Philip Wohlgemuth soll nach Dornauer-Rücktritt Tirols SPÖ-Chef werden
Politik
Nach dem Jagdausflug mit Signa-Gründer Benko wurde der Druck innerhalb der SPÖ zu groß. Dornauer selbst kann jedoch bis heute keinen Rücktrittsgrund erkennen
Er wisse, was zu tun sei: Das war die Botschaft, die namhafte Genossen von SPÖ-Chef Andreas Babler abwärts Georg Dornauer ausgerichtet haben, nachdem dessen Jagdausflug mit René Benko bekannt geworden war. Nun ist Tirols SPÖ-Chef und stellvertretender Landeshauptmann der verklausulierten Aufforderung nachgekommen: Am Mittwoch um 11.10 Uhr hat er seinen Rücktritt verkündet. Gänzlich scheidet der 41-Jährige allerdings nicht aus der Politik aus, er will sich auf sein Mandat als Landtagsabgeordneter zurückziehen.
Aus eigener Einsicht, das machte Dornauer bei seinem Auftritt in Innsbruck klar, geschah dies allerdings nicht. “Bei aller schiefen Optik und nachvollziehbarem Unverständnis” über das verhängnisvolle Foto, das ihn gemeinsam mit dem Signa-Pleitier Benko hinter einem toten Hirsch zeigt, habe er weder einen Gesetzesbruch begangen noch einen Schaden verursacht oder eine für Politiker verbotene Einladung angenommen. “Ich sehe bis heute keinen Rücktrittsgrund”, sagte Dornauer, doch manche – nicht alle – in der Partei beurteilten das anders. Als Demokrat füge er sich der Mehrheit, indem er zwar nicht zurück-, sehr wohl aber “zur Seite” trete.
Anschwellende Kritik
Zuvor war der Druck aus den Parteireihen auf Dornauer kontinuierlich angestiegen. Nach der harschen Kritik der Innsbrucker Stadtpartei (“Das Maß ist voll”), die ihn mittels Bezirksausschuss einstimmig zum Rücktritt aufforderte, äußerten sich auch Parteigranden der Sozialdemokraten aus den Ländern mit dem gleichen Tenor wie Babler. Er habe “kein Verständnis” für Dornauers Verhalten, es sei “eine gewisse Linie überschritten” worden, kommentierte etwa der wahlkämpfende steirische SP-Chef Anton Lang. Schließlich gab Dornauer den Kampf um seinen Verbleib auf.
Seine Ämter übergeben will Dornauer am 18. Dezember. Als Nachfolger in Partei und Landesregierung nannte er Tirols ÖGB-Chef Philip Wohlgemuth, der bislang im Landtag sitzt. An dieser Personalie sollte die Fortführung der gemeinsamen Koalition mit der ÖVP nicht scheitern. Landeshauptmann Anton Mattle hatte Dornauers Verhalten als “unangemessene Eskapaden und Blödheiten” eingeordnet und eine klare Positionierung der SPÖ gefordert. Es gibt keine Anzeichen, dass die ÖVP den Pakt wegen des roten Führungswechsels aufkündigt.
Nach dem Landesparteivorstand der Tiroler ÖVP ließ Mattle wissen, die Partei und er seien bereit, “die Regierungsarbeit gemeinsam mit Philip Wohlgemuth und dem Team der SPÖ Tirol fortzusetzen”.
Der designierte Neue unterscheidet sich zumindest seinem Ruf nach fundamental vom Vorgänger. Im Vergleich zum leutseligen, das Volksfest ebenso wie die Schlagzeile suchenden Dornauer gilt der 37-jährige Wohlgemuth geradezu als unscheinbar. Außerdem wird der Gewerkschafter nicht zur Anhängerschaft von Hans Peter Doskozil gerechnet. Verankert ist Wohlgemuth in der Innsbrucker Stadtpartei, wo Bundesparteichef Babler großen Rückhalt genießt.
Für Bundesparteichef Babler mündet die Affäre somit trotz aller negativen Schlagzeilen über die SPÖ in einer guten Nachricht. Denn von Dornauer hat ihn vor allem getrennt, dass dieser mehr oder minder auf einer Linie mit dem Rivalen Doskozil war – und dies der SPÖ-Spitze mitunter auch öffentlich ausgerichtet hat. “Dass wir in manchen politischen Feldern nicht immer einer Meinung waren, ist bekannt”, kommentierte Babler Dornauers Abgang via X, dennoch danke er ihm für die Arbeit. Nachfolger Wohlgemuth werde Tirol “guttun”.
Tückisches Foto
Seinen Ausgang genommen hat das Unheil mit jenem Foto, das die Kronen Zeitung am Montag auf ihrer Titelseite veröffentlicht hatte. Sozialdemokraten ärgert daran allein schon der Umstand, dass einer ihrer Landesparteichefs mit Benko jagen geht. Schließlich gilt der gestrauchelte Ex-Immobilientycoon in der Partei als Prototyp des Superreichen, der mit fragwürdigen Geschäftsmodellen und ÖVP-Unterstützung nach oben gekommen sei. Im jüngsten Untersuchungsausschuss hat sich die SPÖ den Umtrieben Benkos gewidmet – und dann das.
Dazu kommt der Eindruck, dass Dornauer den Hirsch selbst geschossen hat. Warum sollte er sonst mit der Hand am Geweih und dem “Beutebruch” am Hut – ein Zeichen des erfolgreichen Schützen – posieren? Doch genau das ist ihm von Gesetzes wegen untersagt. Im Jahr 2019 hat die Bezirkshauptmannschaft über Dornauer ein Waffenverbot verhängt, nachdem sein Jagdgewehr mit angestecktem Magazin im Auto bei geöffnetem Fenster aufgefunden worden war. Damit verbunden waren der Verlust der Tiroler Jagdkarte und der Einzug seiner Waffe.
Allerdings beteuert Dornauer, auf der Pirsch im Revier Stüblergut am steirischen Gaberl, das zu einer von Benko gegründeten Privatstiftung gehört, nicht selbst geschossen zu haben. Das bestätigt ein weiterer Jagdpartner, ein befreundeter Hotelier. Und der Hut mit dem Beutebruch? Der sei nicht der seine.
In den Reihen der SPÖ sorgte all das für derart großen Unmut, dass sich auch gegen Dornauers Ausgedinge Widerstand formiert. Der Wechsel in den Landtag sei “Realitätsverweigerung” und ein “No-Go”, zitiert die Tiroler Tageszeitung Landtagsvizepräsidentin Elisabeth Blanik von der SPÖ: “Das muss ein Rücktritt sein und kein Schritt zur Seite.”
Rechtlich sitzt Dornauer allerdings auf dem längeren Ast: Laut Landtagsordnung hat er Anrecht auf das ihm zustehende Mandat. (Gerald John, APA, 13.11.2024)
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