Ein Ort sucht einen Jäger: Polizei-Schauen und Spekulieren in Altenfelden

Zwei Tote nach Jagdstreit

Nachdem im oberösterreichischen Bezirk Rohrbach zwei Menschen erschossen worden sind, ist der Täter weiterhin auf der Flucht. Kaum ein Bewohner in Altenfelden traute sich am Dienstag auf die Straße

Nachdem Roland Drexler am Montag zwei Jagdkollegen erschossen haben soll, flüchtete er in Richtung Rohrbacher Bundesstraße. Seither fehlt jede Spur von ihm. Im Bild: Einsatzkräfte am Tatort
TEAM FOTOKERSCHI.AT/FRANZ PLECHI

Altenfelden ist ein Geisterort. Nur wenige Kilometer Luftlinie von dem 2000-Einwohner-Ort im oberösterreichischen Mühlviertel wurden am Montag zwei 64-jährige Jäger erschossen. Die Suche nach dem mutmaßlichen Täter, Roland Drexler – auch ein Jäger –, läuft weiterhin auf Hochtouren. Der Mann sei “sehr, sehr gefährlich”, warnt die Polizei, er dürfte zwei Langwaffen und eine Faustfeuerwaffe bei sich tragen. Dementsprechend groß ist am Dienstag die Angst der Bewohnerinnen und Bewohner in der Marktgemeinde.


Die Leute meiden es, ihre Häuser zu verlassen. Trotzdem sind die Straßen voll. Allerdings nicht mit Passanten, sondern mit Einsatzkräften von Polizei und Cobra, mit Polizeiautos und Panzerwagen. Die Geschäfte, vom Baumarkt bis zum kleinen Elektrogeschäft, haben fast alle geschlossen. Auch die Rollos an vielen Häusern bleiben am Dienstag unten. Es ist sehr ruhig im Ort, fast schon unheimlich still. Nur den Polizeihubschrauber hört und sieht man immer wieder kreisen. Erst seit dem frühen Dienstagnachmittag dürfen wieder Autos nach Altenfelden fahren, zuvor war es abgesperrt.

Eine Frau aber hat sich vor ihr Haus getraut. Sie steht in Hausschlapfen und mit einer Tasse Tee in der Einfahrt eines gelben Mehrparteienhauses direkt an der Hauptstraße, die durch das Ortszentrum führt. “Gestern Abend gegen 18 Uhr sind auf einmal die ganzen Einsatzfahrzeuge vorgefahren”, erzählt die junge Mutter. Sie sei mit ihren Kindern auf den Balkon gegangen, um einen Blick in die Veldenstraße zu werfen: Dort platzierten sich die vielen Polizeiautos, Panzerwagen und Einsatzkräfte. “Meine dreijährige Tochter liebt die Polizei. Sie hat sich nicht gefürchtet, ich schon”, erzählt die Frau.


Sie wohnt seit vier Jahren mit ihrem Mann, den beiden kleinen Kindern und ihrer Schwiegerfamilie in Altenfelden. Den ganzen Montag und Dienstag über haben sie und ihre Familie zu Hause verbracht: “Meine Schwiegermutter und ich haben uns nicht aus dem Haus getraut. Die Lage ist einfach so unsicher.” Der Schwager und die Schwägerin mussten in die Arbeit. Glücklicherweise seien gerade Herbstferien, da müsse ihre Tochter nicht in den Kindergarten.


Spekulationen im Wirtshaus

Im Ort wird nun viel geredet und spekuliert. Der mutmaßliche Täter, Roland Drexler, sei oft in den Wirtshäusern in Altenfelden und den umliegenden Ortschaften anzutreffen gewesen, hört man. Auch die beiden Opfer sind den meisten Leuten im Ort bekannt. Eines der Opfer ist Franz Hofer, der Bürgermeister und Jagdleiter der Nachbargemeinde Kirchberg ob der Donau. Auch der zweite Mann, der erschossen wurde, war laut Polizei ein ehemaliger Jagdleiter.

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APA

Die Pizzeria neben der Kirche ist am Dienstag das einzige Lokal, das offen hat. “Normalerweise sind zu Mittag alle Tische voll”, sagt die Kellnerin. Heute gibt es freie Platzwahl. Eine Frau, die mit dem Rad gekommen ist, bestellt einen Verlängerten: “Ich setz mich da zum Fenster, ich möchte ein bisserl rausschauen.” Sie beobachtet, was auf dem Platz vor der Kirche und der Pizzeria vor sich geht: Polizisten ziehen ihre Schutzwesten an, steigen mit dem Sturmgewehr in der Hand ins Polizeiauto. Das Blaulicht geht an, Panzerwagen folgen dem Auto Richtung Norden.


“Da dürfte es wieder einen Hinweis gegeben haben, wo der Drexler sein könnte”, sagt die Frau. Sekunden später hört man den Polizeihubschrauber fliegen. So geht es den ganzen Dienstag.


Erklärungsversuche in der Pizzeria

Im Laufe des Nachmittags nehmen noch ein paar weitere Gäste an der Theke der Pizzeria Platz. Die Gespräche drehen sich nur um eine Person: Roland Drexler. Wer hat ihn zuletzt gesehen? Wo könnte er sich verstecken? Und was hat ihn getrieben? Viele Fragen, über die viel gemutmaßt wird. “Den Roland fürcht ich nicht. Als kleine Buben waren wir Nachbarn. Später war er in unserem Fischereiverband. Die letzten Jahre hat er nur mehr g’jagert”, erzählt ein Mann, der den Gesuchten als geselligen Typ beschreibt, der aber auch ein “Streithansl” sei. Er selbst habe im Zuge der Fischerei immer wieder kleinere Meinungsverschiedenheiten mit ihm gehabt, seitdem sich Drexler nur noch der Jagd gewidmet habe, sei das aber nicht mehr der Fall gewesen.

“Ich bin vorige Woche noch mit ihm zusammengesessen”, erzählt ein weiterer Gast. “Der Drexler hat sogar eine Runde gezahlt. Das hätt ich nie gedacht”, sagt ein anderer. Es müsse eine Kurzschlussreaktion gewesen sein: “Der hat sicher Angst um seine Jagdkarte gehabt.” Dessen, dass eine Jagdangelegenheit Hintergrund der Tat sein muss, sind sich die Herren an der Theke sicher. Die Streitigkeiten zwischen Drexler und vielen anderen Jägern im Bezirk seien in der Gemeinde seit Jahren bekannt. “Aber wir sind alle keine Jäger, wir brauchen keine Angst haben.”


Wieder ein Fehlalarm

Dass tatsächlich Streitigkeiten aus dem Jagdbereich eine Rolle gespielt haben dürften, bestätigt auch die Polizei. Konkret soll es Differenzen um die Vergabe von Jagdrechten gegeben haben. Hofer soll Drexler beim Landesjagdverband wegen “unwaidmännischen Verhaltens” angezeigt haben. Dabei ging es um eine sogenannte Kirrung, also die Lockfütterung von Schwarzwild. 50 gefährdete Personen aus dem Umfeld der Opfer sowie des Täters sind Stand Dienstag unter Polizeischutz: darunter etwa Personen, die sich teilweise selbst bei der Polizei gemeldet haben, weil sie sich wegen Streitigkeiten mit dem Verdächtigen in Gefahr sehen.


Etwa eine Stunde nachdem die Einsatzkräfte den Ort verlassen haben, sind sie wieder zurück. Es dürfte ein weiterer Fehlalarm gewesen sein. Laufend gehen Hinweise aus der Bevölkerung ein, für die man dankbar sei und denen man allen nachgehe, versichert die Polizei. Bisher seien sie aber noch nicht zielführend gewesen. (Eva Plank, 29.10.2024)

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