Doskozil braucht im Burgenland nun einen Partner
Kurz nachdem die erste Hochrechnung im grünen Klub im Landhaus eintrudelt, fließen Tränen. Es war klar, dass es knapp wird, ob sie überhaupt wieder in den Landtag einziehen können. Aber es sind Freudentränen. Obwohl die Grünen 1,2 Prozentpunkte verlieren, erhalten sie 5,5 Prozent und bleiben im Landtag. So richtig lauter Jubel bricht aber aus, als die Prognoserechner bekanntgeben, dass die Grünen ihre zwei Mandate behalten.
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Die Grünen rechneten fix damit, als Juniorpartner der SPÖ in der nächsten Landesregierung vertreten zu sein, sollten sie es überhaupt in den Landtag schaffen und sich mit ihnen eine Mehrheit ausgehen. Die SPÖ kommt laut Hochrechnung auf 46,5 Prozent. Das heißt, sie verlieren nicht nur 3,3 Prozentpunkte, sondern – dramatischer – auch die absolute Mehrheit und brauchen nun einen Partner. Den kann sich SPÖ-Spitzenkandidat und Landeshauptmann Hans Peter Doskozil aussuchen. Denn alle Parteien wollen mit ihm zusammenarbeiten.
Doskozil fiel Stein vom Herzen
Doskozil hat zwar sein eigenes Ziel verfehlt, 18 von 36 Mandaten zu halten, aber es ist ihm gelungen zu verhindern, dass die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP eine Regierung gegen ihn bilden könnte. Dementsprechend gut ist die Stimmung in der Partei. “Das Wahlziel war ambitioniert, und man muss die Umstände beachten”, sagt Doskozil nach der Wahl. “Uns ist allen ein Stein vom Herzen gefallen”, kommentiert er das Ergebnis und erinnert daran, dass 46 Prozent für die SPÖ dieser Tage sehr gut sind.

Die FPÖ gewinnt nach dem Ibiza-Tief bei der Wahl 2020 12,9 Prozentpunkte dazu und kommt jetzt auf 23,1 Prozent. Die ÖVP, 2020 im Kurz-Hoch, verliert 8,2 Prozentpunkte und kommt auf 22,2 Prozent. FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer freut sich über das gute Ergebnis, auf die Einladung der SPÖ zu Gesprächen und verspricht abermals im Burgenland zu bleiben und nicht bei der nächsten Bundespräsidentenwahl anzutreten. Er will allerdings auch nicht Parteichef der Freiheitlichen im Burgenland werden.
In Mandaten heißt das, dass die SPÖ im Landtag 17 Sitze hat, die ÖVP drei verliert und nun acht Mandate hält. Die FPÖ gewinnt fünf Mandate dazu und kommt nun auf deren neun. Zusammen kommen sie also nur auf 17 Mandate. Zu wenig, um Doskozil zu stürzen.

“Partner mit Moral”
Festlegen wollte sich Doskozil später im “ZiB2”-Interview noch nicht. Lediglich dass er sich in einer Regierungspartnerschaft Kompromissbereitschaft erwarte “und dass eine gewisse Moral in der Politik vertreten werden muss”, forderte er ein.
Auf Nachfrage meinte Doskozil, es gehe ihm beispielsweise um das Verhalten bei einem gerichtlichen Konflikt, etwa bei einer Anklage, und dass dies “ein Stück weit anders als auf Bundesebene” laufen müsse. Auf wen er hier anspiele, etwa auf ÖVP und FPÖ, ließ er auf Nachfrage offen. Nach Übereinstimmungen gefragt, sah er diese mit der FPÖ bei Asyl und Migration, bei den Grünen in der Energiepolitik.
“Der Ball liegt jetzt bei Landeshauptmann Doskozil”, sagt die Grüne Anja Haider-Wallner nach der Wahl und bot sich gleich an: “Er kann mit Blau in die Vergangenheit oder mit Grün in die Zukunft gehen. Wir stehen für Gespräche bereit und haben viele Ideen, wie wir das Burgenland lebenswerter machen.”
Knackpunkt in den Verhandlungen dürfte der Standort der Klinik Gols sein. Die Grünen wollen dieses Krankenhaus aus Umweltschutzgründen an einer anderen Stelle gebaut wissen als die SPÖ unter Doskozil.
FPÖ gewinnt unter den Erwartungen dazu
Auch wenn die FPÖ deutlich dazugewonnen hat, ist die Stimmung in der Partei nicht annähernd so gut, wie es die Zahlen hergeben. Zwar gab Norbert Hofer ohnedies nie den Plan aus, eine Koalition gegen Doskozil bilden zu wollen. Aber wenn es sich rechnerisch ausgegangen wäre, hätte es Hofer wohl zumindest probieren müssen. Ein Grund für die gedrückte Stimmung ist, dass man mit mehr Stimmen gerechnet hatte. Zuletzt prognostizierten Politikbeobachter, dass gar die 30 Prozent greifbar wären.
Ganz trist ist die Stimmung bei der ÖVP und ihrem Spitzenkandidaten Christian Sagartz. Die Partei hat zwar mit einem Minus gerechnet, dass es so schlimm wird, hatte niemand angenommen. Nach den herben Verlusten vergisst man am Wahlabend sogar fast darauf, sich Doskozil noch einmal als Partner anzudienen. Wohl weil man davon ausgeht, dass die SPÖ mit den Grünen zusammenarbeiten wird. Der Wahlkampfsager der ÖVP, für eine Wende zu stehen, fand weniger Wähler als auf der anderen Seite die SPÖ, die dafür stand, den erfolgreichen Weg weiterzugehen.
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Vielmehr zeigt das letzte große Projekt, das Doskozil 2024 noch abgeschlossen hat, klar in Richtung der Grünen. Doksozil baute den öffentlichen Verkehr aus und installierte im ganzen Land Anrufsammeltaxis, die mit dem Klimaticket genutzt werden können. Und Doskozil stand gegen den Ausbau der A3. Vor allem die FPÖ forderte, das Autobahnstück in Klingenbach zu Ungarn zu vervollständigen.
Bei den Herzensthemen von Doskozil, Pflege, leistbares Wohnen, Ausbau der erneuerbaren Energie und Mindestlohn, dürften die Grünen auch mitziehen. Wahlentscheidend waren laut einer Wahlmotivbefragung vor allem die Teuerung vor dem Thema Zuwanderung und der Gesundheit. Die Wirtschaftspolitik, die Finanzen, die Beteiligungen des Landes, Themen, die alle Parteien gegen die SPÖ verwendet haben, waren demnach kein wichtiges Wahlmotiv. Viel mehr sahen laut Foresight 48 Prozent eine zumindest eher positive Entwicklung des Landes.
Neos und Hausverstand schaffen es nicht
Die Neos mit Spitzenkandidat Christoph Schneider und die Liste Hausverstand von dem aus der FPÖ ausgeschlossenen Ex-FPÖ-Mandar Géza Molnár schaffen es nicht in den Landtag. Die Neos erhalten zwei Prozent der Stimmen, die Liste Hausverstand 0,7 Prozent.
Wahlberechtigt waren 250.399 Personen. Im Burgenland wurden 31.484 Wahlkarten ausgestellt, deutlich mehr als 2020. 34.267 Wahlberechtigte nutzen die Möglichkeit, ihre Stimme am vorgezogenen Wahltag in der Woche vor dem eigentlichen Wahltag abzugeben. Lag die Wahlbeteiligung 2020 noch bei 74,94 Prozent, gingen heuer 78,4 Prozent aller Burgenländerinnen und Burgenländer zur Wahl. (Guido Gluschitsch, 19.1.2025)
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