100 neue Kassenärzte versprochen: 52 sind im Dienst
Türkis-Grün
Unter Türkis-Grün wurde beschlossen, die Zahl der Kassenärztinnen und Kassenärzte mit einer Förderung zu erhöhen. Die Besetzung ist deutlich schwieriger als angekündigt
Welche Rolle die Gesundheitspolitik bei den blau-schwarzen Regierungsverhandlungen spielen wird, bleibt noch abzuwarten. Fest steht aber, dass die Herausforderungen im öffentlichen Gesundheitswesen riesig bleiben. So ist der erhebliche Mangel an Pflegekräften oder Kassenärzten schon jetzt evident. Betroffene Erkrankte, die etwa einen wohnortnahen Hausarzt suchen oder länger auf einen Termin bei einer Vertragsfachärztin warten müssen, können ein Lied davon singen. Strategien, um den Personalengpass zu mildern, brauchen in der Umsetzung aber deutlich mehr Zeit, als die Politik oft verspricht.
So hat die türkis-grüne Bundesregierung bereits im Juli 2023 beschlossen, österreichweit 100 zusätzliche Kassenarztstellen zu schaffen. Als Anreiz für interessierte Ärztinnen und Ärzte in Mangelfächern gibt es einen Starterbonus von bis zu 100.000 Euro für eine Kassenpraxis. Die Regierung unter dem damaligen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hoffte, dass es diese zusätzlichen Ärztinnen und Ärzte bis Ende 2023 geben wird. Dieses Ziel wurde klar verfehlt. Und Mitte 2024 waren auch erst elf Kassenstellen besetzt. Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) wies sinngemäß darauf hin, dass Ausschreibung, Zusage, Ordinationssuche, Personalsuche und Eröffnung der Praxis eben ihre Zeit bräuchten.
69 Kassenstellen besetzt
In den vergangenen Monaten kam in die Umsetzung der politischen Ankündigung aber erheblich mehr Bewegung. Eine Sprecherin der ÖGK teilte dem STANDARD auf Anfrage mit, dass nach aktuellem Stand 52 der 100 zusätzlichen Ärztinnen und Ärzte “bereits mit ihrer ärztlichen Tätigkeit begonnen haben”. 17 weitere Mediziner hätten zudem bereits eine Zusage erhalten – und können starten, sobald Infrastruktur und Personal vorhanden sind. Gerechnet wird mit weiteren Eröffnungen von Praxen noch vor dem Sommer. Insgesamt sind jedenfalls 69 Stellen besetzt. Im Umkehrschluss heißt das, dass noch 31 der versprochenen 100 zusätzlichen Stellen unbesetzt sind.
Die meisten zusätzlichen Kassenpraxen konnten bislang in Niederösterreich und der Steiermark öffnen: Hier wurden jeweils zehn Stellen besetzt. Acht Kassenärztinnen und -ärzte sperrten in Wien und in Oberösterreich ihre Ordinationen auf.
Grundsätzlich ist vorgesehen, die zusätzlichen Arztstellen nach einem Bevölkerungsschlüssel auf Österreich aufzuteilen: Wien hat demnach Anspruch auf insgesamt 22 zusätzliche Kassenärztinnen und Kassenärzte, Niederösterreich auf 19, Oberösterreich auf 17. Vorarlberg wurden zum Beispiel vier Stellen zugeteilt, dem Burgenland drei.
Im besonders nachgefragten Fach Allgemeinmedizin konnten etwa Ordinationen in Hainburg in Niederösterreich, Eugendorf in Salzburg, Lieboch und Götzens in der Steiermark sowie in Bregenz besetzt werden. Im Fach Kinderheilkunde sind es Kassenarztstellen in Großpetersdorf (Burgenland), Altheim und Marchtrenk (Oberösterreich), Schwarzach (Salzburg), Graz und Gratwein-Straßengl (Steiermark) sowie in Wien. Auch Primärversorgungseinheiten (PVE) in Tulln (Niederösterreich), Marchtrenk (Oberösterreich) und Graz profitierten von der Bundesinitiative, hier konnten ebenfalls Stellen besetzt werden. Im Fach Psychiatrie sind es zusätzliche Ärztinnen und Ärzte in Eisenstadt (Burgenland), Baden und Amstetten (Niederösterreich), Linz, Vöcklabruck und Ried (Oberösterreich), Innsbruck (Tirol) sowie Wien.
Schwierige Suche nach Kassenärzten
Bei den verbliebenen 31 zusätzlichen Stellen tut sich die ÖGK offensichtlich deutlich schwerer mit der Vergabe. So konnten fünf Stellen bei einer bereits erfolgten Ausschreibung nicht besetzt werden, weil es entweder keine Bewerbung gab oder Bewerbungen zurückgezogen wurden, wie eine Sprecherin einräumte. Hier könnte es Änderungen beim ausgeschriebenen Fachgebiet oder bei der regionalen Zuteilung geben. Zwei Stellen wurden mangels Interessentinnen und Interessenten noch gar nicht ausgeschrieben. Zwölf Kassenstellen sind für PVEs, Gruppenpraxen beziehungsweise Ambulatorien reserviert: Hier erfolge eine Ausschreibung erst dann, “sobald Interessentinnen und Interessenten konkret einen Vertrag anstreben”.
Abseits dieser zusätzlichen Schiene samt Startbonus von bis zu 100.000 Euro für die Eröffnung einer Praxis gibt es weiterhin reguläre Kassenarztstellen im niedergelassenen Bereich, die derzeit offen sind. Nach Angaben der ÖGK gab es mit Stichtag 1. Oktober 2024 mit Verweis auf den Stellenplan genau 7405 Kassenplanstellen in Österreich. Diese waren “zu 97,8 Prozent besetzt”, wie eine Sprecherin dem STANDARD sagte. Demnach waren rund 163 Kassenplanstellen unbesetzt. Rund die Hälfte der offenen Stellen, konkret sind es 84 Planstellen, entfällt auf das Mangelfach Allgemeinmedizin und damit auf Hausärztinnen und Hausärzte. Andererseits gibt es nach Angaben der ÖGK auch rund 11.000 Wahlärztinnen und Wahlärzte in Österreich. Der Trend zur Privatmedizin hält an: Der Anteil der Wahlärzte hat sich in den vergangenen Jahren laut Gesundheitsministerium deutlich erhöht. (David Krutzler, 13.1.2025)
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