Ukrainische Ostfront bröckelt

Seit Wochen verstärkt die Armee von Kreml-Chef Wladimir Putin ihre Angriffe im Osten der Ukraine. Südlich von Pokrowsk erzielte sie laut ukrainischem Militärblog DeepState südlich von Pokrowsk einen bedeutenden Durchbruch. Der Angriff sei aus der Umgebung der Bergbaustadt Wuhledar gestartet und habe die ukrainischen Verteidiger an einer überraschenden Stelle getroffen, hieß es.

Dadurch habe sich der Frontverlauf rund 20 Kilometer ins ukrainische Hinterland verschoben, berichtete das Onlineportal Ntv.de am Mittwoch. Russische Truppen stehen übereinstimmenden Berichten zufolge kurz vor der Stadtgrenze von Welyka Nowosilka. Die Schlacht um die Ortschaft stehe kurz bevor. An keiner anderen Stelle der mehr als 1.000 Kilometer langen Front kämen russische Truppen derzeit so rasch voran wie bei Welyka Nowosilka. Und die Ukraine verliert Gebiete, die sie in ihrer Sommeroffensive 2023 zurückerobert hatte.

Laut russischen Militärbloggern gelang der Durchbruch bei Welyka Nowosilka aufgrund der geringen Anzahl von ukrainischen Soldaten in ihren Verteidigungspositionen. Russische Soldaten hätten bei der Einnahme der Stellungen um die strategisch wichtige Siedlung kaum Gegenwehr gehabt.

Probleme in den ukrainischen Reihen

Die russischen Erfolge deuten auf größere Probleme in den ukrainischen Reihen hin. Die Stellungen der Verteidiger sind nach zweieinhalb Jahren offenbar ausgedünnt oder vom russischen Dauerbeschuss zermürbt. Womöglich fehlen Kräfte, die in der russischen Region Kursk kämpfen, oder Kräfte, die in Abwehrkämpfen vor Pokrowsk gebunden sind.

Die Stadt ist für die Ukraine von enormer Bedeutung. „Hinter Pokrowsk gibt es tatsächlich kaum noch Verteidigungsstellungen“, sagte der österreichische Militärexperte Markus Reisner Ntv.de. „Sollten es die Russen schaffen, dort wirklich durchzubrechen, kann es danach sehr schnell gehen. Dann können sie rasch die letzten knapp 150 Kilometer Richtung Westen vorrücken bis zum Ufer des Dnipro.“

Prekäre Lage in Kurachowe

Zudem gerät Kurachowe zunehmend unter Druck, wo ukrainischen Einheiten eine Einkesselung droht. Laut dem ukrainischen Generalstab haben die russischen Angreifer bereits die Außenbezirke der Stadt erreicht und versuchen, die letzten Nachschubwege unter Beschuss zu nehmen. Die Stadt ist ein Sprungbrett in Richtung des wichtigen logistischen Knotenpunkts Pokrowsk in der Region Donezk.

Zerstörte Wohnhäuser in Awdijiwka

Reuters/Alexander Ermochenko
Täglich gibt es Meldungen von Zerstörung, Toten und Verletzten

In Kupjansk im Gebiet Charkiw gelang es der Ukraine indes, vorgedrungene russische Soldaten zurückzudrängen. „Dort ist alles unter Kontrolle unserer Streitkräfte“, versicherte der Sprecher der für den Abschnitt zuständigen Armeegruppe, Nasar Woloschyn, am Dienstag im Fernsehen. Auch russische Vorstöße auf das ukrainisch kontrollierte Westufer des Flusses Oskil seien gescheitert.

Kupjansk ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Die Front verläuft nur noch knapp zwei Kilometer nördlich. „Die Russen versuchen, in kleinen Einheiten in den (östlichen) Teil der Stadt einzudringen, aber bisher konnten wir sie abwehren“, sagte ein ukrainischer Soldat der Nachrichtenseite Kyiv Independent. „Wenn sie Kupjansk einnehmen, sind wir in einer sehr, sehr schlechten Position.“

Rückeroberungen in Kursk

„Der Feind nutzt seine Überlegenheit an Menschen und Material und attackiert pausenlos unsere Stellungen“, so der ukrainische Generalstab. Über 40 Prozent der ursprünglich dort eroberten russischen Gebiete in der Region Kursk haben die ukrainischen Truppen wieder geräumt. „Wir haben anfangs 1.376 Quadratkilometer kontrolliert, jetzt ist dieses Gebiet natürlich kleiner. Der Feind verstärkt seine Gegenangriffe“, sagte der Militär.

„Jetzt kontrollieren wir etwa 800 Quadratkilometer. Wir werden dieses Gebiet so lange halten, wie es militärisch sinnvoll ist.“ Die Kursker Offensive war die erste Bodeninvasion einer ausländischen Macht in Russland seit dem Zweiten Weltkrieg und traf die russische Armee unvorbereitet. Russland sollte damit gezwungen werden, seine im Osten der Ukraine vorrückenden Truppen zurückzuziehen.

Wieder nächtliche Drohnenangriffe

Täglich gibt es zudem Meldungen von Drohnenangriffen beider Seiten. In der Nacht auf Mittwoch war die Hauptstadt Kiew Ziel eines solchen Angriffs. Drei Menschen seien dabei verletzt worden. Die Flugabwehr der Stadt sei seit Mitternacht im Einsatz gewesen, sagte Serhij Popko, der Chef der Hauptstadt-Militärverwaltung. Das komplette Ausmaß der Schäden war unklar.

Die Flugabwehr fing dem ukrainischen Militär zufolge in der Nacht 36 von 89 russischen Drohnen ab. 48 seien aus dem Blickfeld verschwunden, teilte das Militär auf Telegram mit. Fünf Drohnen hätten das Territorium der Ukraine in Richtung Russland oder Belarus wieder verlassen. Am Dienstag hatte die Ukraine den bisher größten russischen Drohnenangriff mit 188 Drohnen gemeldet.

Die russischen Streitkräfte wiederum zerstörten nach Angaben der Regierung in Moskau in der Nacht auf Mittwoch 22 ukrainische Drohnen. Zehn von ihnen seien über der Oblast Rostow im Süden abgeschossen worden, die übrigen über Belgorod, Woronesch, Kursk, Brjansk und Smolensk, teilte das Verteidigungsministerium auf Telegram mit.

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