Das sind die blau-schwarzen Ministeranwärter
Regierungsamt
In Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP wird um eine inhaltliche Einigung gefeilscht. Parallel dazu werden potenzielle Ministerämter verteilt. Wer die besten Karten für einen Topjob in der Republik hat
Es ist ruhig geworden rund um die Hofburg. Bald ist es zwei Wochen her, dass Alexander Van der Bellen FPÖ-Chef Herbert Kickl den Regierungsbildungsauftrag erteilt hat. Seither hält sich der Bundespräsident zurück. Oder: Noch hält er sich zurück. Denn Van der Bellen wird das potenzielle blau-schwarze Regierungsteam auf Herz und Nieren prüfen. Damit rechnet man bei den Freiheitlichen sowie auch in der Volkspartei. Daran habe das Staatsoberhaupt in den Vorgesprächen keinen Zweifel gelassen – er habe auch erste Bedenken kommuniziert.
Demnächst soll es so weit sein: FPÖ und ÖVP wollen ihr Personalpaket verhandeln. In beiden Parteien wird darüber längst diskutiert, gestritten, manche Kandidatinnen und Kandidaten bringen sich in Stellung, andere gelten schon jetzt als gesetzt – insofern Van der Bellen seinen Sanctus gibt. Im Jahr 2017 hatte er zwei Freiheitliche als Minister abgelehnt: Johann Gudenus und Harald Vilimsky.
“6 plus 6” plus Kanzler und Vize
Das neue blau-schwarze Regierungsteam soll auf keinen Fall aufgebläht wirken, ist zu hören. Türkis-Grün war neben Kanzler und Vizekanzler mit zwölf Ministerinnen und Ministern besetzt, hinzu kamen vier Staatssekretariate. Die künftige Regierung soll kleiner oder höchstens gleich groß ausfallen. Und um mehrere Ministerien wird ein bitterer Machtkampf der Koalitionäre erwartet. Schon jetzt.
Welche Ressorts wollen FPÖ und ÖVP also für sich gewinnen? Mit welchem Hintergrund? Und wer kommt als Ministerin und Minister infrage? Als Schlüssel wird aktuell “6 plus 6” gehandelt. Soll heißen: sechs Ministerien für die FPÖ, sechs für die ÖVP.
Kanzler wird Herbert Kickl, das steht jedenfalls fest. In der ÖVP zweifelt auch niemand mehr daran, dass der neue Parteichef Christian Stocker den Vizekanzler geben wird. Fraglich ist noch mit welchen Ressorts. Stocker selbst soll sich für die Finanzagenden sowie für das Innenministerium interessieren – die am meisten umstrittenen Ministerien. Freiheitliche zeigen sich hingegen überzeugt, dass die FPÖ beide Ressorts für sich gewinnen werde. Sollte das tatsächlich gelingen, könnte sich Stocker auch auf seine Rolle als Parteichef und Vizekanzler konzentrieren und etwa bloß die Beamtenagenden übernehmen.
In beiden Fraktionen wird davon ausgegangen, dass der Bundespräsident speziell in vier Ressortbereichen aufgrund ihrer Sensibilität ein gehöriges Wort mitreden dürfte: Justiz, Inneres, Äußeres und Europa.
Aufgrund diverser juristischer Affären in der Vergangenheit und Gegenwart auf beiden Seiten hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Justizagenden möglicherweise parteiunabhängig an eine Expertin oder einen Experten vergeben werden könnten. Aber vor allem um den Sicherheitsbereich dürften die Verhandlerinnen und Verhandler ordentlich feilschen. “Ich nehme an, um das Innenministerium wird Kickl so richtig kämpfen – für späte Genugtuung und um es uns zu entreißen und uns zu demütigen”, glaubt ein Konservativer.
Dafür gehandelt wird etwa Reinhard Teufel, Kickls engster Vertrauter, der dem FPÖ-Chef schon in dessen Zeit als Innenminister als Büroleiter zur Seite stand. Oder Susanne Fürst. Die Juristin sitzt als Verfassungssprecherin im Nationalrat und zählt zum engen Kreis Kickls. Teufel könnte Kickl aber auch als Kanzleramtsminister an den Ballhausplatz folgen. Und Fürst wäre auch als Ministerin für Verfassung denkbar, ist in der FPÖ zu hören.
Gut möglich aber, dass das Innenministerium doch in ÖVP-Hand bleibt. Ein gewichtiges Argument dafür hat die Noch-Kanzlerpartei auf ihrer Seite: Der letzte blaue Innenminister, Herbert Kickl, brachte den Verfassungsschutz mit einer rechtswidrigen Razzia einst in eine brenzlige Situation.
In schwarzen Kreisen geht man davon aus, dass man im Gegenzug das Finanzministerium aus den Händen wird geben müssen. Zumal es die Freiheitlichen für sich beanspruchen. Gute Chancen auf ein Ministeramt, so heißt es, habe hier Arnold Schiefer. Der ehemalige Finanzvorstand der ÖBB ist der blaue Mann für Zahlen und Personal und gilt über Parteigrenzen hinweg als kompetent. Als Alternative wird auch Hubert Fuchs, ehemaliger Staatssekretär im Finanzressort, genannt.
Wird das Finanzministerium blau, würde das Wirtschaftsressort wohl an die ÖVP wandern und damit vielleicht zu Wolfgang Hattmannsdorfer. Allerdings hat der Oberösterreicher auch gerade erst sein Amt als Generalsekretär der Wirtschaftskammer übernommen. Landen die Wirtschaftsagenden doch bei der FPÖ, könnte die Mandatarin Barbara Kolm zum Zug kommen, sie war früher etwa Generalrats-Vize bei der Nationalbank.
Die sichere Wahl
Als recht sicher gilt hingegen, dass die ÖVP wieder das Landwirtschaftsministerium bekommen soll. Ministerkandidat ist hierfür Norbert Totschnig, für den sich der mächtige schwarze Bauernbund sowie Tirols Landeshauptmann Anton Mattle einsetzen. “Womöglich sitzt Norbert Totschnig am sichersten im Sessel von allen, auch wenn sich das abseits von Parteilogik schwer erklären lässt”, formuliert es ein Konservativer.
Ebenfalls rechnet man in der Volkspartei damit, die Bildungsagenden zu behalten. Und auch für die bisherige Staatssekretärin Claudia Plakolm zeichnet sich ein Aufstieg ab. Plakolm könnte etwa Susanne Raabs Agenden als Ministerin erben und künftig für Familie und Frauen zuständig sein.
Auch Klaudia Tanner, bisher Verteidigungsministerin, dürfte gute Chancen auf eine Verlängerung haben. Das liege auch daran, dass Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner ein großes Interesse daran habe, dass Tanner in der Bundesregierung bleibe – nicht nur, um dort eine Niederösterreicherin vertreten zu haben, sondern auch, um sich keine potenzielle Konkurrentin zurück ins Bundesland zu holen, ätzen manche in der ÖVP. Sollte das Verteidigungsministerium in den Händen der Volkspartei bleiben, gilt Tanner als sichere Wahl. Das hängt auch davon ab, welche der beiden Parteien im Falle einer Koalition das Innenressort bekommen würde. Beide Ministerien und damit zwei Nachrichtendienste in den Händen einer Partei würde Van der Bellen nicht goutieren.
Sollte ihr Verteidigungsressort doch an die FPÖ wandern, gilt Tanner auch als mögliche Kandidatin für das Landwirtschaftsressort oder gar das Innenministerium. Die FPÖ könnte das Verteidigungsressort etwa mit dem früheren Kärntner Landesparteichef Gernot Darmann besetzen. Als Minister de facto gesetzt gilt auf blauer Seite Generalsekretär Christian Hafenecker. Er könnte die Verkehrs- oder Medienagenden übernehmen. Sein Generalsekretärskollege Michael Schnedlitz wiederum dürfte als Klubobmann im Gespräch sein.
Klubdirektor Norbert Nemeth und Vizeklubchefin Dagmar Belakowitsch – beide sind Teil der blauen Chefverhandlergruppe – werden zwar als Ministerkandidaten ins Spiel gebracht. Wahrscheinlicher ist aber, dass einer von beiden als Volksanwalt nominiert wird – die sechsjährige Amtsperiode der von FPÖ, ÖVP und SPÖ in die Volksanwaltschaft entsendeten Mitglieder läuft im Juni 2025 aus. (Jan Michael Marchart, Katharina Mittelstaedt, Sandra Schieder, 18.1.2025)
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