Anlass für hartes Vorgehen gegen Kritiker
Seit der Ankündigung vor einem Jahr, dass Aserbaidschan die COP29 ausrichten wird, sei es schwerer geworden, sich der Regierung zu widersetzen, heißt es von Amnesty International zur BBC. „Wir haben einen dramatischen Anstieg der Verhaftungen und ein hartes Durchgreifen bei allen Themen erlebt, die die Regierung als kritisch oder konträr zu ihrer politischen Agenda ansieht“, so eine Mitarbeiterin.
Umweltschützer fordern von Baku eine Verringerung der Abhängigkeit von Öl und Gas, doch finanziert das etwa 60 Prozent des Budgets. Zuletzt war im Sommer von der Menschenrechts-NGO „Vereinigung für die Freiheit politischer Gefangener in Aserbaidschan“ (FPPA) gemeldet worden, dass die Zahl der politischen Gefangenen – darunter Journalisten, Umweltaktivisten und politische Gegner – erstmals seit den frühen 2000ern auf über 300 Personen gestiegen sei.
Renommierter Wissenschaftler unter Hausarrest
Jemand, der das harte Vorgehen am eigenen Leib zu spüren bekommt, ist Gubad Ibadoghlu, renommierter Wirtschaftswissenschaftler an der Londoner School of Economics. Er trat als Kritiker der Öl- und Gasindustrie auf und wurde im Sommer 2023 unter dem Vorwurf des Betrugs verhaftet – ein gutes Jahr später steht er nach wie vor unter Hausarrest. Human Rights Watch bezeichnete die Anschuldigungen gegen ihn als „zweifelhaft“.
Unlängst bat die Tochter Ibadoghlus den britischen Premierminister Keir Starmer um Hilfe bei der Freilassung ihres Vaters. „Ich denke, es ist eine der Regeln der autoritären Regierung, die Menschen, die Macht besitzen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, zu verhaften und festzuhalten“, sagte Ibadoghlu dieser Tage im Interview mit der BBC und ergänzte, dass sein Leben aus gesundheitlichen Gründen in Gefahr sei.
Unter Vorwurf des Schmuggels verhaftet
Ein weiterer Fall, auf den Menschenrechtler aufmerksam machen, ist Anar Mammadli. Der Menschenrechtler und Klimaaktivist wurde im April unter dem Vorwurf des Schmuggels verhaftet, nur zwei Monate nachdem er eine Organisation mitgegründet hatte, die die aserbaidschanische Regierung aufforderte, sich stärker an das Pariser Abkommen – ein bedeutendes internationales Abkommen zur Reduzierung der Emissionen fossiler Brennstoffe – zu halten.
Öl und Gas „Geschenk Gottes“
Anders Präsident Aliyev, der Öl und Gas auf der COP29 zuletzt als „Geschenk Gottes“ bezeichnete. „Die COP, die eine offene und integrative Plattform für den Klimaschutz sein sollte, ist alles andere als das“, wird ein enger Vertrauter Mammadlis von der BBC zitiert. „Zivilgesellschaftliche Gruppen, die eine entscheidende Rolle dabei spielen sollten, die Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen, wurden ausgegrenzt oder unterdrückt“, gibt er an.
Ebenso in Haft befindet sich Nazim Beydemirli – der 61-Jährige wurde im Oktober wegen Erpressung zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde letztes Jahr verhaftet, nachdem er gegen den Goldabbau in der Nähe seines Dorfes protestiert hatte. Während seiner 15-monatigen U-Haft seien keine Beweise vorgelegt worden. Sein Anwalt sah die Anschuldigungen als unbegründet und als Teil eines umfassenderen Musters der Unterdrückung abweichender Meinungen im Vorfeld der COP29.
„Großer Fehler“
„Ich halte es für einen großen Fehler, dass Länder wie Aserbaidschan, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten (beide sind ehemalige Veranstalter, Anm.), die systematisch Menschenrechte verletzen, als Gastländer akzeptiert werden“, sagte der aserbaidschanische Journalist und Umweltaktivist Emin Huseynow der BBC. Präsident Aliyev sehe die COP als „einmalige Gelegenheit, sein giftiges Image zu beschönigen und grün zu waschen“, so Huseynow.
Vor Beginn der Konferenz verwehrte sich der Sonderbeauftragte des Präsidenten, Elchin Amirbayov, gegen entsprechende Aussagen. „Ich akzeptiere diese Art von Anschuldigungen nicht, da sie nicht auf Fakten beruhen“, sagte er der BBC. Aserbaidschan mache keinen Unterschied bei der Teilnahme von staatlichen und nicht staatlichen Akteuren, einschließlich Mitgliedern der Zivilgesellschaft.
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