Wer wird Minister? Über Macht und Persönlichkeiten bei Verhandlungen
Noch steht keine Regierung, nicht einmal die Zusammensetzung der Koalition ist klar, aber spekuliert wird gerne und heftig. Gleich zwei Wrabetz sind für Ministerämter im Gespräch. Der eine ist Alexander Wrabetz, das ist der ehemalige ORF-Generaldirektor, er soll darauf hoffen, von der SPÖ als Kultur- und Medienminister nominiert zu werden. Derzeit verdingt sich Wrabetz als Rapid-Präsident, er soll jedenfalls dem SPÖ-Sondierungsteam angehören und das Medienkapitel verhandeln.
Der andere Wrabetz ist sein Bruder Bernhard, derzeit für das Außenamt als österreichischer Botschafter in London tätig. Dieser Wrabetz hätte Interesse, das Außenministerium zu übernehmen, falls es bei den Koalitionsverhandlungen der SPÖ zufiele. Der derzeitige Außenminister Alexander Schallenberg, so wird kolportiert, wäre in einer neuen Regierung auch mit den Kunst- und Kulturagenden zufrieden.
Entschieden ist freilich noch gar nichts, und kolportierte Ministerlisten wird es im Laufe der Koalitionsverhandlungen wohl noch einige geben. Dabei geht es bei Personalfragen in der Politik oft weniger um Personen als um Machtfragen. In ÖVP wie auch SPÖ wollen alle parteiintern starken Bundesländer “einen eigenen Kandidaten” in die Regierung entsenden, das Gleiche gilt für die mächtigen Vorfeldorganisationen der Parteien.
In der ÖVP sind das der Wirtschaftsbund, der Arbeitnehmerbund (ÖAAB), der Bauernbund und inzwischen auch die türkise Jugendorganisation JVP. In der SPÖ stellt in der Regel ein Gewerkschafter den Sozialminister, darüber hinaus werden wohl die unterschiedlichen parteiinternen Flügel mit einer entsprechender Personalwahl bedacht werden. Auch die rote Frauenorganisation wird mitreden.
Geht es um Bundesländer, wird in der SPÖ vor allem die mächtige Wiener Landesorganisation bei Personalentscheidungen diverse Ansprüche stellen. Auch die roten Niederösterreicher werden einen Kandidaten entsenden wollen – das wäre dann wohl der rote Landesparteichef Sven Hergovich.
In der ÖVP gilt Niederösterreich als die große Machtbastion, aber auch die westlichen Bundesländer werden sich zumindest einen gemeinsamen Kandidaten oder eine Kandidatin erwarten, ebenso Oberösterreich und die Steiermark.
Personell betrachtet, haben in der ÖVP neben Karl Nehammer selbst, der Kanzler bleiben möchte, fast alle aktuellen Regierungsmitglieder Chancen auf eine Wiederbestellung: Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Innenminister Gerhard Karner haben als Niederösterreicher gute Karten. Tanner hat am Freitag auch selbst erklärt, dass sie ihren Job gerne behalten würde. Als türkise Fixstarterin gilt auch Claudia Plakolm, Chefin der türkisen Jugendorganisation und bisher Staatssekretärin.
Karoline Edtstadler pflegt zwar nicht das beste Verhältnis zu Nehammer und hat eigentlich keine klare Machtbasis in der Partei, an ihr kommt Nehammer allerdings kaum vorbei. Sie ist eine der öffentlichkeitswirksamsten ÖVP-Politikerinnen, noch dazu ist sie in der Parteibasis beliebt. Dass Nehammer sie ins Verhandlungsteam aufgenommen hat, gilt innerparteilich als Hinweis, dass er der studierten Juristin auch in der kommenden Regierung einen Platz einräumen dürfte.
Kanzleramtsministerin Susanne Raab gilt als unscheinbar, auch sie weiß keine große türkise Machtbasis hinter sich. Sie kommt aus Oberösterreich, von dort ist allerdings auch Plakolm, die jedenfalls Teil der nächsten Regierung sein soll – Oberösterreich hat damit bereits eine Kandidatin. Raab ist in der aktuellen Regierung allerdings eine der engsten Vertrauten Nehammers. Sie gelten als befreundet. Und in der Politik zählt auch Loyalität – so hat auch Raab nicht die schlechtesten Karten.
Nehammer hat zwar angedeutet, er wolle in seinem Team keine größere Änderungen vornehmen – damit wäre Raab erneut für die Agenden Integration, Medien und Frauen gesetzt. Diese Agenden, oder ein Teil davon, könnten aber zu einem allfälligen Koalitionspartner wandern, zu der SPÖ oder den Neos. Gerüchteweise ist Raab auch als Innenministerin im Gespräch, sie selbst soll Interesse für das Außenministerium kundgetan haben.
Ausschließen möchte in der ÖVP auch niemand, dass selbst der wenig öffentlichkeitswirksame Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig noch einmal berufen werden könnte. Er hat den Bauernbund hinter sich, aus dem allerdings auch Tanner kommt.
Nehammer selbst sowie auch sein politischer Vertrauter, der Parlamentarier August Wöginger, kommen aus dem ÖAAB, der somit abgedeckt ist. Manche munkeln, es könne ein Comeback des früheren Staatssekretärs Florian Tursky geben, der bei der Innsbruck-Wahl gescheitert war und zuletzt die Partei von außen beraten hat.
In der SPÖ gilt Parteichef Andreas Babler als gesetzt, er könnte Vizekanzler werden und gemäß der Vorgängerkoalition von Werner Kogler die Agenden öffentlicher Dienst und Sport übernehmen, eher weniger Kunst und Kultur. Bablers Rolle wäre es als Parteichef vor allem auch, darauf zu schauen, dass die Koalition funktioniert und die SPÖ die anstehenden Reformen mitträgt.
Als Fixstarterin gilt in der SPÖ Eva-Maria Holzleitner, sie ist Frauenvorsitzende ihrer Partei, also wären die Frauenagenden mit einer gewissen Logik bei ihr angesiedelt. Der durchsetzungskräftigen Oberösterreicherin werden aber auch andere Agenden zugetraut. Holzleitner steht zudem treu an Bablers Seite, der kann parteiintern jede Unterstützung brauchen. Für die Gesundheit ist unter anderem Philip Kucher, der Babler derzeit als Klubchef zur Seite steht, im Gespräch. Die Abgeordnete Julia Herr – eine enge Mitstreiterin Bablers – könnte ebenfalls zum Zug kommen. Im Parlament war sie für Umweltthemen zuständig.
Auch in der SPÖ geht es nicht nur um Kernkompetenzen, sondern um die Befriedigung von Interessen einzelner Teilorganisationen und der Länder. An erster Stelle steht hier die mächtige Gewerkschaft. Für Arbeit und Soziales werden FSG-Chef Josef Muchitsch und GPA-Chefin Barbara Teiber genannt.
Sollte die SPÖ das Finanzministerium zugesprochen bekommen, wäre dafür der Wiener Stadtrat Peter Hanke ein Kandidat. Der hätte auch aus der Sicht der ÖVP den Vorteil, mit Karl Nehammer gut zu können.
Spannend könnte werden, wer das Justizministerium übernimmt. Die ÖVP möchte das selbst besetzen, dagegen gibt es allerdings massive Vorbehalte aller anderen Parteien, ob sie jetzt Teil der Koalition sind oder nicht. Möglich wäre es, dass man sich hier auf einen quasi unabhängigen Kandidaten einigt. In Stellung gebracht hat sich Wolfgang Peschorn, der als Chef der Finanzprokuratur die Interessen der Republik wahrnimmt.
Sollten die Neos der Dritte Koalitionspartner werden, wird wohl Parteichefin Beate Meinl-Reisinger Ministerin, logisch wäre für sie das Bildungsressort, auch das Außenministerium wurde ihr schon als Option zugeschrieben. Im Wahlkampf haben die Neos immer wieder aufs Finanzministerium gepocht. Die Tourismus-Agenden könnte in der Regierung als Minister oder auch nur als Staatssekretär der Gastronom und Abgeordnete Sepp Schellhorn wahrnehmen.
Oder es kommt alles ganz anders, das ist nicht auszuschließen. Noch haben die Verhandlungen inhaltlich gar nicht begonnen – und angeblich, so beteuern es die Verhandler in schöner österreichischer Folklore immer wieder, werden Ressorts und Personal erst ganz am Schluss besprochen. Was – auch das hat Tradition – niemand glaubt. (Katharina Mittelstaedt, Michael Völker, 25.10.2024)
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