Neue steirische ÖVP-Chefin Khom: “Natürlich bin ich Feministin”
Manuela Khom musste schnell umschalten. Bis Anfang der Woche war sie noch Landtagspräsidentin. Nach der Meuterei gegen den bisherigen steirischen ÖVP-Chef und Landeshauptmann a. D., Christopher Drexler, hatte sie plötzlich die Partei zu übernehmen – und am nächsten Tag ein Regierungsprogramm zu präsentieren, das sie noch gar nicht richtig kannte.
STANDARD: Frau Khom, Ihr neues Büro in der Grazer Burg haben Sie eher noch nicht komplett eingerichtet, oder?
Khom: Komplett ist gut. Ich habe dort noch gar nichts gemacht. Im Moment ist mein Leben ein bisschen fremdbestimmt. Büroeinrichtung ist da eher Punkt 879.
STANDARD: Es ist nicht gerade üblich, dass man ein Regierungsprogramm präsentiert, das man gar nicht mitverhandelt hat. Weil man über Nacht zur Parteichefin wurde, das aber selbst erst am Vorabend erfahren hat. Viel Schlaf war da nicht, oder?
Khom: No, langsam sieht man es wahrscheinlich eh (deutet Ringe unter den Augen an, Anm.). Die Woche war schon fordernd: Regierungsprogramm, Pressekonferenz, in den Landtag zur Wahl, von der Regierungssitzung zur Angelobung. Dazwischen 47 Journalisten und andere Dinge, die zu entscheiden sind.
STANDARD: Weihnachtsstimmung ist in der ÖVP Steiermark auf nächstes Jahr verschoben?
Khom: Bei einigen wird es sie schon geben. Aber ich sag’s ehrlich: bei mir noch nicht.
STANDARD: Hätte Drexler gleich nach seiner schweren Wahlniederlage im November zurücktreten sollen?
Khom: Hätt i, tät i, war i. Wir alle waren schockiert über das Wahlergebnis. Christopher Drexler war bereit, die Verantwortung zu übernehmen und das Regierungsprogramm noch auszuverhandeln.
STANDARD: Aber Chaos und Meuterei nur zwei Tage vor Antritt der Regierung: Das schwächt eine Partei – auch gegenüber dem Koalitionspartner.
Khom: Das sehe ich nicht so. Das Regierungsteam ist ja bis auf eine Person das gleiche. Und ich finde das eine sehr wertschätzende Art der FPÖ: auf Augenhöhe in diese Koalition zu gehen, indem beide Parteien vier Regierungsmitglieder stellen.
STANDARD: Ihr Koalitionspartner hat seine neue Stärke aber auch genützt. Viele Passagen im Regierungspapier kommen einem bekannt vor: aus dem blauen Wahlprogramm.
Khom: In den Wahlprogrammen von ÖVP und FPÖ gibt es viele gleiche Inhalte. Wir haben vielleicht manches ein bisschen anders formuliert als die Freiheitlichen. Aber ich glaube, dass das Regierungspapier die Gemeinsamkeiten in den Mittelpunkt stellt.
STANDARD: Sie wollen dem Kopftuch von Musliminnen also auch so auf den Pelz rücken wie die FPÖ?
Khom: Bei einem Regierungsabkommen ist für den einen der eine Punkt besser, für den anderen der andere. Wir hatten den Fall bisher aber ohnehin nicht.
STANDARD: Sie meinen, es gibt eh keine Frauen mit Kopftuch im steirischen Landesdienst?
Khom: Genau, die Realität ist nicht gegeben. Aber es gibt viele Ängste bei den Menschen, deswegen beugt man dem vor.
STANDARD: Das Verbot religiös geprägter Kleidung in Ihrem Programm ist also reine Symbolpolitik?
Khom: Ich glaube, es ist ein Nehmen von Ängsten. Weil viele Sorgen haben: Wird man von Menschen mit anderen Einstellungen überrannt? Ich halte das wirklich nicht für den wichtigsten Inhalt. Aber ich glaube, man kann auch ein bisschen selbstbewusst nach außen gehen.
STANDARD: Laut steirischem Verfassungsdienst dürfte ein Verbot religiöser Symbole im öffentlichen Dienst verfassungskonform sein – sofern es für alle Religionen gilt. Eines von religiöser Kleidung allerdings nicht. Warum steht es trotzdem in Ihrem Papier?
Khom: Weil eine genaue Bestimmung geprüft und verhandelt werden muss. Ein Regierungsprogramm ist die Skizzierung eines Weges zum Ziel.
STANDARD: Juden müssten demnach im öffentlichen Dienst ihre Kippa abnehmen. Finden Sie das, gerade in Österreich, nicht problematisch?
Khom: Wir werden das auch hinsichtlich des Verfassungsrechts genau prüfen. Wir wollen ein Zeichen setzen. Aber werden uns sehr genau überlegen, wie wir am Ende des Tages formulieren. So, dass religiöse Zeichen in der öffentlichen Verwaltung nicht im Vordergrund stehen, aber die Persönlichkeit des Einzelnen trotzdem gewahrt wird.
STANDARD: Was außer Symbolpolitik soll eine landeseigene Dokumentationsstelle Politischer Islam bringen, wenn es schon eine im Bund gibt, die für ganz Österreich zuständig ist?
Khom: Es wird sicher Verknüpfungen von da nach dort geben, sonst wäre das nicht effizient.
STANDARD: Sie kommen aus der ÖVP-Frauenbewegung, waren Frauensprecherin. Wie finden Sie das, dass das Frauenkapitel im Programm nur zwei eher dünn bedruckte Seiten hat?
Khom: Auch Verkehrs-, Umwelt-, Klima- und Wirtschaftspolitik ist Frauenpolitik. Alles ist Frauenpolitik. In unserer vergangenen Landtagsperiode hat das Thema auch schon Gesellschaftspolitik geheißen. Ich finde, wir haben das Ziel erreicht, wenn es einmal kein eigenes Frauenministerium mehr braucht.
STANDARD: Sie haben vor ein paar Jahren im Landtag eine recht feurige Rede für Frauenquoten und Quotenfrauen gehalten. Sind Sie Feministin?
Khom: Ja, natürlich bin ich Feministin.
STANDARD: Interessant, dass Sie das so klar sagen. Das “F-Wort” ist unter Konservativen ja eher verpönt. Sogar Frauenministerin Susanne Raab, Ihre Parteikollegin, wollte sich nicht als Feministin bezeichnen.
Khom: Feminismus ist ja nichts Schlechtes. Ich war immer für Frauenquoten. Auch das war in meiner Partei vielleicht nicht immer üblich.
STANDARD: Was haben Sie dann eigentlich gegen das Gendern in Verwaltungstexten?
STANDARD: Das Binnen-I ist nicht gendern. Sondern ein Zeitprodukt davon. Der Grundgedanke des Genderns hat eigentlich etwas mit Menschenwürde zu tun: den Menschen so zu sehen, wie er ist. Binnen-I und Gender-Stern sind wirklich schwierig zum Lesen, so ehrlich muss man sein. Ich glaube, dass man dem viel zu viel Aufmerksamkeit schenkt. Ich halte es aber für wichtig, Frauen auch als Frauen anzusprechen. Mich hat man als Landtagspräsidentin am Anfang immer “Frau Präsident” genannt. Ich war aber Präsidentin. Man sagt ja auch nicht “Frau Kellner”, sondern Kellnerin.
STANDARD: Landeshauptmann Mario Kunasek könnte demnächst im Zuge der blauen Finanzaffäre angeklagt werden. Was passiert dann mit Ihrer Regierung?
Khom: So wie für jeden Bürger sollte auch für jeden Politiker die Unschuldsvermutung gelten. Wenn Dinge passieren, wird man sich von dort aus überlegen, wie damit umzugehen ist. Im Moment steht das nicht im Raum.
STANDARD: Ist der blaue Blazer, den Sie heute tragen, ein Signal, mit wem sich die ÖVP die österreichische Regierungszukunft vorstellt?
Khom: Bei der Angelobung hatte ich etwas pinkes an. Meine Zuordnung ist schwarz, aber ich bin ein bunter Mensch. (Martin Tschiderer, 21.12.2024)
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