Hitzige Debatte im Gemeinderat über Wien-Wahl am 27. April, Grübeln bei den Kleinparteien

Run auf den Stimmzettel

Das Stadtparlament beschloss die Vorverlegung einstimmig – und übte sich in Wahlkampf. Parteien ohne Mandat bleibt bis Ende Februar Zeit, um Unterstützungserklärungen zu sammeln

Heinz-Christian Strache
Der ehemalige Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache plant einen weiteren Anlauf, in den Wiener Gemeinderat einzuziehen. Noch laufen aber auch Ermittlungsverfahren gegen Strache, etwa in der Causa Casinos oder der FPÖ-Spesenaffäre. Es gilt die Unschuldsvermutung. In Verfahren rund um die Asfinag oder den Privatkliniken-Finanzierungsfonds Prikraf wurde Strache zuletzt freigesprochen.
APA/EVA MANHART

Der Beschluss ist war eigentlich reine Formsache. Verstimmungen löste er im Wiener Rathaus dennoch aus. Bevor der Gemeinderat am Dienstag die bereits verkündete Vorverlegung der Wien-Wahl auf 27. April fixieren konnte, brauchte es eine Präsidiale. Der Grund: Weil den Oppositionsparteien der Text des rot-pinken Antrags nicht passte, drohten sie mit eigenen Anträgen. Das gefiel wiederum den Regierungsfraktionen nicht, man traf sich zu Aussprache. Das Ergebnis: Ein gemeinsamer Antrag aller fünf im Gemeinderat vertretenen Parteien.


Mit der Einigkeit war es das dann aber. Die Ansprache von Neos-Klubchefin Bettina Emmerling war von lautstarkem Protest aus den blauen Reihen untermalt. Grünen-Spitzenkandidatin Judith Pühringer redete gegen eine konternde ÖVP an. Sogar Bürgermeister Micheal Ludwig (SPÖ) fühlte sich zu spontanem Einspruch gegen Aussagen von FPÖ-Chef Dominik Nepp animiert. Der Wahlkampf, der hat an diesem Dienstag deutlich Fahrt aufgenommen.


“Hätten’S das doch dem Herrn Babler gesagt”

“Das Vertrauen in Sie ist erschüttert, Herr Bürgermeister”, eröffnete Nepp die Debatte. Er warf Ludwig vor, die Öffentlichkeit über den vorgezogenen Termin zu lange im Unklaren gelassen zu haben. Der Stadtchef flüchte sich angesichts von “16 Millionen Euro Rekordschulden” in vorgezogene Wahlen, das sei der wahre Grund für den Termin im April.


Neos-Klubchefin Bettina Emmerling versicherte, dass die Vorverlegung “nicht leichtfertig” entscheiden wurde – auch wenn sie “vielleicht etwas plötzlich” gekommen sei. Die sich abzeichnende blau-schwarze Bundesregierung wolle “Wien schädigen”, denn: Eine liberale Stadt sei eben deren größte Feindin. Die Wien-Wahl vorzuziehen, sei richtig: “Unser Anliegen ist ein kurzer, ehrlicher, fairer Wahlkampf. Das sei besser möglich mit einem Wahltermin im Frühjahr als in neun Monaten.


Grünen-Spitzenkandidatin Judith Pühringer teilte aus: besonders viel gegen FPÖ und ÖVP, deutlich gegen die Neos, am wenigsten gegen die SPÖ. Die Volkspartei mache Herbert Kickl die Räuberleiter ins Kanzleramt, kritisierte sie. Und den Pinken richtete sie aus: “Es gibt keine Bildungsreform, es gibt eine Bildungskrise – das ist Ihre Bilanz in Wien.”


Die Verantwortung für den Regierungsbildungsauftrag an Kickl sah ÖVP-Chef Mahrer an ganz anderer Stelle: bei der SPÖ. “Es ist grotesk Herr Bürgermeister, wenn Sie sagen, Sie würden eh weiterverhandeln. Hätten’S das doch dem Herrn Babler gesagt!” Die SPÖ zeichne nun ein “Drohszenario über eine Bundesregierung, die es noch gar nicht gibt” und spiele den Retter. “Sie haben die Glaubwürdigkeit verspielt”. Die Neos sind für Mahrer eine “SPÖ-Vorfeldorganisation”.


Arbeitseifer zu vermitteln war die Aufgabe des roten Klubchefs Josef Taucher. “Es wird weitergearbeitet”, versicherte er. Denn die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte blieben trotz Auflösung des Gemeinderats am Dienstag weiter im Amt. “Wir werden wahrscheinlich sogar noch eine Sitzung einschieben.” Bürgermeister Ludwigs Ziel ist, am 27. April ähnlich wie bei der vergangenen Wien-Wahl abzuschneiden. Die rund 42 Prozent von 2020 nannte im Gespräch mit dem STANDARD “außerordentlich gut”: Es sei diesmal “schwer genug, an dieses Ergebnis heranzukommen”.


Frist für Unterschriften bis 28. Februar

Beschlossen wurde der Wahltermin 27. April schließlich einstimmig – für eine Mehrheit gebraucht hätte es nur die Stimmen von Neos und SPÖ. Nun muss der Wahltag noch im Amtsblatt ausgeschrieben und ein Stichtag festgelegt werden. Voraussichtlich wird das der 28. Jänner sein, teilt das Büro des zuständigen Stadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ) mit. Relevant ist der Stichtag etwa dafür, wer wahlberechtigt ist.


Für Kleinparteien beginnt mit der Wahlausschreibung ein Sprint, denn ab da können sie Unterstützungserklärungen sammeln. Nicht im Gemeinderat vertretene Listen benötigen in jedem der 18 Wahlkreise 100 Unterschriften, um auf Wien-Ebene kandidieren zu können. Für die Bezirksvertretungswahl gibt es eine Hürde von 50 Unterschriften je Bezirk, sofern eine Partei dort keinen Sitz hat. Eingereicht werden müssen die Unterstützungserklärungen laut Wahlordnung bis spätestens am 58. Tag vor dem Wahltag – also bis 28. Februar. Einige Kleinparteien und Listen haben bereits angekündigt, es zu versuchen.

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APA/MAX SLOVENCIK


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