ÖVP, SPÖ und Neos wollen am Montag Weichen für Dreierkoalition stellen
Nächste Bundesregierung
Die Parteien haben eine weitere Sondierungsrunde für Montag angesetzt. Das klaffende Budgetloch dürfte zum schwersten Brocken für Koalitionsverhandlungen werden
Viel fehlt nicht mehr für einen Start der offiziellen Verhandlungen. Am Dienstagabend hatten Kanzler und ÖVP-Obmann Karl Nehammer sowie SPÖ-Chef Andreas Babler bekanntgegeben, was sich schon kurz nach dem Wahlabend Ende September abgezeichnet hatte: Türkis und Rot streben eine Dreierkoalition mit den Neos an. Am Mittwoch hatte es dann die erste Sondierungsrunde zu dritt gegeben, am Donnerstagnachmittag gab es die zweite.
Eine Entscheidung, die Sondierungsgespräche beim nächsten gemeinsamen Termin bereits in Koalitionsverhandlungen übergehen zu lassen, fiel am Donnerstag allerdings noch nicht. Man müsse bei allen inhaltlichen Unterschieden der Parteien das Gemeinsame finden und in den Vordergrund stellen, sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger nach dem Treffen im Wiener Palais Epstein. “Da sind wir weitergekommen. Aber wir brauchen noch Gespräche über das Wochenende und am Montag neue Sondierungen.”
Man habe “gesehen, dass es zu dritt eine Basis geben könnte”, sagte Babler. Nun müssten alle bereit sein, über den eigenen Schatten zu springen, um im Interesse der Republik arbeiten zu können. Der ÖVP-Chef erschien nach den Sondierungen mit etwas zeitlichem Abstand als letzter vor den wartenden Journalistinnen und Journalisten. Und die Ausbeute für die Wartezeit entpuppte sich als mäßig: “Es haben konstruktive Gespräche stattgefunden, die Gespräche werden fortgesetzt”, sagte Nehammer nur knapp, bevor er sich verabschiedete.
Vom Sondieren zum Verhandeln
Der Kanzler hatte zuvor betont, für den Prozess der Regierungsbildung Interesse an einem “hohen Tempo” zu haben. Etwaige taktische Erwägungen, mit offiziellen Koalitionsverhandlungen erst nach der steirischen Landtagswahl am 24. November zu starten, um deren Ausgang nicht zu beeinflussen, dürften eher keine Rolle spielen.
Im Gegensatz zu den Sondierungsrunden, die die grundsätzliche Machbarkeit einer gemeinsamen Koalition und die Kompromissbereitschaft der Parteien in den wichtigsten Materien ausloten sollen, wird es bei Koalitionsgesprächen in die konkreten Verhandlungen gehen – von politischen Kernprojekten bis zur Ressortaufteilung und Personalfragen.
Knackpunkt Finanzen
Ein Knackpunkt wird dabei das Budget werden. Denn wie der Fiskalrat kürzlich prognostizierte, droht Österreich heuer ein Defizit von 3,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Für nächstes Jahr würde das einem Konsolidierungsbedarf von mindestens 4,4 Milliarden Euro entsprechen.
Die Verhandlungen darüber, wie sich das klaffende Loch im Staatshaushalt stopfen lässt, dürften dabei ein harter Brocken werden. Denn gerade bei der Steuer- und Budgetpolitik verfolgen ÖVP, SPÖ und Neos traditionell sehr unterschiedliche Konzepte. Sowohl Türkis als auch Pink haben sich im Wahlkampf eigentlich darauf festgelegt, dass es keine neuen oder höheren Steuern beziehungsweise keine insgesamt höhere Steuerquote geben solle. Eine rein ausgabenseitige Budgetkonsolidierung – also ausschließlich über Einsparungen und ohne zusätzliche Einnahmen – dürfte angesichts der fehlenden Milliardenbeträge und gleichzeitig explodierenden Kosten etwa im Gesundheits- und Bildungswesen aber nicht ganz einfach werden.
Gemeinsame Erzählung
Auch die Kommunikation über die nötigen Maßnahmen wird die drei Parteien vor Interessenkonflikte stellen. Denn das Budgetloch hat sich unter der türkis-grünen Bundesregierung der vergangenen fünf Jahre zu seiner aktuellen Größe ausgewachsen. Das heißt: Als Regierungspartei politisch verantwortlich war unter den nunmehrigen Sondierern nur die ÖVP, während SPÖ und Neos in Opposition weilten. Rot und Pink dürften also taktisches Interesse daran haben, die Entstehung des Budgetlochs über die vergangene Legislaturperiode zu betonen – die Kanzlerpartei naturgemäß weniger.
In welche Richtung die gemeinsame Erzählung für eine mögliche Regierungsbildung gehen könnte, haben der Kanzler und sein möglicher baldiger Vize in den vergangenen Tagen aber bereits ein wenig vorweggenommen: Nehammer gab ein “breites und stabiles Bündnis, ein Bündnis der Mitte” als Ziel aus. Es solle die Mehrheit der Menschen im Land repräsentieren und “gegen Radikalität und Spaltung der Gesellschaft” stehen. Zudem solle es “kein Weiter wie bisher”, sondern neue Zugänge geben. Den Neuigkeitswert einer türkis-rot-pinken Dreierkoalition betonte auch Babler: Man habe sich entschieden, den “Weg der konstruktiven Kräfte” gehen zu wollen. (Martin Tschiderer, 14.11.2024)
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