Wird Kickl der nächste Kurz? Was es mit dem Vorwurf der Falschaussage auf sich hat
Causa Kickl
Dem FPÖ-Chef droht ein Verfahren der WKStA, die seine Immunität aufgehoben sehen will. Dafür gibt es fix eine Mehrheit, bald starten also Ermittlungen
Schon wieder könnte die Kombination aus Chatnachrichten und einem Auftritt im U-Ausschuss einen österreichischen Spitzenpolitiker in ernste juristische Bedrängnis bringen – Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wurde wegen dieses Vorwurfs ja nicht rechtskräftig verurteilt.
Jetzt ist es FPÖ-Chef Herbert Kickl, den wohl längere Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erwarten. Sie hat die Aufhebung von Kickls Immunität als Abgeordneter beantragt, eine Mehrheit dafür ist schon jetzt fix. Ausgelöst hatte das Verfahren eine Sachverhaltsdarstellung von Andreas Hanger, der als Fraktionsführer der ÖVP in den vergangenen U-Ausschüssen oftmals die Verfolgung politischer Gegner durch Anzeigen kritisierte.
Doch bei Kickl wurde Hanger selbst aktiv, weil der FPÖ-Chef laut Hangers Einschätzung “mehrfach die Unwahrheit gesagt” habe. Detailliert führte das ÖVP-Anwalt Werner Suppan vergangenen Juli in einem 19-seitigen Schriftsatz aus.
Immer wieder Inserate
Die Anzeige listet eine “Vielzahl von Ungereimtheiten” bei Kickls Befragung im U-Ausschuss vom April 2024 auf. Da geht es etwa um Kickls angebliche Beteiligung an der Werbeagentur Ideenschmiede (heute Signs), die im U-Ausschuss ausgiebig behandelt wurde. Kickl bestritt mehrfach, dass bei Hausdurchsuchungen gefundene Treuhandverträge je umgesetzt wurden, auch im U-Ausschuss blieb er dabei. Die Causa ist verworren, in den 2010er-Jahren wurde wegen des Vorwurfs von Kickbacks bei Deals mit blauem Personal der Kärntner Landesregierung gegen Geschäftsführer Thomas Sila ermittelt. Er erhielt eine Diversion, Ex-Landesrat Uwe Scheuch wurde verurteilt. Kickl wurde nie als Beschuldigter geführt.
Am Wahlabend 2024 feierte er mit Sila den blauen Erfolg. Womöglich wagt sich die WKStA aufgrund des Verdachts der Falschaussage wieder in die Untiefen der Causa Ideenschmiede. Im Auslieferungsantrag, der dem STANDARD vorliegt und über den zuerst Profil berichtet hat, kommt der Fall aber nur am Rande vor.
Vielmehr fokussiert die WKStA hier auf eine andere Aussage von Kickl: nämlich jene, dass er sich als Innenminister (2017–2019) “nicht um Inserate gekümmert” habe. Dem stehen Chats aus dem Smartphone von Ex-FPÖ-Chef und Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache gegenüber, die der WKStA vorliegen. Das damalige blaue Regierungsteam hatte mit anderen FPÖ-Spitzenfunktionären eine Chatgruppe, in der über den Umgang mit Medien gesprochen wurde. Auch Kickl war in dieser Chatgruppe.
“Wir haben es geklärt!”
Dort sprach Strache im April 2019 einen “Inseratenstopp” bei Österreich aus, weil dort in Diskussionsveranstaltungen sein Erzfeind Ewald Stadler regelmäßig zu Gast war. Stattdessen wollte Strache Andreas Mölzer sehen. Nach einer Versöhnung mit Österreich-Chef Wolfgang Fellner hob Strache den “Inseratenstopp” auf und schrieb: “Bitte weiter bei Fellner schalten! Wir haben es geklärt!” Laut Hangers Sachverhaltsdarstellung kann man anhand der Inseratenvergabe durch das Innenministerium ablesen, dass Kickl den Inseratenstopp befolgt habe.
Zudem soll Strache Inserate für das rechtsextreme, inzwischen aufgelöste Alles Roger? versprochen haben – und zwar dem heutigen ORF-Stiftungsrat Peter Westenthaler, der meinte, man würde “die FPÖ immer unterstützen”. All das widerspreche Kickls Aussagen im U-Ausschuss, meint Hanger – und offenbar hegt diesen Verdacht auch die WKStA.
Eine Frage der Immunität
Die FPÖ hat aber angekündigt, gegen Kickls Auslieferung zu stimmen. Er tätigte die Aussagen im U-Ausschuss, als er Abgeordneter und somit geschützt gewesen sei. Die WKStA sieht hingegen keine Immunität, da Kickl über seine Zeit als Innenminister sprach. Zumindest SPÖ und ÖVP folgen dieser Ansicht. Auch die Grünen wollen zustimmen, gaben sie am Freitagnachmittag bekannt: “Der Verdacht, dass Herbert Kickl im Zusammenhang mit der Affäre um die Klagenfurter Werbeagentur Ideenschmiede, Inseratengeschäfte der FPÖ und seine Rolle als damaliger Innenminister möglicherweise falsch ausgesagt hat, lässt sich nicht einfach beiseiteschieben”.
Rund um die vermuteten blauen Inseratendeals läuft übrigens ein eigenes Verfahren, auch hier ist Kickl Beschuldigter. Die WKStA sah hier anfangs nicht genug Substrat, die Oberstaatsanwaltschaft Wien bestand auf Ermittlungen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 15.11.2024)
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