Doskozil und Micky Maus: Weihnachtswahnsinn im Burgenland

Weihnachtsdeko, Grinch, Lichterketten
Sabine Gollnhuber: Deko ist nichts für Weihnachtshasser wie den Grinch.
Foto: Heribert Corn

Bad Tatzmannsdorf im Bezirk Oberwart ist Burgenlands größter Kurort. Die Gemeinde ist ziemlich bekannt für ihre Therme. Dort kann man nicht nur im Heilwasser plantschen, sondern auch aus beachtlichen 24 Saunen auswählen. Es gibt dort unter anderem eine Uhudlersauna, eine Schneesauna, eine Eissauna, eine Bergwerksauna und auch eine Event-Seesauna. Es ist wie bei einem Adventkalender: 24 Saunatürchen voller Überraschungen.


Entschuldigung. Dieser Adventkalendervergleich war jetzt ein bisschen gar wild konstruiert. Aber in gewisser Weise notwendig, um zum eigentlichen Thema dieser Geschichte hinzuführen: das Weihnachtshaus in Bad Tatzmannsdorf.

Wichtel, Zwerge, Lichterkette, Weihnachtshaus, Außenansicht
Es gibt eine Grenze zwischen Wichteln und Zwergen. Das Weihnachtshaus beleuchtet diese. Mit 900.000 Lämpchen und Lichterketten, die ab August aufgebaut werden.
Foto: Heribert Corn

Strahlkraft

Ein Weihnachtshaus, das sollte man vielleicht noch schnell erklären, ist üblicherweise ein Heim, das sich unterm Jahr ganz konventionell gibt. Ab Ende November aber, wenn sich die Ankunft des Erlösers unaufhaltsam nähert, wird so ein Weihnachtshaus auf Teufel komm raus geschmückt. Mit Lichterketten, Rentieren, Schneemännern, Weihnachtsmännern und allem, was sonst noch thematisch passt und leuchten oder blinken oder beides kann. Mehr ist mehr, lautet dabei die Devise.


Sabine Gollnhuber und ihr Mann Gerald haben so ein Weihnachtshaus. Auf ihrem 5000 m2 großen Grundstück brennen in der Vorweihnachtszeit gut 900.000 Lichter und über 200 aufblasbare Weihnachtsfiguren sind im Garten ausgestellt. Das ist Europarekord. Ein Weihnachtsmann ist gar neun Meter hoch. Ein richtiger Santa Goliath.

Stich als aufblasbare Weihnachtsfigur
Jedes Jahr steht im Weihnachtshaus eine andere Disney-Figur im Fokus. 2024 fiel die Wahl auf den blauen Alien Stitch, der auf Hawaii für ordentlich Wirbel sorgt. Nächstes Jahr kommt die Realverfilmung von “Lilo & Stitch” in die Kinos.
Foto: Heribert Corn

Das Gros der Figuren, sie werden fast alle aus den USA importiert, ist größentechnisch aber überschaubar und entstammt meist dem Disney-Kosmos. Micky und Minnie, Pluto, die Eiskönigin Elsa, Schneemann Olaf, Toy Story, Winnie Puuh. Aber auch Disneys Konkurrenten sind gut vertreten. Sponge Bob, Hello Kitty, die Minions, Peppa Wutz und der Grinch tummeln sich nebst unzähligen Weihnachtsmännern und Wichtel, Elfen und Engeln am Gollnhuber Grund. Dem burgenländischen Landeshauptmann Hanspeter Doskozil ist auch eine eigene Ecke im Garten gewidmet. “Das ist Santa Dosko, nebst seiner Frau Santa Julia und dem Schneemann Hanspeter”, stellt Sabine Gollnhuber das Trio vor. Was der Santa Dosko heuer wohl im Sack hat? Wahlzuckerl? Stimmzettel? Querschüsse?


Jedes Jahr wird der Fokus im Garten auf eine andere, eine neue Figur gelegt. Heuer ist es der kleine blaue Alien Stitch, aus dem Disney-Trickfilm “Lilo & Stitch”, der nächstes Jahr als Realverfilmung in die Kinos kommen soll. Er spielt auf der Hawaii-Insel Kauai. “Im Film geht es um Freundschaft und Familie – das ist eine schöne Botschaft, die perfekt zum Weihnachtshaus passt”, sagt Gollnhuber, die es in ihrem Garten ganz dezent hawaiianisch zugehen lässt. Hin und wieder kriecht Bing Crosbys Weihnachtsklassiker “Mele Kalikimaka” aus den Musikboxen im Garten heraus. Heimliches Fernweh? “Nein, es ist keine Option für mich auf Weihnachten einmal zu pfeifen und ins Warme zu fahren – da würde ich ja das alles hier verpassen.”

Sabine Gollnhuber, Jack Skellington
Die blendend gelaunte Hausherrin Sabine Gollnhuber herzt gerade Jack Skellington, den Kürbiskönig von Halloween Town.
Foto: Heribert Corn

Kindheitsträume

Mit “das alles hier” sind auch die gut hundert Menschen mit gemeint, die unter der Woche täglich vorbeischauen, um sich den Lichter- und Figurenwahnsinn zu geben. Am Wochenende, wenn auch Künstler oder Künstlerinnen auftreten und Konzerte spielen, können es noch mehr werden. Parkplätze sind dann rar. Geht’s ganz blöd her, staut es sich auch. “Wir waren sogar einmal eine Meldung im Ö3-Verkehrsservice. Die Polizei konnte nichts mehr tun. Der Stau musste sich von selbst auflösen”, erinnert sich Sabine Gollnhuber durchaus amüsiert. Was sagen die Nachbarn dazu, wenn die weihnachtliche Hölle los ist? “Wir haben die besten Nachbarn, die man sich vorstellen kann. Sie unterstützen uns, wo sie können”, betont Sabine Gollnhuber und erwähnt, dass es mittlerweile es auch sehr gute Anreisealternativen gibt. Shuttledienste, aber auch Pferdekutschen bringen Besucherinnen und Besucher vom Ortskern zum Weihnachtshaus, das ein wenig abseits auf einem Hügel steht. Man erreicht das Lichtspektakel aber auch ganz gut zu Fuß.


Dort angekommen wird man schnell merken, dass Sabine Gollnhuber eine sehr einnehmende, fröhliche Person ist. Sobald die Sonne untergeht und die Beleuchtung in ihrem Garten angeworfen wird, läuft sie zur Höchstform auf. Figuren, die tagsüber schlaff und luftlos im Garten abhängen, sind dann aufgeblasen. Auch bei eisigeren Temperaturen wuselt die 57-Jährige über ihr Areal, dass einem beim Hinschauen schon wärmer wird. Denn zu übersehen ist die Weihnachtshausherrin nicht. Mit ihrer Weihnachtsmannzipfelmütze und knallrotem Pullover, auf den Micky Maus und Minnie Maus gedruckt sind, sticht sie selbst im gleißenden Lichtermeer noch heraus. Nebenbei unterhält sie Gäste bei Punsch und Frankfurter und ist dabei sehr auskunftsbereit. Etwa, wenn man sie fragt, wie ihr das mit dem Weihnachtshaus passiert ist? Wo die Affinität zu Disney herrührt? Und ob sie sich manchmal denkt, ob da vielleicht nicht doch ein bisschen was aus dem Ruder gelaufen ist? “Meine Schwester und ich haben das Glück, Eltern zu haben, die über die Weihnachtsferien mit uns oft ins Ausland gefahren sind. Wir besuchten als Kinder mehrere Male das Disneyland in Kalifornien und Disney World in Florida. Dort hab ich mich mit dem Weihnachtsvirus angesteckt”, erzählt sie.


So schnell kann’s also gehen. Nach entsprechender Inkubationszeit äußerte sich das Weihnachtsvirus bei der jungen Sabine zunächst einmal im Sammeln von Weihnachtsdekoration. Danach kam aber schon bald der Wunsch, irgendwann einmal ihr eigenes “Weihnachtsdisneyland” aufzuziehen.

Weihnachtshaus voll beleuchtet, Reflexion im Schwimmteich
Still und starr ruht der Schwimmteich hinterm Weihnachtshaus in Bad Tatzmannsdorf.
Foto: Heribert Corn

Leuchtende Charity

Konkreter wurde der Wunsch als die Gollnhubers vor fast 30 Jahren in ihr Haus im Burgenland einzogen. “Es war immer weihnachtlich geschmückt”, erinnert sich Sabine Gollnhuber und erzählt, wie die Sache plötzlich größer wurde. “Als 2010 eine sehr gute Freundin von mir an Leukämie starb, hatten meine Freundinnen und ich die Idee für ihre vier Kinder und ihrem Ehemann eine Charityveranstaltung zu organisieren. Das war der Start der Open Garden Tage.”


Seitdem kommen Menschen aus der ganzen Welt. “Wir hatten schon Leute aus der Ukraine, Syrien, Algerien, Dubai, Norwegen und den USA da”, so Gollnhuber. Und die Besucherinnen und Besucher sind sehr spendenfreudig. Mehr als 300.000 Euro an Reinerlös sind über die Jahre zusammengekommen. Geld, das an unterschiedliche Institutionen geht. Ans Rote Kreuz und die Österreich Tafel zum Beispiel. Aber auch das Kinderhospiz Sterntalerhof, SOS Kinderdorf und das Special Olympics Team erhalten finanzielle Unterstützung. “Mit der Burgenlandschule im Erdbebengebiet von Nepal unterstützen wir sogar ein Projekt im Ausland”, erzählt Sabine Gollnhuber. Es ist ihr ein Herzensanliegen. “Einer meiner zwei Söhne geriet in Nepal in Bergnot und wurde von Einheimischen gerettet, das ist unser Weg, sich dafür zu bedanken.”


Ho, ho, Hochspannung

In den letzten 14 Jahren ist das Weihnachtshaus so zur Sehenswürdigkeit geworden, die weit über Bad Tatzmannsdorf hinaus strahlt. Vorwiegend mit statischem Weißlicht, das nicht so aggressiv ist. Bunte, blinkende Lämpchen werden nur vorsichtig eingesetzt. Das bringt weniger Lichtverschmutzung und triggert nicht so leicht Epilepsieanfälle. Sabine Gollnhuber, die gelernte Tiefbautechnikerin ist und gemeinsam mit ihrem Vater ein technisches Planungsbüro betreibt, ist dabei für die Elektrotechnik verantwortlich und hat sich das Wissen, das es braucht, um ihren Garten zu beleuchten, über die Jahre angeeignet. “Seit dem letzten Jahr fliegt das Christkind bei uns mit Solarstrom”, erzählt sie. Am Dach, wo einst eine Rentierkutsche, ein Geschenk von ihrem Mann zum 40. Geburtstag, montiert war, sind nun Paneele, im Keller drei Speicherbatterien: “Vor der Energiekrise zahlten wir pro Saison rund 2000 Euro Stromrechnung und hatten 2022 eine saftige Nachforderung”, so Gollnhuber. Schnee ist übrigens nicht besonders gern gesehen beim Weihnachtshaus. Er könnte Kurzschlüsse verursachen. Mit einem Laubbläser werden dann die Flocken von den Figuren weggepustet.

Aufblasbare Schwäne, Burgenland-Flagge
Die drei Schwäne haben Glück, dass im Burgenland Gänse auf der Speisekarte stehen.
Foto: Heribert Corn

Rund sechs Wochen, vom ersten Adventwochenende bis zum Dreikönigstag, dauert so eine Saison. Mit dem Aufbau der Figuren wird aber bereits im August begonnen. Zuerst Lampen und Lichterketten, dann die Figuren, die jeweils eine Stunde Aufbauzeit benötigen und am Schluss werden ICS-Vlies und die Easyfloor-Platten verlegt, die den Weg, oder besser den Pfad durch den Garten markieren. Über 12.000 Nägel braucht es dazu. “Wir haben sehr gute Freunde, die uns dabei helfen”, zeigt sich Gollnhuber gleichermaßen glücklich wie dankbar. Sogar Sponsoren gibt es. Das Land Burgenland zum Beispiel, aber auch der Ort selbst steht hinter Gollnhubers Charity-Aktivitäten und mit dem Tiroler Unternehmen MK Illumination hat man auch den Weltmarktführer für Weihnachts- und Festbeleuchtung mit an Board. Das Unternehmen wollte den Garten sogar einmal übernehmen, aber Sabine Gollnhuber hatte eine sehr deutliche Antwort, die beeindruckte: “Nicht für eine Million Euro.”


Und wenn Weihnachten vorbei ist? Dann wird rückabgewickelt. Zuerst werden die Figuren abgebaut, im Haus gewaschen, getrocknet und am Dachboden verstaut. Danach kommen die Lichterketten an die Reihe, werden überprüft und weggeräumt. Das kann bis tief in den Mai hinein dauern. So gesehen ist für Sabine Gollnhuber eigentlich das ganze Jahr über Weihnachten. (Manfred Gram, 21.12.2024)


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