SPÖ-Chef Babler über Koalitionsgespräche: “Es geht nicht um Sympathie”
Könnte Andreas Babler bald Teil der “Austria 3” sein? Schließlich wurde medial ventiliert, das sei ein möglicher Name für die werdende Dreierregierung, die nicht “Zuckerlkoalition” genannt werden möchte. Babler hält den Namen des einstigen Austropop-Trios, bestehend aus Georg Danzer, Wolfgang Ambros und Rainhard Fendrich aber nicht für ideal für das türkis-rot-pinke Projekt. Danzer stehe er politisch am nächsten, allerdings ist der Liedermacher schon vor 17 Jahren verstorben.
STANDARD: Sie haben sich verändert.
Babler: Seit der Volksschulzeit sicherlich!
STANDARD: Wir meinten: seit der Wahl. Sie tragen jetzt Krawatte, sprechen von einer “Koalition der Mitte” …
Babler: … aus der Mitte der Gesellschaft, meine ich damit.
STANDARD: Was wurde aus dem Parteirebellen?
Babler: Was auch immer der Parteirebell war. Ich vertrete früher wie heute sozialdemokratische Grundsätze. Jetzt in Verhandlungen.
STANDARD: Ist Ihnen Karl Nehammer eigentlich sympathisch?
Babler: Es geht nicht um Sympathie, sondern um Vertrauen und Respekt.
STANDARD: Im Wahlkampf hatten Sie gesagt, dass Sie “mit dieser ÖVP” nicht koalieren wollen. Wie hat sich die Volkspartei seither verändert?
Babler: Das habe ich in der Wahlkampfsituation gesagt. Jetzt geht es um Verantwortung.
STANDARD: Es war doch schon im Wahlkampf klar, dass die SPÖ einen Partner braucht, wenn sie in einer Regierung Verantwortung übernehmen möchte. Es war auch klar, dass Sie auf die ÖVP angewiesen wären. Was hat sich geändert?
Babler: Der Wahlkampf ist vorbei, und jetzt hat sich der Ton geändert – seitens der ÖVP, seitens der Neos, auch von uns.
STANDARD: Die SPÖ soll die Grünen als Partner bevorzugt haben. Auf Druck der ÖVP haben Sie sich auf die Neos eingelassen. Was konnten Sie sich im Gegenzug herausverhandeln?
Babler: Unsere Verhandlungsgespräche werde ich nicht öffentlich machen.
STANDARD: Erbschaftsteuer und eine Vermögensteuer werden von ÖVP und Neos kategorisch ausgeschlossen. Denkbar wäre eine Erhöhung der Grundsteuer. Muss zumindest die kommen, damit Sie mitregieren?
Babler: Ich werde da keine roten Linien ausrichten. Wir haben alle Überzeugungen. Jetzt heißt es, aufeinander zuzugehen. Die Wirtschaftsforscher geben mir recht: Es ist nicht möglich, die notwendigen 15 Milliarden Euro ohne zusätzliche Steuern und nur durch Kürzungen einzusparen. Selbst wenn man alle Lehrer kündigen würde, um ein drastisches Beispiel zu geben, könnten wir nur 14,6 Milliarden Euro sparen. Wir brauchen aber mehr Lehrer, nicht weniger.
STANDARD: Ihren Parteikollegen, den Bundeskanzler Werner Faymann, haben Sie einst für seine Abkehr von einer Vermögensteuer schwer kritisiert und sogar eine parteiinterne Initiative dagegen gegründet. Was ist jetzt anders?
Babler: Es gibt keine Abkehr von Vermögensteuern. Warten Sie die Verhandlungen ab.
STANDARD: Wie steht es um eine Übergewinnsteuer?
Babler: Alles denkbar! Stärkere Schultern werden künftig mehr tragen müssen, dass macht die drastische Budgetsituation erst recht notwendig.
STANDARD: Angeblich wird aber angedacht, Pensionisten die jährliche Inflationsanpassung ihrer Pensionen zu kürzen. Ist das denkbar?
Babler: Mir ist vor allem wichtig, dass auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, einen Job anzunehmen – etwa nach Arbeitsplatzverlust oder beruflicher Umorientierung. Viele werden in diesem Alter ja gar nicht mehr angestellt. Da braucht es Programme. Und wenn mehr ältere Menschen bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter arbeiten, macht das die Pensionen noch sicherer.
STANDARD: Wird bei den Pensionen gespart?
Babler: Wir haben die Grundphilosophie, dass das nicht gerecht wäre und auch budgetär nicht notwendig ist.
STANDARD: Kanzler Nehammer hat bereits angekündigt, Ziele für die Klimaneutralität bis 2040 infrage zu stellen. Sie auch?
Babler: Nein. Beim Klimaschutz haben wir eine große Verantwortung – vor allem für die nächste Generation. Wir wollen weg von dem moralischen Zeigefinger und hin zuverbindlichen Klimazielen. Die großen Hebel sehen wir in einer strukturellen Transformation und der Mobilität. In der Wirtschaftspolitik müssen wir so unsere Standorte absichern. Industriestandorte in Europa, die aktuell etwa unter der direkten Konkurrenz mit China leiden, wo dadurch Arbeitsplätze abgebaut werden, müssen eingebettet in eine Transformationsstrategie schnell zukunfts- und klimafit gemacht werden. Da kann man kein Jahr mehr verlieren.
STANDARD: Wie soll das mit Nehammers Ansage zusammengehen?
Babler: Das Ziel der SPÖ ist es, Klimaneutralität so schnell wie möglich umzusetzen.
STANDARD: Selbst in der SPÖ wird nicht bestritten, dass die ÖVP in einer Koalition den Kurs bei Asyl und Migration vorgeben wird. Wie weit nach rechts kann eine Regierung mit Ihnen als Vizekanzler in diesen Fragen rücken?
Babler: Was ist rechts in dieser Frage? Niemand will, dass Grenzen unsicher sind. Die Migration ist ein Riesenthema, das in den Bildungsbereich und den Arbeitsmarkt hineinspielt. Die Leute erwarten Klarheit. Die werden wir miteinander entwickeln. Wir müssen Humanität, Pragmatismus und Ordnung zusammenführen.
STANDARD: Wie stehen Sie denn zu einem Verbotsgesetz gegenüber dem politischen Islam, das die ÖVP fordert?
Babler: Wir wollen dort nachschärfen, wo es notwendig ist. Vieles ist schon jetzt im Strafgesetzbuch abgebildet. Eine Schlagwortdiskussion halte ich nicht für zielführend.
STANDARD: Die ÖVP macht im Asyl- und Fremdenrecht Ansagen, die Neos in Bildungsfragen. Was wird Ihr Leuchtturm?
Babler: Das Leben soll leichter und leistbarer werden. Wir wollen beim leistbaren Wohnraum etwas weiterbringen und Arbeitsplätze durch Wirtschaftsaufschwung generieren. Wir wollen eine Budget- und Finanzpolitik, die gerecht ist. Und bessere Bildung – das eint uns mit den Neos.
STANDARD: Wenn es zu einem Koalitionsprogramm kommt: Lassen Sie die SPÖ-Mitglieder darüber abstimmen?
Babler: Im Statut gibt es die Möglichkeit, wenn der Parteivorstand das beschließt.
STANDARD: Genau. Es war eine Ihrer Forderungen in der internen SPÖ-Vorsitzwahl. Wünschen Sie sich eine Mitgliederbefragung über das Programm?
Babler: Wir werden es im Parteivorstand diskutieren.
STANDARD: Am Sonntag wählt die Steiermark, danach das Burgenland. In beiden Bundesländern schließt die SPÖ nicht aus, mit der FPÖ zu koalieren. Würden Sie Blau-Rot oder Rot-Blau in den Ländern als Bundesparteichef akzeptieren?
Babler: Es ist bekannt, dass ich nicht viel davon halte, mit der FPÖ zu koalieren. Auch nicht in den Bundesländern.
STANDARD: Rudolf Fußi versucht Sie gerade als Parteichef zu stürzen. Sie unterstellen ihm, Unwahrheiten über Sie zu verbreiten. Denken Sie darüber nach, ihn aus der Partei auszuschließen?
Babler: Es häufen sich Anlässe, wo er etwas, das faktisch falsch ist, über mich verbreitet. Aber jedes Mitglied hat das Recht zu kandidieren. Ich beschäftige mich nicht näher mit ihm.
STANDARD: Wie lange sind Sie noch Parteichef?
Babler: Bis es eine andere Entscheidung der Parteimitglieder gibt.
STANDARD: Fußi sehen Sie nicht als Gefahr?
Babler: Nein.
STANDARD: Kanzler Nehammer sieht die Chancen für eine Koalition 50/50. Und Sie?
Babler: Ich will nicht in Prozenten kalkulieren. Wir müssen jedenfalls weg vom kleinsten gemeinsamen Nenner, hin zu einer großen gemeinsamen Erzählung.
STANDARD: Haben Sie denn in den Koalitionsverhandlungen bisher öfter gelacht oder den Kopf geschüttelt?
Babler: Ich bin jemand, der die Stimmung – wenn notwendig – ein bisschen aufhellen kann. Es gibt aber natürlich auch Momente, wo man klare Worte finden muss. (INTERVIEW: Oona Kroisleitner, Katharina Mittelstaedt, 23.11.2024)
>read more at © Der Standard
Views: 0