FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer: “Mich bringen hier keine 100 Pferde mehr weg”

Wir treffen Norbert Hofer am späten Nachmittag in einem Szenelokal in Eisenstadt. Es dauert nicht lange, bis eine Frau beim Tisch steht und sagt: “Meine Stimme haben Sie schon seit Freitag.” Die hat sie ihm bereits am Vorwahltag gegeben. Während des Gesprächs tauchen in dem noch spärlich gefüllten Lokal immer wieder Personen auf, die Hofer fotografieren, ihm Erfolg bei der Landtagswahl am 19. Jänner wünschen. Oder ihm einfach ungefragt um den Hals fallen.

Norbert Hofer, an einem Tisch sitzend, stützt er den Kopf auf die geschlossenen Hände und lächelt in die Kamera.
Norbert Hofer ist in einem Lokal in Eisenstadt in der Nähe vieler Supermärkte ein gerngesehener Gast.
© Christian Fischer

STANDARD: Werden wir uns wieder wundern, was alles möglich ist?


Hofer: Immer wieder. Ich wundere mich jeden Tag, was alles möglich ist. In der Politik und im zivilen Leben auch. Das war damals meine Antwort auf die Aussage einer Moderatorin, dass ich als Bundespräsident nichts bewegen könnte. Und es zeigt sich ja auch, was Van der Bellen als Bundespräsident alles bewegen musste.


STANDARD: Was sagen Sie zu den Äußerungen, die am 8. Jänner von Parteikollegen in Simmering getätigt worden sind?


Hofer: Ich war lange im Vorsitz des Nationalrats und habe viele Wortmeldungen gehört, die oftmals nicht viel feinsinniger waren, als das, was in Simmering gesprochen wurde. Man kennt meine Art und meine Art zu kommunizieren, die sich davon unterscheidet.


STANDARD: Dominik Nepp beschimpfte den STANDARD, weil er die Geschichte brachte und forderte das Ende der Presseförderung für den STANDARD.


Hofer: Ich hätte diesen Tweet nicht abgesetzt.


STANDARD: Erwarten Sie sich Rückenwind von der Bundespartei und dem allgemeinen FPÖ-Trend für die Landtagswahl?


Hofer: Sowohl bei mir als auch bei Hans Peter Doskozil spielt die Bundespartei nicht so eine große Rolle, weil wir beide als Personen von der eigenen Partei etwas distanzierter betrachtet werden.


STANDARD: Tut es Ihnen sehr leid, dass Parteichef Herbert Kickl seine Termine im Burgenland kurzfristig absagen musste?


Hofer: Es war schade, aber mitten in den Verhandlungen geht das eben nicht.


STANDARD: Es gibt das Gerücht, die Koalition mit der ÖVP nach der Landtagswahl sei schon ausgemacht, wenn sich eine Mehrheit ausgeht.


Hofer: Das ist nicht wahr. Es ist weder mit der SPÖ noch mit der ÖVP eine Koalition ausgemacht. Noch weiß keiner, wie die Wahl ausgehen wird. Hinzu kommt, dass ich mich, unabhängig von der Mathematik, mit einem Partner auf ein Programm einigen muss.


STANDARD: Bei Ihren Wahlkampfveranstaltungen lassen Sie sich gerne als den nächsten Landeshauptmann des Burgenlandes ankündigen – das ginge ja wohl nur in einer Koalition mit der ÖVP.


Hofer: Die Latte ist da sehr hoch gelegt, wenn man die Ausgangsbasis ansieht, von der ich loszulegen hatte. Wie es ausgeht, werden wir sehen.

Norbert Hofer am Tisch sitzend und mit den Händen gestikulierend.
Der Stimmung im Land folgend, dürfte Hofer der große Wahlsieger der Landtagswahl werden und könnte von unter zehn Prozent bei der Wahl 2020 auf weit über 25 Prozent kommen.
© Christian Fischer

STANDARD: Rechnen Sie fix damit, Landeshauptmann zu werden?


Hofer: Ich rechne mit gar nichts fix.


STANDARD: Kritiker sagen, das Burgenland sei nur ein Notnagel für Sie.


Hofer: Das würde ich auch sagen, müsste ich gegen mich antreten. Wahr ist, mich bringen hier keine 100 Pferde mehr weg.


STANDARD: Sind Sie jetzt im Burgenland, weil das Verhältnis zu Herbert Kickl so angespannt ist?


Hofer: Nein. In der Zeit der Übergabe des Parteivorsitzes gab es gewisse Spannungen, aber das ist doch normal. Das ist doch auch in der Familie oft so, wenn man eine Firma weitergibt.


STANDARD: Sind Sie ein Wolf im Schafspelz?


Hofer: Ich bin ein Brückenbauer. Ich bin ja nicht die große Unbekannte, die seit drei Monaten in der Politik ist. Man weiß, dass ich Streit nicht sehr schätze, und auch wenn es in der Politik manchmal die Konfrontation braucht, muss man dabei nicht persönlich werden und jemanden unter der Gürtellinie angreifen.

Norbert Hofer lächelt an der Kamera vorbei.
Norbert Hofer ist bester Laune, wenn er im Interview von anderen Gästen im Lokal unterbrochen und fotografiert wird.
© Christian Fischer

STANDARD: Sie fordern im Landtagswahlkampf den Ausbau des Personenverkehrs auf der Bahnstrecke Oberwart–Friedberg. Das war doch schon damals Thema, als Sie Verkehrsminister waren. Warum haben Sie es damals nicht umgesetzt?


Hofer: Es war alles auf Schiene, bis ein Parteikollege von mir beschlossen hat, auf einer Insel Dinge zu sagen, die keine gute Idee waren. Auch mit Orbán (Ministerpräsident Ungarns, Anm.) gab es schon Gespräche, die Strecke bis Steinamanger (Szombathely in Ungarn, Anm.) wieder zu realisieren. Für mich wäre das eines der wichtigsten Projekte gewesen, weil man von Steinamanger aus ganz viele Punkte in Europa erreichen könnte. Ich würde mir generell ordentliche Schnellbahnverbindungen zwischen den europäischen Hauptstädten wünschen.


STANDARD: Sie wollen auch das Straßennetz in Richtung Ungarn ausbauen, siehe Lückenschluss der A3 bei Klingenbach, und fordern höhere Geschwindigkeitsbegrenzungen.


Hofer: Die A3 ist so heikel, weil sie für wenige Kilometer eine europäische Hauptverkehrsader durchlöchert. Der Verkehr wird fließen – gibt es die Autobahn nicht, dann eben durch die Gemeinden. In Jennersdorf ist man sehr froh, mit der S7 eine Entlastungsstraße zu haben. Wenn wir für eine europäische Einigung sind, brauchen wir diese Verbindung.


STANDARD: Manche sehen im Lückenschluss auch ein Zeichen Ihrer Nähe zu Viktor Orbán.


Hofer: Wenn das die Argumentation der SPÖ ist, dann wird sie dafür keinen Nobelpreis bekommen. Ich kann doch eine Straßenverbindung nicht davon abhängig machen, wer jetzt gerade in einem Land an der Macht ist. Und es geht ja nicht um die Verbindung von Ungarn nach Österreich, sondern um eine lange Verkehrsachse.


STANDARD: Von Orbán distanzieren Sie sich aber nicht?


Hofer: Nein, auch nicht von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig oder vielen anderen. Das Burgenland ist gut beraten, mit seinen Nachbarn freundschaftliche Verbindungen zu pflegen – wer auch immer in diesen Ländern gewählt ist.

Hofer will niemanden ausgrenzen – weder Michael Ludwig noch Viktor Orbán.
© Christian Fischer

STANDARD: Sie fordern die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, deren Abschaffung für Medikamente und Hygieneartikel, die Nullsteuer auf Wasser und Energie. Soll das dann nur im Burgenland gelten, oder wird Herbert Kickl das als Kanzler bundesweit einführen?


Hofer: Das ist ein politischer Wunsch, den ich habe. Wenn man sich jetzt das Budget ehrlich ansieht, dann werden viele dieser Dinge im Moment nicht umsetzbar sein. Aber es ist schon einmal gut, wenn keine Massensteuern erhöht werden.


STANDARD: Sie wollen im Burgenland einen Konvent machen. Wie soll das aussehen, was soll es bringen?


Hofer: Das soll ähnlich stattfinden wie der Österreich-Konvent unter Franz Fiedler, nur mit einer breiteren Öffentlichkeitsverteilung. Es sollen alle wesentlichen Stakeholder an Bord sein, Gemeindevertreter, NGOs, Kammern, Gewerkschaften, Industriellenvereinigung, leitende Beamte und die Wissenschaft – um das Burgenland neu und effizienter zu denken.


STANDARD: Doskozil sagte, er kann nur mit einer Partei koalieren, die sein Pflegemodell mitträgt.


Hofer: Er verspricht, dass in jeder Gemeinde eine Pflegeeinrichtung gebaut wird. Personen, die in der Pflege tätig sind, sind davon geschockt, weil diese Menschen wegen der großen Personalnot schon jetzt permanent einspringen müssen. Selbst wenn wir das Geld für 171 Pflegeeinrichtungen hätten, gibt es das Personal einfach nicht.


STANDARD: Sie wollen in Kooperation mit Niederösterreich regionale Gasvorkommen mittels Fracking im Burgenland erschließen?


Hofer: Wir transportieren Frackinggas aus den USA zu uns. Dort ist die Frackingmethode eine andere. Die hier ist von der Montanuniversität Leoben entwickelt worden, die die Umwelt nicht belastet. Wir können nicht von heute auf morgen aus Gas aussteigen. Es ist schäbig, wenn man sagt, mir ist egal, irgendwo die Umwelt zu verschmutzen, aber ich bin nicht bereit, Gas aus dem eigenen Boden zu holen. Wir haben Gasvorkommen, mit denen wir das Land über viele Jahre versorgen können.


STANDARD: Sie wollen Förderprämien für die “burgenländisch-deutsche Brauchtumspflege”. Welche Rolle spielen demnach die Volksgruppen im Burgenland?


Hofer: Das sind ja die Volksgruppen. Burgenländisch sind ja alle Volksgruppen, die hier vertreten sind.


STANDARD: Burgenländisch-deutsch?


Hofer: Ich habe zum ersten Mal die autochthonen Volksgruppen ins Parteiprogramm schreiben lassen. Wir sprechen automatisch immer von der ungarischen Volksgruppe, den Kroaten, den Roma und so fort. Und es gibt eben auch eine deutsche Volksgruppe, die auch ein Teil des Burgenlandes ist. Das alles ist für mich Brauchtumspflege.


STANDARD: In diesem Zuge wollen Sie auch das Blochziehen wieder reaktivieren. Was soll das Ziehen von Holzstämmen bringen?


Hofer: Das ist eine nette Veranstaltung, die die Dorfgemeinschaft zusammenhält.

Hofer sitzt am Tisch und gestikuliert mit den Händen.
Blochziehen hält Hofer für eine nette Veranstaltung, die unterstützt gehört.
© Christian Fischer

STANDARD: Werden wir Sie im nächsten Bundespräsidentenwahlkampf 2028 wieder als Kandidaten sehen?


Hofer: Das halte ich für fast unmöglich, weil diese Periode im Burgenland fünf Jahre dauern wird, und die werde ich nicht unterbrechen.


STANDARD: Und bei der übernächsten Wahl?


Hofer: Wenn ich zurückschaue, was vor zehn Jahren war, und mir die Politik jetzt anschaue, dann muss ich sagen, darauf kann ich keine seriöse Antwort geben. (Guido Gluschitsch, 16.1.2025)


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