WHO „zutiefst alarmiert“

„Wir fordern eine sofortige Aufstockung und sicheren Zugang für humanitäre Hilfe – vor allem Lebensmittel und Medikamente für schwere Unterernährung – innerhalb von Tagen, nicht Wochen“, schrieb der WHO-Chef weiter.

Das Famine Review Committee, eine Expertengruppe zur Bewertung der Ernährungssicherheit, warnte am Wochenende vor einer „unmittelbaren und erheblichen Wahrscheinlichkeit einer Hungersnot aufgrund der sich rapide verschlechternden Situation im Gazastreifen“. Und: „Alle Akteure, die direkt in den Konflikt verwickelt sind oder Einfluss auf dessen Verlauf haben, müssen sofort handeln, und zwar binnen Tagen und nicht erst in einigen Wochen, um diese katastrophale Situation abzuwenden.“ Dem Bericht zufolge gelangen derzeit so wenige Hilfslieferungen in den Gazastreifen wie noch nie seit Oktober 2023.

Bereits am 17. Oktober hatten die unabhängigen Fachleute der IPC-Initiative (Integrated Food Security Phase Classification) prognostiziert, dass zwischen November und April 2025 bis zu 16 Prozent der Bevölkerung im Gazastreifen mit einer „katastrophalen“ Ernährungsunsicherheit konfrontiert sein würden. Seitdem hat sich die Lage vor allem im Norden des Palästinensergebiets weiter verschlechtert.

USA setzten Israel Frist

Die Warnungen kommen kurz vor Ablauf einer von den USA am 13. Oktober gesetzten Frist von 30 Tagen, binnen derer Israel die humanitäre Lage im Gazastreifen verbessern müsse. Sonst könnte nach Darstellung der US-Regierung die Militärhilfe für ihren wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten eingeschränkt werden.

Zwar hatte das US-Außenministerium am Montag zugestanden, dass Israel wichtige Schritte für mehr humanitäre Hilfe unternommen habe. Jedoch sei mehr nötig, um die Not der Menschen in dem dicht besiedelten – und nach mehr als einem Jahr Krieg weitgehend zerstörten – Küstengebiet zu lindern.

Wegen der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen steht die israelische Regierung schwer in der Kritik. Die meisten Krankenhäuser sind zerstört, zudem fehlt es an Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Dingen des täglichen Bedarfs.

Essensausgabe im Gazastreifen

IMAGO/APAimages/Omar Ashtawy
Internationale Fachleute schlagen angesichts des Hungers im Norden des Gazastreifen Alarm

UNRWA warnt vor „Zusammenbruch humanitärer Hilfe“

Zugleich sorgen kürzlich beschlossene israelische Gesetze, die auf das UNO-Palästinenserhilfswerk UNRWA abzielen, international für Kritik. UNRWA-Sprecher Jonathan Fowler warnte vor dem „Zusammenbruch der internationalen humanitären Tätigkeit im Gazastreifen“. Israel hatte die UNO Anfang November offiziell über das Ende seiner seit 1967 bestehenden Zusammenarbeit mit dem Palästinenserhilfswerk in Kenntnis gesetzt. Die entsprechenden Gesetze sollen in rund drei Monaten in Kraft treten.

Der israelische Außenminister Israel Katz versprach, Israel werde „weiterhin den Zugang von humanitärer Hilfe in den Gazastreifen in einer Weise erleichtern, welche die Sicherheit der israelischen Bürger nicht beeinträchtigt“.

UNRWA ist seit über sieben Jahrzehnten für die Versorgung palästinensischer Flüchtlinge in Palästinensergebieten, aber auch in Staaten wie dem Libanon und Jordanien zuständig. Israel steht dem für die Versorgung der Menschen im Gazastreifen wichtigen Hilfswerk seit Langem kritisch gegenüber. Seit dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem dadurch ausgelösten Krieg im Gazastreifen sind die Beziehungen zwischen Israel und dem Hilfswerk auf einem Tiefpunkt. Israel wirft mehreren UNRWA-Mitarbeitern eine Beteiligung an dem brutalen Überfall auf den Süden des Landes vor.

Palästinenser: Tote nach israelischen Angriffen

Am Samstag wurden erneut israelische Angriffe auf den Gazastreifen gemeldet. Nach Angaben des örtlichen Zivilschutzes sind mindestens 14 Palästinenser getötet worden. Bei einem Luftangriff auf „Zelte von Vertriebenen“ im südlichen Gebiet von Chan Junis seien mindestens neun Menschen, darunter Kinder und Frauen, getötet worden, erklärte der Sprecher der von der Hamas kontrollierten Zivilschutzbehörde, Mahmud Bassal. Weitere fünf Menschen starben demnach, als „israelische Kampfflugzeuge die Fahad Al-Sabah-Schule“ in der Stadt Gaza trafen. Bei den Vorfällen sollen auch zahlreiche Menschen verletzt worden sein.

In der Vergangenheit hatte es bereits israelische Angriffe auf Schulen gegeben, in denen Vertriebene Zuflucht gefunden hatten. Israel wirft der radikalislamischen Hamas vor, sich in Schulen zu verstecken. Die Hamas bestreitet das.

Israel meldet Tötung von Terroristen im Norden

Indes teilte die israelische Armee mit, „Dutzende von Terroristen“ im Gebiet von Dschabalija im Norden des Gazastreifens getötet zu haben. Dort kommt es seit mehr als einem Monat wieder zu verstärkten Luftangriffen und Bodeneinsätzen. Israels Armee will nach eigenen Angaben verhindern, dass sich die Kämpfer der Hamas dort neu gruppieren. Auch im Gebiet von Rafah im Süden des Gazastreifens wurden Armeeangaben zufolge Hamas-Kämpfer getötet.

Berichte: Katar weist Hamas-Vertreter auf US-Wunsch aus

Am Wochenende wurde außerdem publik, dass Katar einen Vertreter der radikalislamischen Hamas aufgefordert haben soll, das Golfemirat zu verlassen. Der Aufruf erging demnach bereits vor rund zehn Tagen auf dringendes Ersuchen der USA, wie unter anderem die „Times of Israel“ und die „Financial Times“ unter Berufung auf informierte Personen berichteten. Die Hamas unterhält demnach seit 2012 ein politisches Büro in der katarischen Hauptstadt Doha, da die USA darum gebeten hatten, einen Kommunikationskanal zu der Terrororganisation aufrechtzuerhalten.

Zu der jüngsten US-Entscheidung beigetragen habe die Hinrichtung des amerikanisch-israelischen Staatsbürgers Hersh Goldberg-Polin und fünf weiterer Geiseln durch die Hamas Ende August, erklärte ein US-Beamter der „Times of Israel“. Wann genau die Hamas-Vertreter das Land verlassen und wo sie hingehen sollen, ist demnach unklar. Als mögliche Rückzugsorte gelten unter anderem die Türkei und der Irak.

Katar vermittelt wie die USA und Ägypten in den Gesprächen über eine Beendigung des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der Hamas, die aus Prinzip nicht direkt miteinander verhandeln. Die Bemühungen kommen seit Monaten nicht entscheidend voran.

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