ÖVP-Generalsekretär Pröll: “Wir fürchten uns auch nicht vor Neuwahlen”
Alexander Pröll ist ein ungewöhnlicher ÖVP-Generalsekretär – und auch kein Pröll, wie man ihn kennt. Generalsekretäre der ÖVP werden oft als bissige “Kettenhunde” der Partei bezeichnet. Pröll hingegen definiert sich als “empathisch”, er sei ein “grenzenloser Optimist”. Sein Vater Josef Pröll und sein Großonkel Erwin Pröll galten als selbstgewisse Machtpolitiker. Alexander Pröll legt seinen Job offenbar anders an – zumindest derzeit. Am 5. Jänner wurde er zum Parteimanager bestellt. Er wolle die ÖVP “schlagkräftig und innovativ” aufstellen.
Pröll nimmt am Besprechungstisch seines Büros in der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse Platz. Es sei eines seiner ersten Interviews überhaupt, hält er fest.
STANDARD: Empfinden Sie die öffentlichen Auftritte von FPÖ-Chef Herbert Kickl zuletzt als Demütigung?
Pröll: Meine neue Funktion ist eine Herausforderung, weil es keine leichte Zeit für die ÖVP ist, das sage ich ganz ehrlich. Nichtsdestotrotz haben wir als Volkspartei eine Verantwortung für Österreich, die nehmen wir wahr. Jede andere Partei muss sich selbst überlegen, wie man mit Verantwortung umgeht.
STANDARD: Erste Statements von Kickl wurden von vielen als Aufforderung an die ÖVP zur Unterwerfung verstanden. Von Ihnen nicht?
Pröll: Nein, von mir nicht. Es geht jetzt aber auch nicht um Befindlichkeiten, sondern um das Land.
STANDARD: Auch Kickl geht es nicht um Befindlichkeiten, er möchte keinen Zweifel daran lassen, wer künftig das Sagen hat: nämlich er.
Pröll: Verhandlungen können nur auf Augenhöhe geführt werden. Die Alternative wären Neuwahlen. Die sind die letzte Option. Wir fürchten uns aber auch nicht vor Neuwahlen.
STANDARD: Sie sind Teil der Chefverhandlergruppe der ÖVP. Tritt Kickl Ihnen in den Verhandlungen auch so dominant und skeptisch gegenüber wie öffentlich?
Pröll: Auf beiden Seiten ist Misstrauen da. Es war ein harter Wahlkampf. Jetzt gilt es, Vertrauen aufzubauen.
STANDARD: Vertrauen lässt sich nicht erzeugen, das braucht Zeit.
Pröll: Das stimmt. Aber wir erleben schon einen Unterschied zu den Dreierverhandlungen. Bei der SPÖ haben wir irgendwann klar gemerkt, dass sie nicht wollen. Auch abseits von Vermögensteuern wurden ständig neue Hürden aufgebaut, durch die es am Ende nicht möglich war, dass wir uns einigen. Bei der FPÖ habe ich immerhin das Gefühl, dass ein ernsthaftes Interesse besteht.
STANDARD: Wann wird Blau-Schwarz also stehen?
Pröll: Wichtig ist, dass wir jetzt ehrlich, konstruktiv und vertraulich verhandeln – ob und wann wir fertig werden, kann ich nicht sagen. Aber wenn, soll es zügig gehen.
STANDARD: Die SPÖ wirft Ihrer Partei vor, dass Sie lieber einem Rechtsradikalen an die Macht verhelfen, als mit der SPÖ eine Bankenabgabe einzuführen. Das mag die Verhandlungssituation simplifizieren, aber hat das Argument nicht einen kaum zu leugnenden wahren Kern?
Pröll: Man sieht es doch jetzt: Die SPÖ Wien hat die Wahl vorgezogen, um gegen Blau-Schwarz kampagnisieren zu können. Die glauben, davon profitieren zu können. Teile der SPÖ hatten nie ernsthaft Interesse daran, eine Regierung zu bilden. Daran sind die Verhandlungen gescheitert.
STANDARD: Die ÖVP wird das Kanzleramt abgeben müssen. Man hört, auch das Finanzministerium soll an die Freiheitlichen gehen. Umkämpft ist das Innenministerium. Kann es aus Ihrer Sicht an die FPÖ gehen?
Pröll: Da kann ich den Verhandlungen nicht vorgreifen.
STANDARD: Aber da geht es doch um eine Grundsatzfrage. Im Innenministerium ist der Nachrichtendienst beheimatet, der – so kritisierte es auch laufend die ÖVP – einst von Kickl als Innenminister mit einer illegalen Razzia zerstört wurde. Das war der Grund, warum Sie Kickl immer als Sicherheitsrisiko bezeichnet haben. Und jetzt können Sie sich nicht festlegen?
Pröll: Wir haben als ÖVP drei inhaltliche Pflöcke eingeschlagen, die uns in den Verhandlungen als Grundlage dienen: Österreich muss ein verlässlicher und konstruktiver Partner in der Europäischen Union bleiben. Gleichzeitig muss die Souveränität gegenüber Einflussnahme aus dem Ausland – insbesondere Russland – gewährleistet sein. Außerdem werden wir Rechtsstaat und Demokratie hochhalten. Wenn ich Kickl richtig verstanden habe, hat er das alles als Fundament akzeptiert. Daher denke ich, dass wir auch in der Frage nach dem Innenministerium zu einer Übereinkunft kommen werden.
STANDARD: Ich nehme an, Sie würden sich als aufrechten Demokraten bezeichnen. Verstehen Sie die Sorge um die Demokratie, die ja auch bei einigen in Ihrer Partei besteht?
Pröll: Demokratie bedeutet eben auch, dass die FPÖ die Wahl gewonnen hat. Kickl ist jetzt dafür verantwortlich, eine Regierung zu bilden. Wir verwehren uns dem nicht. Die Demokratie lebt.
STANDARD: Sie verstehen die Sorge also nicht?
Pröll: Doch, aber es gibt Checks and Balances, sodass sich von heute auf morgen auch nicht alles ändern kann.
STANDARD: Es werden gerade wieder sogenannte Einzelfälle bekannt. Finden Sie, ein Politiker muss zurücktreten, wenn er sich in sozialen Medien dafür rühmt, an Hitlers Geburtstag Eiernockerln, dessen angebliche Leibspeise, gegessen zu haben?
Pröll: Diese Frage müssen Sie der FPÖ stellen. Unser Parteiobmann Christian Stocker hat klargestellt, dass wir nicht die Nanny der Freiheitlichen sind. Jeder ist für sein Verhalten selbst verantwortlich.
STANDARD: Wo ist für Sie eine moralische Grenze erreicht, die Politiker in Richtung Rechtsextremismus nicht überschreiten dürfen?
Pröll: Jede Form von Extremismus ist gänzlich abzulehnen – egal ob er von links oder von rechts kommt.
STANDARD: Ihr früherer Parteichef Karl Nehammer hat einmal gesagt: Der Generalsekretär der ÖVP ist “das Schild und das Schwert” der Partei. Fühlen Sie sich schon wie im Krieg?
Pröll: Ich habe es nicht so mit Kampfbegriffen. Vielmehr bin ich ein grenzenloser Optimist und ein empathischer Mensch. Klar ist aber auch, dass ich mich natürlich wehren werde, wenn es zu Angriffen gegen die Volkspartei kommt, und sie entsprechend verteidige.
STANDARD: Die ÖVP muss sich gerade neu definieren. Wofür steht die Volkspartei unter Christian Stocker?
Pröll: Wir sind eine weltoffene Partei mit festen Wurzeln. Der Fokus liegt auf dem Individuum und nicht auf dem Kollektiv. Unter Christian Stocker werden Besonnenheit und Klarheit herrschen. Unsere beiden großen Themen sind Verantwortung und Leistung.
STANDARD: Im Wahlkampf wollte die ÖVP auch noch das Thema “Sicherheit” für sich beanspruchen. Geben Sie das auf, nachdem die FPÖ hier ohnehin die Themenführerschaft hat?
Pröll: Wir sind natürlich auch weiterhin die Sicherheitspartei. Sicherheit geht zudem auch mit Wohlstand einher.
STANDARD: Denken Sie, unter Blau-Schwarz würde sich die Sicherheitslage in Österreich verbessern?
Pröll: Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie selbst zu gestalten.
STANDARD: Noch kurz zu Ihnen als Person: IhrVater Josef Pröll war einst Vizekanzler, Ihr Großonkel Erwin Pröll der mächtige Landeshauptmann Niederösterreichs. Sie wurden in der christlich-sozialen ÖVP sozialisiert, sind aber selbst unter Sebastian Kurz politisch aktiv geworden. Wo verorten Sie sich innerparteilich?
Pröll: Ich verstehe mich als bürgerlichen Mitte-rechts-Politiker. Als Generalsekretär möchte ich die ÖVP schlagkräftig und innovativ aufstellen. Wir brauchen direkte Kommunikation, klare Botschaften und wollen moderner im Auftritt werden.
STANDARD: Karl Nehammer war zuerst ÖVP-Generalsekretär und wurde später Parteichef. Christian Stocker war Generalsekretär und ist jetzt Parteichef. Was haben Sie denn noch vor?
Pröll: Ich konzentriere mich immer auf meine aktuelle Position und das zu 120 Prozent. (Katharina Mittelstaedt, 23.1.2025)
>read more at © Der Standard
Views: 0