Was macht Sebastian Kurz?

Ambitionen

Manche in der Volkspartei sehen in ihrem ehemaligen Chef den Heilsbringer. Aber Sebastian Kurz hat andere Pläne, eigene Pläne

Sebastian Kurz hat mit der Politik noch nicht abgeschlossen, will die Umstände seines Engagements aber selbst bestimmen.
IMAGO/Robert Schmiegelt

Sebastian Kurz hat mit der Politik definitiv noch nicht abgeschlossen. Er ist 38 Jahre alt, wie er immer wieder betont, und hat noch einiges vor. Auch in der Politik. Wenn er jetzt als Retter der ÖVP ins Spiel gebracht wird, schmeichelt ihm das, er hat zuletzt aber sehr deutlich klargestellt, dass er nicht bereit wäre, als Vizekanzler in eine Regierung unter einem Kanzler Herbert Kickl zu gehen. Das kommt für ihn nicht infrage.


Kurz ist aber ausreichend selbstbewusst, um ein Comeback in der Politik anzustreben. Aber zu seinen Bedingungen und zu einem Zeitpunkt, den er selbst bestimmt. Jetzt, da alles den Bach runtergeht und die ÖVP nicht weiß, wie sie auf die Beine kommen soll und sich einer übermächtigen FPÖ ausgeliefert sieht, ist für Kurz kaum der richtige Moment, wieder in die Politik einzusteigen. Auch wenn er Herausforderungen liebt.


Kurz war von Mai 2017 bis Dezember 2021 Obmann der Volkspartei und führte diese mit zwei Wahlerfolgen ins Kanzleramt: 2017 erreichte die “Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei (ÖVP)” 31,5 Prozent. 2019, nach seiner Absetzung als Bundeskanzler und dem Zusammenbruch der FPÖ nach Ibiza- und Spesenaffäre, schaffte die ÖVP erneut mit ihm als Spitzenkandidaten sogar 37,5 Prozent der Stimmen.


Eigene Liste

Dennoch fühlt sich Kurz seiner einstigen politischen Heimat, der Volkspartei, nur noch wenig zugetan. Für seinen Nachfolger Karl Nehammer, dessen Scheitern bei den Koalitionsverhandlungen er vorausgesagt hatte, hat Kurz nur beschränkt Sympathien. Auch wenn Kurz in der ÖVP nach wie vor glühende Fans hat, fühlt er sich von der Partei insgesamt zu wenig wertgeschätzt. Die Partei habe ihn allzu schnell fallengelassen, viele Landeshauptleute hatten sich von ihm abgewandt – und im Nachhinein seien seine Leistungen und Erfolge zu wenig gewürdigt worden. Es wäre daher naheliegend, dass Kurz sein politisches Comeback mit einer eigenen Liste startet. Und zwar zu einem Zeitpunkt, den er bestimmt und der nicht mit möglicherweise akut anstehenden Neuwahlen zusammenfällt. Derzeit ist gegen Herbert Kickl und die FPÖ kaum anzukommen, das dürfte auch Kurz erkannt haben.

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DER STANDARD

Eine eigene Liste hätte allerdings den Nachteil, dass Kurz nicht auf bestehende Strukturen, insbesondere in den Bundesländern, zurückgreifen kann, und dass es mit der ÖVP einen politischen Konkurrenten gäbe, der ihn auch ein paar Prozentpunkte kosten würde.


Kurz hat jedenfalls ein Netzwerk an Freunden und Vertrauten aufgebaut, das es ihm ermöglichen wird, jederzeit in die Politik einzusteigen und auf die notwendigen Ressourcen für eine Kandidatur zurückgreifen zu können. Auch finanziell wäre ein Antreten wohl kein Problem, Kurz hat in Wirtschaft und Industrie genügend Gönner, die mit ihm sympathisieren und ein politisches Comeback finanzieren würden.


Schwieriges Comeback

Ganz praktisch gibt es jedoch eine Reihe von Problemen, die ein Kurz-Comeback mit sich brächte.


In erster Linie sind das Probleme mit der Justiz. Da wären zunächst die großflächigen Ermittlungen rund um den Verdacht auf Inseratenkorruption, in denen Kurz als Beschuldigter geführt wird. Sie waren auch der Grund dafür, dass der damalige Kanzler im Oktober 2021 zurückgetreten ist.


Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Kurz quasi vor, ein System zur Beeinflussung von Boulevardmedien orchestriert zu haben. Kurz bestreitet das vehement und es gilt die Unschuldsvermutung. Dass sein früherer Verbündeter Thomas Schmid offiziell zum Kronzeugen wurde, ist als Rückschlag für Kurz zu sehen.


Allerdings gibt es, abseits von Schmids Aussagen, keine glasklaren Beweise gegen Kurz. Vielmehr wird er als Nutznießer und als heimlicher Drahtzieher eines korrupten Systems vermutet. Die WKStA müsste ein Gericht von dieser These überzeugen, mit ungewissem Ausgang.


Als Beschuldigter im Gericht

Allerdings wäre schon ein Gerichtsprozess an sich ein Problem: Als Beschuldigter müsste Kurz jeder Verhandlung beiwohnen. Das raubt Zeit, die Optik ist verheerend. Falls er vor einer Anklageerhebung in eine Regierung zurückkehrt und die Ermittlungen dann eingestellt werden, würde sich der Eindruck politischer Interventionen kaum abschütteln lassen – selbst, wenn diese nicht passieren würden. Das könnte Österreich erneut in politische Turbulenzen stürzen.


Eine rechtskräftige Verurteilung wegen Falschaussage im U-Ausschuss wäre wohl ein geringeres Problem. Hier hat das Team Kurz viel Energie darauf verwendet, die Vorwürfe als politisches Geplänkel und Wortklauberei darzustellen.


Ausgang der Verfahren und einer möglichen Kandidatur – ungewiss. Laut aktuellen Umfragen steht Kurz längst nicht so gut da, wie er sich das vorstellt und wie es einmal war. Laut einer aktuell in der Kronen Zeitung publizierten Umfrage sprechen sich nur 22 Prozent für ein Kurz-Comeback aus, 71 Prozent halten eine Spitzenkandidatur für keine gute Idee. Aber wenn man Herausforderungen liebt, kann das auch ein Anreiz sein. (Michael Völker, Fabian Schmid, 5.1.2025)


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