Ausstieg aus Sky Shield ist eine Option für die ÖVP

Koalitionsverhandlungen

Die Teilnahme an der europäischen Luftabwehrinitiative war ein Prestigeprojekt der ÖVP. Zur Bedingung für eine Koalition mit der FPÖ erklärt sie Sky Shield aber nicht

Das im Rahmen von Sky Shield favorisierte Raketenabwehrsystem IRIS-T SLM
Österreichs Beteiligung an der European Sky Shield Initiative könnte wieder abgeblasen werden.
IMAGO/Schoening

Die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP gehen in die heiße Phase. Aktuell tagen die fachlichen Untergruppen und eruieren, ob sich Blau und Schwarz nach einem grundsätzlichen Budgetpfad auch bei den inhaltlichen Knackpunkten einigen können. Als einer davon hatte sich im Vorfeld die europäische Luftverteidigungsinitiative Sky Shield abgezeichnet. Österreichs Beteiligung an dem von Deutschland initiierten Projekt, an dem derzeit 21 Staaten beteiligt sind, war ja ein ÖVP-Prestigeprojekt und einer der Eckpfeiler der fünfjährigen Amtszeit der schwarzen Verteidigungsministerin Klaudia Tanner.


Für ihren möglichen künftigen Koalitionspartner war Sky Shield dagegen stets ein rotes Tuch. Einen “Nato-Beitritt durch die Hintertür” und eine “verheerende neutralitätspolitische Entscheidung” witterte FPÖ-Chef Herbert Kickl in der Initiative – auch wenn die meisten Verfassungsjuristen und Völkerrechtler keinen Zusammenhang zwischen einer europäischen Einkaufsplattform für Luftabwehrsysteme und der heimischen Neutralität sahen. Mit ihm als Bundeskanzler werde Österreich jedenfalls aus dem Projekt aussteigen, versprach Kickl.


Tanner gibt sich diplomatisch

Dem Kanzleramt ist der FPÖ-Obmann inzwischen ziemlich nahe gerückt. Und auch bei Sky Shield könnte sich das Blatt noch zugunsten der Freiheitlichen wenden. Sie glaube nicht, dass eine blau-schwarze Koalition am Thema Landesverteidigung scheitern werde, sagte Tanner am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. Entscheidend sei, dass Österreich in der Lage sei, sich zu verteidigen, “natürlich auch in der Luft”. Sie verspüre da “sehr viel Einigkeit” mit der FPÖ. Auf Sky Shield als Koalitionsbedingung will sich die Ministerin hingegen nicht festlegen. Sky Shield würde grundsätzlich die Möglichkeit bieten, Raketensysteme kostengünstiger zu beschaffen. Aber: “Das wird man dann sehen, welche Entscheidungen hier getroffen werden”, gibt sich Tanner diplomatisch.


Selbst im Vorfeld der Wahl hatte die ÖVP – trotz zahlreicher Medientermine, um Österreichs geplante Teilnahme zu promoten – Sky Shield übrigens nie als unabdingbare Koalitionsbedingung genannt.


Nicht alle Blauen sind dagegen

Das Argument niedrigerer Preise bei einer künftigen Raketenbeschaffung im Rahmen von Sky Shield hatte allerdings auch Teile der FPÖ überzeugt. Zum Beispiel den blauen Wehrsprecher Volker Reifenberger. Der Kauf bodengebundener Luftabwehrraketen sei “mit Sicherheit notwendig und militärisch richtig”, hatte er im Vorjahr auf STANDARD-Nachfrage gesagt. Und auch in einer Beschaffung zusammen mit anderen EU-Ländern, wie bei Sky Shield angedacht, sehe er kein Problem. Über eine gemeinsame Plattform günstiger kaufen zu können sei “ja sinnvoll”. Nicht infrage komme für ihn nur ein “gemeinsamer Betrieb”. Den hatte das Verteidigungsressort allerdings ohnehin stets ausgeschlossen.


Reifenberger führt nun auf freiheitlicher Seite die Koalitionsverhandlungen in der am Donnerstag erstmals tagenden Untergruppe für Landesverteidigung – und sitzt dort Tanner aufseiten der ÖVP gegenüber. Dem Vernehmen nach ist Kickls rigide Ablehnung von Sky Shield kein unumstrittener Konsens in der FPÖ. Aufgrund der scharfen Aussagen des Parteichefs müssten die Freiheitlichen im Falle einer blauen Zustimmung allerdings einigermaßen kreativ werden. Beim aktuell stark eingeschränkten Bewegungsspielraum der ÖVP könnte das aber hinfällig werden.


Klaffendes Budgetloch

Rechtlich gibt es jedenfalls keine Hindernisse, um aus den Sky-Shield-Plänen auszusteigen. Die bisher von Tanner unterzeichneten Papiere haben den Charakter von Willensbekundungen. Juristisch bindend ist da nichts, Kaufverträge wurden noch keine unterzeichnet.


Für die ÖVP läge die vielversprechendste Argumentationslinie im Falle eines “Einknickens” wohl im klaffenden Budgetloch, das über die kommenden Jahre noch etliche Milliarden an Einsparungen erfordert. Die für Sky Shield veranschlagten rund sechs Milliarden Euro – zumindest vorläufig – zu streichen wäre da durchaus ein Faktor. Selbst wenn die Beschaffung von Luftabwehrraketen dann langfristig sogar teurer käme. (Martin Tschiderer, 21.1.2025)


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