Zahl der Toten gestiegen, über 200 Verletzte
Ein Auto war am Freitagabend mit hoher Geschwindigkeit in den Markt gerast. Der Fahrer wurde festgenommen. Bei ihm soll es sich laut Medienberichten um einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Saudi-Arabien handeln, der seit 2006 in Deutschland lebt. Er soll ein Islamgegner gewesen sein und Verschwörungserzählungen verbreitet haben.
Mehrere Medien benannten den Mann als den 50-jährigen Taleb A. Nach „Spiegel“-Informationen kam der Verdächtige im März 2006 zur Ausbildung nach Deutschland, im Juli 2016 soll er als Flüchtling anerkannt worden sein. Dem Bericht zufolge soll er jahrelang als Aktivist tätig gewesen sein und vor allem Frauen aus Saudi-Arabien über Fluchtmöglichkeiten aus ihrem Land beraten haben. Er betrieb zudem eine Website mit Informationen zum deutschen Asylsystem.
Allerdings dürfte er abgedriftet sein, so der Bericht. In einem vor acht Tagen auf einem islamfeindlichen US-Blog erschienenen Videointerview etwa behauptete der Mann, der deutsche Staat betreibe eine „verdeckte Geheimoperation“, um weltweit saudische Ex-Muslime „zu jagen und ihr Leben zu zerstören“. Gleichzeitig erhielten syrische Dschihadisten in Deutschland Asyl.
Islamkritik auf Plattform X
Auf einem ihm zugerechneten Account auf X schrieb A. zudem unter anderem, seiner Erfahrung nach sei „die deutsche Polizei der echte Treiber des Islamismus in Deutschland“. Er warf ihr vor, gegen ihn und andere Islamkritiker „schmutzige Taktiken“ angewendet zu haben, „um unseren antiislamischen Aktivismus zu zerstören“.
Auf X zeigte er sich als Islamgegner und Unterstützer der AfD. Die Linken seien „verrückt“, es brauche „die AfD, um die Polizei vor sich zu schützen“. A. soll zudem gegen Ende der Terrorfahrt ein Video voller wirr erscheinender Anschuldigungen veröffentlicht haben. Nach den darin getroffenen Aussagen fühlte er sich verfolgt – das könnte ein Hinweis auf psychische Probleme sein. Die „Bild“ berichtete außerdem, dass ein Drogentest nach der Fahrt positiv ausgefallen sei.
Weitere Informationen am Nachmittag
Der Mann wurde gleich nach der Tat festgenommen und verhört. Nach jetzigem Stand sei der 50-Jährige Einzeltäter. Der BMW, mit dem der Täter „mindestens 400 Meter über den Weihnachtsmarkt“ in die Menschenmenge gerast war, sei noch an Ort und Stelle. Es soll sich um einen Leihwagen mit Münchner Kennzeichen handeln.
Berichte über Sprengstoff im Auto bestätigten sich nicht. Die Einsatzmaßnahmen dauerten an, es würden unter anderem Durchsuchungen durchgeführt, hieß es Samstagfrüh. Am Nachmittag wollen Polizei und Staatsanwaltschaft über den Stand der Ermittlungen informieren. Unbestätigten Berichten zufolge soll Saudi-Arabien die deutschen Behörden vor dem Mann gewarnt haben.
Haseloff: Bilanz schrecklicher als angenommen
Zuerst war die Rede von zwei Toten – einem Erwachsenen und einem Kleinkind. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) teilte dann Samstagmittag mit, es gebe fünf Todesopfer und 200 Verletzte, darunter viele Schwerst- und Schwerverletzte. Die Bilanz sei noch schrecklicher als am Abend zunächst angenommen. Der Ort des Anschlags werde „auf immer mit der Geschichte der Stadt Magdeburg in Verbindung bleiben“ und ein Gedenkort werden.
Haseloff hatte zuvor gesagt, man könne einen weiteren Anstieg der Opferzahlen nicht ausschließen. Die Versorgung der Verletzten laufe mit maximalen Kapazitäten und Ressourcen, sagte Haseloff weiter. „Ich muss sagen, das läuft alles wirklich generalstabsmäßig. Und trotzdem ist immer noch eine nicht abschließend zu bewertende Lage hier zur Kenntnis zu nehmen.“ Er dankte allen Einsatzkräften und sprach den Betroffenen sein Mitgefühl aus.
Bestürzte Reaktionen aus der Politik
Der deutsche Kanzler Scholz besuchte am Samstag neben weiteren Politikerinnen und Politikern den Tatort. Er kündigt harte Konsequenzen an. Zunächst müsse man aber genau verstehen, was passiert sei und welche Motive der mutmaßliche Täter gehabt habe. „Dann werden wir mit der notwendigen Konsequenz darauf reagieren“, sagte Scholz. Es sei wichtig, dass das Land nun zusammenbleibe und nicht Hass das Miteinander der Menschen in Deutschland bestimme. Man werde diejenigen, die Hass säen, nicht durchkommen lassen, sondern mit aller Härte des Gesetzes gegen sie vorgehen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dankte den Einsatzkräften. Die Vorfreude auf ein friedliches Weihnachtsfest sei jäh unterbrochen worden. Auch zahlreiche andere deutsche und internationale Spitzenpolitikerinnen und -politiker drückten ihre Bestürzung aus.
„Ich bin schockiert über die Nachrichten aus #Magdeburg (…) Wir stehen eng an der Seite unserer deutschen Freunde!“, schrieb Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) auf X. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zeigte sich „fassungslos“ über die Meldungen aus Magdeburg. Nach solch dramatischen Ereignissen erfolge selbstverständlich eine aktuelle Lagebeurteilung auch in Österreich.
Polizeipräsenz erhöht
Auch weitere deutsche Bundesländer wollen nun ihre Sicherheitsvorkehrungen und Polizeipräsenz auf den Weihnachts- und Adventsmärkten erhöhen. Die Märkte gelten seit Jahren als potenzielles Anschlagsziel. Der Vorfall erinnert etwa an den Anschlag auf den Markt am Berliner Breitscheidplatz 2016, bei dem zwölf Menschen getötet wurden.
In Deutschland wurde indes Trauerbeflaggung für die obersten Bundesbehörden angeordnet. Der Weihnachtsmarkt sei für beendet erklärt worden. „Wir sind in tiefer Trauer und mit unseren Herzen und Gedanken bei den Opfern, Angehörigen und Helfern“, so die Veranstalter am Samstag.
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