Grünen-Chef Kogler “Wollen tatkräftige, vernünftige und zuversichtliche Opposition sein”
“ZIB 2”
Der scheidende Vizekanzler zieht in der “ZIB 2” Regierungsbilanz und übt Kritik an der ÖVP. Einsparungspotenzial sieht er künftig bei klimaschädlichen Subventionen, dem Autobahnbau oder bei Mehrfachförderungen
In der nächsten Bundesregierung werden die Grünen wohl nicht mehr vertreten sein, politisch hat die Partei angesichts großer Verluste bei mehreren Wahlen ein schwieriges Jahr hinter sich. Parteichef, Beamtenminister, und bis vor kurzem Vizekanzler Werner Kogler zieht im ZIB2-Interview Bilanz über die letzten fünf Jahre in der Regierung.
“Es sind in diesen fünf Jahren große Reformen gelungen”, man habe etwa die Emmissionen massiv gesenkt oder auch die Folgen der Teuerungen für viele Gruppen abfangen können, antwortet Kogler ausweichend auf die erste Frage von Moderator Martin Thür. Dieser wollte eigentlich wissen, ob die Grünen angesichts des Budgetlochs von etwa 24 Milliarden Euro einen “Scherbenhaufen” für die nächste Regierung hinterlassen haben. “Es hat schon wesentlich dramatischere Schuldenzahlen gegeben”, entgegnet Kogler. Man denke etwa an die Finanzkrise. Damals habe es ebenfalls Anstrengung gebraucht, als konstruktive Opposition hätte man diese damals mitgetragen. Das werde auch in Zukunft so sein, man wolle eine tatkräftige, vernünftige, verantwortungsvolle und zuversichtliche Opposition sein: “Die Welt wird nicht untergehen”, so der Grünen-Chef.
Um diese Milliardenbeträge gehe es außerdem in den nächsten vier bis sieben Jahren. “Demnächst sollen wir sechs Milliarden einsparen, das ist nicht wenig aber es ist machbar.” Einsparungspotential sieht der Grünen-Chef etwa bei klimaschädlichen Subventionen, bei dem Bau von Autobahnen oder bei Mehrfachförderungen von Städten, Gemeinden, Ländern und Bund. Man könne zwar immer darüber reden, “wo eine sinnvollere Ausgabenpolitik gemacht hätte werden sollen – über weite Strecken war sie aber sinnvoll.”
Klimabonus und Photovoltaik-Förderung “hocheffizient”
Von vielerlei Seiten als zu teuer und zu wenig zielgerichtet kritisierte Förderungen der Grünen, wie etwa Klimabonus oder die Förderung von Photovoltaikanlagen, verteidigt Kogler. “Die Photovoltaikförderung war hocheffizient, die Ausbaumaßnahmen wurden pro Jahr verzehnfacht”. Der Klimabonus wiederum sei eine wichtige Kompensation für die CO2-Bepreisung. Auf Kritik Thürs, dass es sich dabei um eine Überkompensation gehandelt habe, entgegnet er: “Das basiert ja auf Voraus-Schätzungen. Ich bin der erste der sagt, wir passen das an.” Ja, es gehe jetzt um die vernünftige Gestaltung der Refundierung, “da gebe ich ja allen recht.” Dennoch hält er den Klimabonus nach wie vor für eine sinnvolle Maßnahme, schließlich treffe der CO2-Preis viele Menschen.
Stattdessen solle man ein Auge auf Energiekostenzuschüsse für die Industrie haben und dort sparen, wo ohnehin “Schaden” entsteht. “Verzichten wir auf Fossilprojekte und umweltschädliche Subventionen”. Den Föderalismus hält Kogler außerdem für eine “milliardenschwere Folklore”. Erneut weist er auf Doppel- und Dreifachförderungen hin. Diese seien zwar bekannt, es sei nur schwer, sich gegen die ÖVP durchzusetzen. Vor allem Wirtschaftsbund und Bauernbund würden das ÖVP-Kanzleramt “in Geiselhaft” nehmen “und am Ende weiß man gar nicht, mit wem man verhandelt.”
Österreich als “Kreisverkehr Europas”
Angesprochen auf den Baustopp des Lobau-Tunnels als grünes Prestigeprojekt wiederholt Kogler seine Forderung, auf den Bau von noch mehr Autobahnen zu verzichten: “Warum sollen wir mit österreichischem Steuergeld noch mehr Autobahnen bauen? Wir sind der Kreisverkehr Europas”. Gemessen an der Bevölkerungszahl habe Österreich die meisten Autobahnen in Europa.
Nach den erlittenen Wahlschlappen sei man bei den Grünen zwar selbstkritisch, Kursänderung lässt sich in Koglers Aussagen aber keine verorten. “Ich habe sicher auch des öfteren da oder dort danebengehaut. Da können wir drüber reden.” Man müsse bei den Wahlergebnissen aber berücksichtigen, dass die Grünen von “historischen Höchstständen” kämen, derzeit sei man im Ergebnis-Durchschnitt der letzten 20 bzw. 25 Jahre. “Wir krempeln die Ärmeln auf und arbeiten weiter nach vorne”, sagt Kogler. Konsequenzen ziehe man dahingehend, als dass man sich künftig inhaltlich “nicht mehr alles gefallen lasse”. Gerade jetzt, wo Klimaschutz als Anliegen angegriffen werde, plädiert Kogler für einen schärferen Kurs.
Angesprochen auf die Reaktion der Grünen-Clubchefin auf den verlorenen Fraktionsstatus der Grünen im Bundesrat – sie nannte dies einen “Angriff auf die Demokratie – und die Causa Rosenkranz positionierte sich Kogler erneut: Dass der Fraktionsstatus der Grünen abgelehnt wurde sieht er demokratiepolitisch als “problematisch” und sei daher zu kritisieren. Die Angelobung Rosenkranz zum Nationalratspräsidenten sei aber etwas anderes gewesen: Rosenkranz sei jemand, der sagt er sei Parteisoldat einer Partei, die immer rechtsradikaler werde, Orban ins Parlament einlädt und die demokratische Rechte abbauen wolle. “Es ist keine “Usance” so jemanden an die zweitwichtigste Position der Republik zu setzen.” (kir, 19.12.2024)
>read more at © Der Standard
Views: 0