FPÖ-Politiker in heimlicher Aufnahme: Abgeordnete nennen ÖVP “jämmerlich” und Flüchtlinge “Gesindel”

Die Stimmung ist gut im Hinterzimmer eines Gasthauses in Simmering. Über 30 Personen sind der Einladung zum politischen Stammtisch der FPÖ Simmering mit den beiden Nationalratsabgeordneten Harald Stefan und Markus Tschank gefolgt. Es ist der Abend des 8. Jänner 2025. Am Vortag hat Parteichef Herbert Kickl der ÖVP ausgerichtet, wie er sich eine Zusammenarbeit mit der ÖVP vorstellt.

Still aus einem Video von France Télévisions, FPÖ-Stammtisch mit Harald Stefan und Markus Tschank.
Screenshot aus einem Video von France Télévisions, FPÖ-Stammtisch mit Harald Stefan und Markus Tschank.
France Télévisions

“Es war wichtig, denen einmal zu sagen, sie brauchen sich ned deppert spielen”, analysiert Harald Stefan die Pressekonferenz des Chefs. Tschank wird noch deutlicher: Genau genommen gehöre “die ÖVP eigentlich mit einem Regierungsverbot ausgestattet und auf die Oppositionsbank geschickt”, findet er. Und: “Die ÖVP ist natürlich in einem jämmerlichen Zustand. Sie ist machtgeil und möchte natürlich in ihren Positionen bleiben. Und deswegen können wir ruhig die Latte ein bisserl höher hängen, wir können durchaus zeigen, dass wir die stärkere Partei sind, dass wir unsere Inhalte durchsetzen.”


Französische Gäste

Man strotzt vor Selbstbewusstsein und übt vor den Bier trinkenden Mitgliedern die heroische Pose der Sieger. Doch nicht alle, die gekommen sind, um den beiden Juristen Stefan und Tschank zu lauschen, sind aus Simmering, manche nicht einmal aus Österreich. Unter die Stammtischbesucher haben sich nämlich auch drei Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Frankreichs, France Télévisions, gemischt. Die Männer waren zwei Tage lang in Wien und haben per E-Mail und Anrufen versucht, ein Interview mit jemandem aus der FPÖ zu bekommen. Ohne Erfolg.


Am nächsten Tag wird ein Beitrag über die FPÖ in den französischen Nachrichten zur Primetime gebracht, wo auch Szenen aus dem Wirtshaus gezeigt werden. Darin sieht und hört man Markus Tschank, wie er sagt, dass man Migrantinnen und Migranten oder “diese Menschen”, wie sie Tschank nennt, “mit aller Rigorosität, mit aller Staatsgewalt vor die Türe setzen” müsse. Alle. Und Stefan betont, seine Partei habe immer gesagt: “Es muss für diese Leute möglichst unangenehm sein. Dann kommen sie auch nicht, weil das ist der Hauptschmäh.”

Hier die Audiospur mit den brisantesten Aussagen: FPÖ-Abgeordnete schwärmen von EU-Austritt und Abschiebungen
DER STANDARD/France Télévision

Die Journalisten haben dem STANDARD Ton- und Videomaterial, das sie diskret anfertigten, zur Verfügung gestellt. Darauf sind noch zu vielen anderen Themen bemerkenswerte Aussagen von FPÖ-Urgestein Stefan und dem Wiener Anwalt Tschank, der im Zuge der Ibiza-Affäre Bekanntheit erlangte, dokumentiert.


EU und Taliban

Dabei kommt die Europäische Union schlechter weg als das Regime der Taliban in Afghanistan.


“Die ganze Europäische Union ist so ein Wahnsinn. Die erzeugen einen Wust von Gesetzen, die sich zum Teil widersprechen”, hebt etwa Stefan zu einem der von Rechtspopulisten bekannten Darstellungen an. Und während die Koalitionsverhandler der ÖVP nicht müde werden, einen “Öxit” als “rote Linie” zu bezeichnen, sagt Stefan: “Eigentlich müssten wir eh austreten”, nur sei das “keine echte Option”, obwohl “Überwachungsmaßnahmen, die Beschneidung der Meinungsfreiheit” in der EU ein Wahnsinn seien. Man müsse sich “mit anderen zusammenschließen und dagegenhalten, das wird ein harter Kampf, aber man muss ihn führen, deswegen machen wir das Ganze ja”, schließt Stefan.


Immer wieder ist im Hintergrund das Geheule eines Wolfs zu hören: der Handyklingelton eines Stammtischbesuchers.


Stefan gibt weitere düstere Geschichten über die EU zum Besten. 50 bis 100 Mitarbeiter müssten österreichische Unternehmen extra nur dafür beschäftigen, um “irgendwelche Berichte” zu verfassen, zu Dingen wie Diversität und Nachhaltigkeit. Kopfschütteln im Publikum. “Hinter verschlossenen Türen” würde man Dinge in der EU beschließen, fährt Stefan fort. Letzteres empört einen älteren Herren besonders. “Hinter verschlossenen Türen”, fragt er nach. Da relativiert Stefan doch etwas, meint aber, dass die Kommissare nur “durchschnittlich intelligent sind”, und deutet schließlich deren Bestechlichkeit an. “Wenn ich ein Lobbyist bin, dann will ich ja nicht, dass irgendwelche blödsinnigen Wähler etwas verändern können, da will ich mit den 12, 15, 25 Kommissaren reden und sagen: Du, pass auf, deine Familie, da brauchts dir nie wieder Sorgen machen. Keine Ahnung, wie das genau rennt. Aber der Kommissar setzt dann irgendeine Initiative, und dann rennt das”, sagt Stefan wörtlich.


Lobende Worte gibt es dafür für das Regime der Taliban in Afghanistan. Die brutale Unterdrückung von Frauen dort wird ausgespart.

Harald Stefan (FPÖ) während einer Sitzung des Nationalrats im Parlament im Dezember 2024.
Harald Stefan (FPÖ) während einer Sitzung des Nationalrats im Parlament im Dezember 2024.
APA/GEORG HOCHMUTH

“Das ist ja in Afghanistan so. In der Stadt da hat man das ziemlich im Griff. Und wenn sich einer in der Stadt deppert verhält, dann wird er aufs Land gschickt. Da sind dann so regionale Stammeshäuptlinge. Und die haben das dann auch halbwegs im Griff, und wenn dann ana no immer ned spurt, dann wird er nach Europa gschickt. Das heißt, das ist wirklich so, ja, wir kriegen das letzte Gesindel”, erklärt Stefan die afghanische Gesellschaftsstruktur aus seiner Sicht. “A normaler Afghane is ja ned des, was bei uns da herumläuft. Das san ja ordentliche Leut.”


Tschank und Stefan reden verhältnismäßig lange von dem Land und ihren Plänen, den Taliban Geld anzubieten, um Flüchtlinge aus Österreich zurückzunehmen. Er würde “denen” zwar keinen Cent gerne zahlen, sagt Stefan, aber “jeder von diesen messerstechenden Triebtätern da, der nicht mehr in unserem Land ist, das is mir viel Geld wert”.


“Leider im Verfassungsrang”

Stefan meint zu Flüchtlingen allgemein: “Die suchen sich ja aus, wo sie hinwollen. Die Asylwerber sind ja keine echten Flüchtlinge, die sind ja Wirtschaftsflüchtlinge.” Eine Frau wirft ein: “Na, es gibt scho Kriegsflüchtlinge a.” “Aber ganz, ganz wenige”, antwortet Stefan.


Tschank führt aus, dass “aus Marokko und Tunesien” Männer zu “uns” kämen, “weil sie plötzlich draufkommen, dass sie homosexuell sind oder römisch-katholisch und dann aufgehängt oder verbrannt werden, und das hat sich dort verselbstständigt”. Seine Conclusio: “Wenn wir etwas ändern wollen im Migrationswesen, müssen wir anfangen, diese internationalen Verträge, wie zum Beispiel die EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention, Anm.), die leider im Verfassungsrang ist, entweder ganz abzuschaffen, oder man ergänzt sie und macht ein entsprechendes Zusatzprotokoll.” Man habe in Österreich ein “übertriebenes Bewusstsein” für Menschenrechte.


Wirtschaftlich hört Tschank offenbar auf Georg Knill. Der Präsident der Industriellenvereinigung habe ihm gesagt, dass Österreichs Produktivität seit 2015, “sieben bis zehn Prozent abgenommen” habe, obwohl rund eine Million Menschen ins Land gekommen seien, so Tschank. Eine Entwicklung, die die Zahlen von Ökonomen keineswegs hergeben, aber das scheint an diesem Abend niemanden zu stören. Dies sei so, weil man Leute ins Land genommen habe, “die nichts können”.


Das Ende der “Wokeness” und der “Klimawende”, die nur ein “Schmäh” gewesen sei, um “Leute weiter einzuschränken” und “Volkswirtschaften zu ruinieren”, sagt Stefan. Auch dass auf Facebook nun “alle reden dürfen”, freut ihn. Das sei gut für die “Großwetterlage”, wenn Menschen wieder spüren könnten, dass was “normal wird”. Denn “dass es nur Frau und Mann gibt und dass nur die zwei Kinder miteinander bekommen können, das ist ja keine rechtsextreme These, sondern das ist einfach nur normal”, erklärt Stefan.


“Förderungen gestrichen”

Diese “Großwetterlage” werde der FPÖ auch helfen, “wenn man erklärt, wir haben jetzt kein Geld die nächsten drei Jahre, wir können keine Geschenke machen, dann werden die Leute auch verstehen, dass jetzt Förderungen gestrichen werden”, sagt Tschank.


Mit den Aussagen des Abends konfrontiert reagiert die Pressestelle des FPÖ-Klubs für Tschank und Stefan so: “Wir haben anlässlich eines Stammtisches natürlich zum Teil etwas überspitzt formuliert, uns dabei aber auf die tagtägliche Berichterstattung zu Kriminalität und, für große Teile der Bevölkerung undurchschaubarer, Gesetzgebung der EU-Bürokratie sowie weitere inhaltliche Bereiche bezogen, die in der Bevölkerung auf großes Unverständnis stoßen. Ihre Vorhalte sind demgegenüber aus dem Kontext gerissen. Das Publikum kann sowohl die Aussagen als auch die Stilmittel eines Stammtisches richtig einordnen.”


Die Frau aus dem Saal macht sich darüber Luft, dass man “immer gleich ein Nazi” sei, wenn man etwas gegen Migration sage. “Nicht an Zuwanderung interessiert” sei für sie Nazi, sagt sie. Einen Lacher bekommt sie dafür nicht, sonst aber auch nichts. (Colette M. Schmidt, 14.1.2025)


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