Nehammer über nächstes Regierungsprogramm: “Ausgabenbremse als oberste Prämisse”
ZiB 2
Man müsse das Wirtschaftswachstum wieder ankurbeln, dafür seien auch Investitionen in den Standort nötig, sagte der Bundeskanzler. Es soll so “so schnell wie möglich” und “so ausführlich wie notwendig” verhandelt werden
Nachdem Montagmittag ÖVP, SPÖ und Neos den Start offizieller Koalitionsverhandlungen bekannt gaben, war Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer am Abend in der “ZiB2” zu Gast. Die Welt sei im Umbruch, sagte Nehammer und wies auf den US-Wahlsieg von Donald Trump und die geplatzte Ampelkoalition in Deutschland hin. “Deshalb ist es wichtig, eine Regierung der Stabilität und der Vernunft aus der Mitte zu bilden.”
“Kein Weiter wie bisher”
Dass Türkis-Rot-Pink sich in der Vergangenheit gegenseitig mitunter scharf kritisiert hatten, sieht Nehammer nicht als Hindernis: “Der Wahlkampf ist eine Zeit des politischen Wettbewerbs. Diese Phase ist abgeschlossen.” Als bisherige Oppositionsparteien hätten Neos und SPÖ zudem eine “andere Tonalität” gehabt. Nehammer spricht von einem Umstellungsprozess. “Wichtig ist, in den Inhalten zusammenzukommen und Lösungen zu finden”. Es dürfe “kein Weiter wie bisher” geben, wiederholte Nehammer das Credo der letzten Wochen.
Ein erfolgreicher Unternehmer im Tirol habe ihm gesagt, entscheidend sei, sich täglich neu zu hinterfragen. Das gelte auch für die Politik, sagte Nehammer. “Wenn man politische Verantwortung trägt, hat man immer die Aufgabe, die Frage zu stellen, wo kann man besser werden? Was kann man aus der Vergangenheit lernen? Welche Fehler sollte man nicht wiederholen?” Diese Erfahrung bringe man dann in den Regierungsverhandlungen ein.
“Die Zahlen sind nicht neu”
Nehammer wurde auch auf die angespannte Budgetsituation angesprochen. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr forderte zuletzt von der kommenden Regierung einen “glaubwürdigen Budget-Konsolidierungspfad” Zur Erinnerung: Das Finanzministerium hatte Anfang Oktober seine Defizitprognose für das Budget des Jahres 2024 auf 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöht – es bewegt sich damit über der Maastricht-Grenze von drei Prozent. Die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS rechneten zuletzt gar mit 3,7 bzw. 3,5 Prozent des BIP. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) wurde für die nach der Wahl nach oben korrigierten Defizitprognosen scharf kritisiert.
Nehammer entgegnet, dass das Thema im Wahlkampf intensiv diskutiert worden sei. Er habe im ORF-Sommergespräch einen “Zero-Based-Budgeting”-Ansatz vorgebracht. “Für diese Form der Vorschläge bin ich noch belächelt worden.” Im Konsolidierungsvorschlag der ÖVP seien im Wahlkampf 14,5 Milliarden Euro vorgesehen gewesen. “Also Sie sehen, die Zahlen sind nicht neu”. Faktum sei, dass fünf Jahre der Krisen (Von der Pandemie bis zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bis zur Gasknappheit) hinter dem Land stünden. Das habe das Budget massiv belastet. Zudem hätten sich die großen Wirtschaftsforschungsinstitute in der Berechnung des Wirtschaftswachstums geirrt. Weiters durchlebe Deutschland eine massive Wirtschaftskrise “und mit diesen Folgen haben wir jetzt auch ein Stück zu kämpfen”.
“Das nächste Regierungsprogramm muss davon gezeichnet sein, eine Ausgabenbremse als oberste Prämisse zu haben”, sagte Nehammer. Wichtig sei, die Ausgaben genau zu beleuchten und die finanziellen Mittel effizient einzusetzen. Man müsse das Wirtschaftswachstum wieder in Gang setzen. Es gebe leichte Signale einer Besserung, das gelte es fortzuführen. Es brauche Investitionen in den Wirtschaftsstandort Österreich. Der Motor der Wirtschaft sorge für mehr Arbeitsplätze und mehr Einnahmen. Dies würde wiederum das Budget stabilisieren.
Nehammer will Verhandlungen nicht vorgreifen
Ob der Klimabonus abgeschafft werden solle, wollte Nehammer nicht kommentieren. Er wolle nicht über die Medien Verhandlungen führen. Dass Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker zuletzt angesichts der tristen budgetären Lage eine Nulllohnrunde forderte, wollte Nehammer ebenfalls nicht kommentieren. “Es gilt, die Verhandlungen abzuwarten”.
Zur Frage, ob sich ein möglicher FPÖ-Sieg bei der anstehenden Steiermark-Wahl auf die Stabilität der Regierung im Bund auswirken würde, sagte Nehammer: “Landtagswahlen sind Landtagswahlen”. Es sei wichtig, in den Regierungsverhandlungen die Anliegen aller Wählerinnen und Wähler zu berücksichtigen. Mit Rückblick auf die Nationalratswahl fügte er hinzu: “Die 1,4 Millionen FPÖ-Wähler sind mir genauso wichtig wie die 1,3 Millionen ÖVP-Wähler.”
Nehammer sagte, dass die Dreierkoalition keine Sideletter über Postenbesetzungen vereinbaren werde. “Es braucht Transparenz”. Es sei ohnehin gesetzlich geregelt, wann und wo Entscheidungen zu treffen sind.
Wie lange werden die Koalitionsverhandlungen dauern? Ziel sei, “so schnell wie möglich zu verhandeln” aber auch “so ausführlich wie notwendig”, antwortete Nehammer. Wichtig sei, die Problempunkte zu identifizieren und diese dann zu diskutieren, damit die Regierung danach effizient arbeiten kann. (red, APA, 18.11.2024)
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