Windschiefe Volksbefragung für ein Windrad-Verbot in Kärnten
Lenkende Worte
Der Stopp neuer Windräder wird in der offiziellen Fragestellung mit dem Schutz von Natur und Landschaft verknüpft. Die Landesregierung ist zwar gegen das Verbot, hat den Wortlaut aber abgesegnet
In zwei Wochen werden die Kärntnerinnen und Kärntner offiziell nach ihrer Meinung zu einem Verbot neuer Windräder befragt. Angestoßen wurde die Volksbefragung von den beiden Oppositionsparteien im Land – der FPÖ und dem Team Kärnten. Die FPÖ mobilisiert ja schon seit längerem gegen die Abkehr von fossilen Energien und den Ausbau von Windkraftanlagen, die sie als “Verschandelung der Natur”geißelt.
Derzeit gibt es in Kärnten 14 Windkraftanlagen, 32 weitere wurden bereits genehmigt oder befinden sich in Genehmigungsverfahren. Die Gegner, darunter auch der Alpenverein, wollen erwirken, dass hinkünftig keine weiteren Windräder dazukommen. Allerdings mag das Ergebnis einer Volksbefragung zwar die politische Stimmungslage beeinflussen, rechtlich bindend ist es nicht.
Eine Besonderheit im südlichsten Bundesland besteht darin, dass bereits ein Drittel der Landtagsabgeordneten eine solche Befragung veranlassen kann. Da FPÖ und Team Kärnten gemeinsam 14 von 38 Abgeordneten stellen, ging sich das bei einer Landtagsabstimmung im Sommer aus.
Ohne Wertungen
Die Landesregierung, bestehend aus SPÖ und ÖVP, musste die Volksbefragung daraufhin anordnen – obwohl beide Parteien für den Ausbau der Windkraft sind. Allerdings schreibt das Gesetz vor, dass die Fragestellung “möglichst kurz, sachlich und eindeutig, ohne wertende Beifügungen” formuliert werden muss. Angesichts dieser Vorgabe sorgt die konkrete Fragestellung, die die Kärntner am 12. Jänner beantworten sollen, für einige Verwunderung. Die lautet nämlich:
Nun lässt sich sprachphilosophisch gewiss lange darüber räsonieren, ob es bei politischen Themen überhaupt so etwas wie eine völlig wertneutrale Fragestellung geben kann. Bei der angegebenen Frage scheint es aber so, dass man diesem Ideal von vornherein nicht allzu nahe kommen wollte. Wie aus dem Framing-Lehrbuch werden zu Beginn der Frage positiv besetzte Bilder in den Köpfen der Adressaten aufgerufen: die unberührte Natur! die schöne Landschaft! Die erste psychologische Intuition wird damit gleich einmal in Richtung eines “Ja” gelenkt – wer will schon gegen die schöne Natur sein?
Verfassungsdienst eingebunden
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser selbst sagte im Oktober zur Kleinen Zeitung, der beschlossene Wortlaut sei aus seiner Sicht “leicht tendenziös”. Auch die im Landtag nicht mehr vertretenen Grünen, die einen zügigen Ausbau der Erneuerbaren wollen, orten eine “Suggestivfrage”.
Warum wurde die von der Opposition ersonnene Frage dennoch von der rot-schwarzen Landesregierung abgesegnet? Ein Sprecher von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) schrieb dem STANDARD am Samstag, der Kärntner Verfassungsdienst sei in die Formulierung eingebunden gewesen und habe diese “als rechtlich zulässig erklärt”. Interessant ist, dass die Fachexperten des Verfassungsdienstes das ursprüngliche von der Opposition vorgeschlagene Wording im Sommer abgelehnt hatten. Das war dem jetzigen recht ähnlich:
Damalige Begründung des Verfassungsdienstes für seinen Einspruch: Es handle sich um eine Suggestivfrage, das Wort “Windkraftindustrieanlagen” sei missverständlich und durch das Wort “geschützt” werde eine Bewertung vorgenommen. In der neuen für zulässig befundenen Fragestellung ist zwar von “Industrie” keine Rede mehr, aber das Verb “geschützt” wurde bloß durch das Nomen “Schutz” ausgetauscht. Weshalb der Verfassungsdienst mit dieser kosmetischen Umformulierung zufrieden gestellt wurde, ließ Kaisers Sprecher auf Anfrage offen.
Ebenso offen sind die politischen Folgen der Befragung. Das Ergebnis werde vom Landtag und von der Landesregierung “in welcher Form auch immer, zu berücksichtigen sein”, ventiliert Kaisers Sprecher eine schwer zu widerlegende Ankündigung.
Breite Allianz für Windrad-Ausbau
Inhaltlich hat Kaiser bereits energisch für ein “Nein” bei der Befragung geworben. Der Ausbau erneuerbarer Energien sei im Sinne des Klimaschutzes notwendig, gerade in den sonnenschwachen Wintermonaten sei die Windenergie für die künftige Versorgungssicherheit essenziell, erklärte Kaiser. Auch der steigende Strombedarf der Kärntner Industriebetriebe spreche für einen Ausbau von Windrädern.
Das sieht die mitregierende ÖVP genauso. Ihr Landeshauptmann-Stellvertreter Martin Gruber betont, dass Kärnten weniger “dreckigen Strom aus dem Ausland” importieren solle. Gruber warnt auch vor “Mythen” der Windkraftgegner: Eine Zupflasterung des Landes stehe keineswegs bevor, Kärnten brauche insgesamt nur rund 100 Anlagen. Der Plan des Landes stufe außerdem bloß 0,26 Prozent der Kärntner Fläche als geeignet für neue Windräder an – konkret sind das sieben Gemeinden im äußersten Nordosten an der Grenze zur Steiermark.
Auch die Institutionen der Sozialpartnerschaft in Kärnten – Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Gewerkschaftsbund und Industriellenvereinigung – haben sich bereits klar gegen ein Verbot neuer Windräder gestellt. Tenor: Die Windkraft sei eine technologisch wichtige Stütze für die künftige Stabilität der Kärntner Energieversorgung. Mitreden dürfen am 12. Jänner alle österreichischen Staatsbürger ab 16, die ihren Hauptwohnsitz in Kärnten haben. Auch Briefwahl ist möglich. (Theo Anders, 28.12.2024)
>read more at © Der Standard
Views: 0