Wer regiert künftig die Steiermark?
Steiermark-Wahl
Für die Schwarzen wurde die Landtagswahl zum Debakel, erstmals erreichten weder ÖVP noch SPÖ Platz eins in der Steiermark. Und nicht nur das: Schwarz-Rot hat keine gemeinsame Mehrheit mehr. Nun ist FPÖ-Chef Mario Kunasek am Zug
Der Funke ist nicht mehr übergesprungen. Am Sonntag bestätigte sich, was sich seit langem abgezeichnet hatte: Die ÖVP und Landeshauptmann Christopher Drexler mussten in der Steiermark massive Verluste einstecken. Der blaue Höhenflug setzte sich nach der Nationalratswahl auch in der Steiermark fort. Die FPÖ mit Frontmann Mario Kunasek ließ die Schwarzen sogar noch viel deutlicher als prognostiziert hinter sich und konnte sich erstmals Platz eins bei einer steirischen Landtagswahl sichern. Nun wird Kunasek automatisch den Auftrag zu einer Regierungsbildung erhalten (siehe Wissen). Dennoch: Ob die FPÖ auch den Landeshauptmann stellen wird, ist offen. Drexler erklärte vor der Wahl, Schwarz-Rot weiterführen zu wollen, SPÖ-Spitzenkandidat Anton Lang präferierte die Verlängerung der ehemals großen Koalition ebenfalls.
Dieser Wunsch wird nun nicht in Erfüllung gehen. Es geht sich nicht mehr aus. Schwarz-Rot kommt nur noch auf 24 der 48 Mandate im Landtag. 25 sind für eine Mehrheit mindestens notwendig.
Es wiederholt sich in der Steiermark also die Situation im Bund. Wollen ÖVP und SPÖ ohne die FPÖ regieren, brauchen sie einen dritten Partner. Und auch im Trio würde es eng. Mit den Neos ginge sich eine Mehrheit gerade aus, mit den Grünen käme eine Koalition immerhin auf 27 Mandate. Stabil ist das nicht.
Schwarzes Schicksal
Drexler steht nach der Wahl jedenfalls vor einer Schicksalsentscheidung – auch über seine eigene Zukunft. Er habe “alles gegeben”, sagte er in einer ersten Reaktion. Dennoch sei es ein “schmerzlicher Tag, auch für mich eine schmerzhafte Niederlage”. Trotzdem gab er sich motiviert, Gespräche zu führen.
Allerdings: Ob er überhaupt noch in einem Verhandlungsteam sein wird, entscheidet sich erst am Montag. Im ÖVP-Parteivorstand werde er die Vertrauensfrage stellen, erklärte der Landeshauptmann am Wahlabend.
Drexler war lange die Zukunftshoffnung in der ÖVP. Er war als junger, dynamischer Reformer gekommen, belesen, geschliffen in der Sprache, pointiert scharf in den Ansagen, die politische Gegner tief ins Mark treffen können. Schon seit 2015 stand de facto fest, dass er seinen Mentor Hermann Schützenhöfer als Landeshauptmann beerben wird. Das Jahr 2015 war ein magisches Datum für die ÖVP. Obwohl nach der Wahl Erster, übergab der damalige Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) dem Zweiten, Schützenhöfer, das Amt des Landeshauptmanns für die ganze Legislaturperiode von fünf Jahren. Es war klar, dass Schützenhöfer die kommenden Jahre nutzen wird, um seinen politischen Ziehsohn Drexler für die nächste Wahl aufzubauen.
Schützenhöfer fand jedoch Gefallen an der Führung des Landes, blieb länger als geplant und übergab erst Mitte 2022 an Drexler. Damals sagte Schützenhöfer scherzend: “Na ja, an seiner Beliebtheit müssen wir noch arbeiten.” Es blieb ein Work in Progress.
Denn Drexler wurde nicht beliebter. Seine öffentliche Erscheinung vermittelte vielen eher eine gewisse intellektuelle Arroganz, Abgehobenheit und Distanz sowie eine Scheu vor den “Menschen da draußen”. Am liebsten hielt er sich in geistigen Sphären auf, im Kunsthaus, im Kulturambiente, wo er über bildende Kunst parlieren konnte. Als er merkte, dass die Sache nicht rundläuft, versuchte er, mit seinen Aussagen das rechte Lager zu bedienen. Aber auch das funktionierte nicht wirklich.
Blaue Wahl
Offen ist: Was will die FPÖ? Nach schwarz-blauen Landesregierungen in Salzburg, Oberösterreich, Vorarlberg und Niederösterreich wäre Blau-Rot in der Steiermark ein Coup. Damit hätte die FPÖ in einem so wichtigen Bundesland die sogenannte Vranitzky-Doktrin, die eine Koalition der SPÖ mit der FPÖ ausschließt, durchbrochen. Also: was, wenn FPÖ-Chef Kunasek der SPÖ ein Angebot macht, das diese schwer ablehnen kann?
SPÖ-Spitzenkandidat Lang, der am Sonntag die “volle Verantwortung” für das Ergebnis übernahm, ließ bereits im Vorfeld anklingen, seine Türen stünden für alle offen. Eine Zusammenarbeit mit den Blauen schloss er Sonntagabend nicht aus. Die FPÖ sei stärkste Partei, man werde einer Gesprächseinladung gegebenenfalls folgen. Koalitionsspekulationen wollte Lang nicht kommentieren.
Blau-Rot könnte die ÖVP verhindern, indem sie selbst mit der FPÖ koaliert. FPÖ-Spitzenkandidat Kunasek betonte am Wahlabend, er habe sowohl mit ÖVP als auch mit SPÖ Schnittmengen wie auch heikle Themen. Am Dienstag will der Wahlsieger einen Fahrplan für Regierungsgespräche vorlegen. (Oona Kroisleitner, Walter Müller, 25.11.2024)
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