Der Katzenjammer der SPÖ
Rote Gerüchteküche
Die Sozialdemokraten rücken angesichts ihrer neuerlichen Niederlage zusammen – ob Andreas Babler tatsächlich so gefestigt aus den gescheiterten Koalitionsverhandlungen hervorgeht, ist trotzdem fraglich
Im Interview mit dem STANDARD ließ SPÖ-Chef Andreas Babler keinen Zweifel daran, wie die rote Reise in die Opposition weitergehen soll: mit ihm an der Spitze. Man sei in den vergangenen Wochen zusammengerückt, sagte Babler, alle Zwischenergebnisse in den Verhandlungen seien voll abgestimmt gewesen, nie habe er den Eindruck von Uneinigkeit innerhalb der SPÖ-Verhandlerriege gehabt – und die Stimmen von Kritikern nehme er zunehmend als “vereinzelt” wahr. Dem widerspricht derzeit öffentlich niemand – nur Hans-Peter Doskozil, der knapp vor den Landtagswahlen im Burgenland steht, schärfte erneut sein Profil als Babler-Kritiker und riet den Verhandlern, auch die eigene Verantwortung am Scheitern zu überprüfen. Insofern scheint es, als sei innerhalb der SPÖ momentan tatsächlich alles ruhig.
Bablers Eindruck, dass er sicher im Sattel sitze, könnte dennoch ein trügerischer sein. Fragt man an verschiedenen Stellen in der SPÖ nach, hält sich die Zufriedenheit mit Babler und seinem “Umfeld” in engen Grenzen. Und die Kritik geht über das Lager der Doskozil-Fans hinaus. Um es höflich zu formulieren: Dem Eindruck der Neos, Babler habe bisweilen cholerisch, destruktiv oder fahrig agiert und bereits Ausgemachtes wieder verworfen, wird von SPÖ-Insidern zumindest nicht widersprochen. Allerdings, so heißt es auch: Erst der Ausstieg der Neos habe eine Dynamik in Gang gesetzt, die den FPÖ-Fans in der Volkspartei Auftrieb verschafft habe.
“Mehr Leute aus Wien”
Der Wiener Bildungsstadtrat und Neos-Mitverhandler Christoph Wiederkehr sagte im STANDARD-Interview, er habe die Gewerkschaftsvertreter in den Verhandlungen als sehr pragmatisch und konstruktiv wahrgenommen – und er hätte sich im Übrigen gewünscht, es hätten “mehr Leute aus der Wiener SPÖ mitverhandelt”. Eher das Gegenteil sei der Fall gewesen, heißt es.
Die SPÖ habe mit ihren Forderungen nach Steuererhöhungen die beiden anderen Verhandler immer wieder vor den Kopf gestoßen, heißt es aus Verhandlerkreisen. Eine Lohn- und Einkommensteuerquote von 60 Prozent ab 300.000 Euro Jahreseinkommen; ab 7000 Euro Jahreszinsen eine Kapitalertragsteuer (KESt) – die Angaben schwanken hier zwischen 42 und 45 Prozent; zum Schluss seien die Sozialdemokraten mit der Forderung vorgeprescht, Gehalts-(Giro-)Konten besser (die Rede ist von drei Prozent) verzinsen zu wollen. Auch Babler sagt, die SPÖ habe “immer wieder Vorschläge gemacht, wie auch breitere Schultern das Budgetdefizit tragen können” – mit Neos und ÖVP sei aber nichts zu machen gewesen.
Schluss machen ist schwer
Als die Neos schließlich vom Verhandlungstisch aufstanden, war für die roten Verhandlungsführer zunächst auch klar, dass es vorbei ist. Babler und Julia Herr hätten in der SPÖ-Präsidiumssitzung am Freitag dafür plädiert, die Verhandlungen mit der ÖVP ebenfalls abzubrechen – erst nach langen Gesprächen mit den anderen roten Granden habe man umgeschwenkt. So erklärt sich jedenfalls das lange Warten auf Babler beim angekündigten Pressegespräch nach dem Präsidium, das sich immer wieder verschob. Danach hätten Nehammer und Babler telefoniert und eine weitere Verhandlungsrunde zwischen ÖVP und SPÖ noch für Freitag vereinbart. Man habe im Kanzleramt gewartet, sagte auch Nehammer in seinem Podcast. Babler sei jedoch nicht erschienen.
Das Verhandlungsklima in der letzten Runde am Samstag samt dem für die SPÖ überraschenden Auftauchen von Wirtschaftskammer-Generalsekretär Wolfgang Hattmannsdorfer, der sich auch gleich sehr aktiv eingebracht habe, sei jedenfalls nicht mehr vertrauensvoll gewesen, wird auf beiden Seiten erzählt.
In der SPÖ, die Babler selbst geeinter als vor den Koalitionsverhandlungen wahrnimmt, heißt es, der Kreis der Vertrauten und Gefolgsleute rund um den Parteiobmann werde immer enger. Die Skepsis gegenüber Babler, auch, was seine Fähigkeiten als Oppositionsführer betreffe, sei ungebrochen. Dass es vor der Wien-Wahl zum parteiinternen Eklat kommen könnte, wird hingegen bezweifelt. Wiens Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig wünscht nichts mehr als Ruhe in den roten Reihen – und eine Wahl im Herbst: auf dass sich die harte politische Realität einer blau-schwarzen Bundesregierung so richtig entfalten und bei der Wiener Bevölkerung ankommen möge.
Die Hergovich-Karte
Die Frage bleibt, wie es in der mittlerweile so zaghaften SPÖ im Fall des Falles tatsächlich zu einem Wechsel an der Spitze kommen könnte. Die Mitgliederentscheidung, die Babler nach seiner Wahl durchsetzte, erscheint vielen nun als fast unnehmbare Hürde – auch weil wichtige Player, etwa der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser oder eben auch Michael Ludwig, nicht dafür zu haben seien, hier eine aktive Rolle zu spielen.
Bliebe der Weg der Überzeugung. Gleich nach der Wahl soll es SPÖ-intern den Vorschlag gegeben haben, Babler den jungen Sven Hergovich, SPÖ-Chef und Landesrat in Niederösterreich, als geschäftsführenden Parteiobmann zur Seite zu stellen. Das habe Babler strikt abgelehnt, und er sei dabei von der Gewerkschaft gestützt worden. Ob die “Hergovich-Karte” nochmals gezogen werden soll und wie sich die Gewerkschaft dann verhalten würde, wird sich wohl im Laufe des heurigen Jahres herausstellen. Es wäre kühn, zu behaupten, dass sich einige in der SPÖ diese Frage nicht stellen. (Petra Stuiber, 9.1.2025)
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