligung am Sklavenhandel zu entschuldigen. Lammy schrieb 2018 auf der Plattform X: „Als versklavte, kolonisierte und als Bürger nach Großbritannien eingeladene Menschen aus der Karibik erinnern wir uns an unsere Geschichte. Wir wollen nicht nur eine Entschuldigung, wir wollen Wiedergutmachung und Entschädigung.“ Seit Juli ist Lammy Außenminister im Kabinett Starner – zumindest offiziell kann er sein damaliges Begehr nun nicht mehr wiederholen.

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