Welle rechtsextremer Übergriffe in Wien

STANDARD-Watchblog

Zeitgleich taucht eine neue Neonazi-Generation auf. Kennzeichen: sehr jung und auf Gewalt fixiert

Rechtsextreme provozieren bei einer antifaschistischen Demonstration in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Ein verwüstetes Lokal der Sozialistischen Jugend, Hakenkreuzschmierereien, ein Übergriff auf einen orthodoxen Juden oder Neonazis, die auf “Antifa”-Jagd gehen oder Gäste eines queeren Cafés bedrohen: In Wien kommt es seit einigen Monaten zu einer Welle rechtsextremer Überfälle und Provokationen. Parallel dazu taucht eine neue Generation von Rechtsextremen auf.


Sie tragen Bomberjacken, Stiefel und Glatze, nennen sich “Defend Austria”, sind auffallend jung, und ihr ganzes Gehabe ist auf Gewalt ausgerichtet. Aus dem Schatten trat diese neue Generation von Rechtsextremen erstmals im Sommer des vergangenen Jahres. Schwarz vermummt marschierten sie bei der “Remigrationsdemo” der Identitären in Wien mit. Samt “Defend Austria”-Transparent.


Mobilisierung im Netz

Zeitgleich legten sie auf Telegram, Tiktok, X und Instagram los. Rassismus und Hetze gegen queere Personen ist auf ihren Kanälen und in ihren internen Chats ebenso zu finden wie Mobilisierungsaufrufe, Drohungen und Gewaltfantasien gegen Antifaschisten und Antifaschistinnen. Das kommt offensichtlich an. Binnen weniger Wochen konnten sie weit über 1000 Follower auf Tiktok und Telegram einsammeln, darunter auch Minderjährige.


Viele Beiträge im Netz zeigen eine Nähe und Bewunderung gegenüber der FPÖ und deren Parteichef Herbert Kickl. “Wenn wir jetzt nicht handeln und die richtigen Entscheidungen treffen – auch an der Wahlurne – werden wir zur Fremde in unserem eigenen Land. Die Zeit zum Handeln ist gekommen, und die Verantwortung ruht auf uns”, war etwa auf Telegram vor der Nationalratswahl im vergangenen September zu lesen. Dazu werden Videos mit Reden Herbert Kickls verbreitet.


Mit Messern bei der Pro-FPÖ-Demo

Die extrem hohe Gewaltaffinität der Gruppe zeigte sich nicht nur bei der Gefolgschaft im Netz, die auf Instagram mit Sturmgewehren sowie der SS-Symbolik posiert, sondern auch bei einer Pro-FPÖ-Demonstration Ende November in Wien. Dort rief das martialische Auftreten der “Defend Austria”-Aktivisten und -Aktivistinnen die Polizei auf den Plan, bei Durchsuchungen wurden unter anderem mehrere Messer und eine Schreckschusspistole bei ihnen gefunden. Dabei war auch der Wortführer der Gruppe, der sich im Netz “Alphois” nennt.

Video zeigt militante Neonazis bei der Pro-FPÖ-Kundgebung.

Nach der Demonstration kam es zu einem Übergriff auf einen orthodoxen Juden. Der 17-jährige Angreifer war zuvor auf der Pro-FPÖ-Kundgebung gewesen. Fotos und Videos zeigen ihn gemeinsam mit Mitgliedern der Tanzbrigade, in der sich Rechtsextreme aus dem Hooligan-, Rocker- und Kampfsportmilieu sammeln. Die Übergänge zwischen “Defend Austria”, der Tanzbrigade und deren Ableger “Division Wien” sind fließend. Manche der Rechtsextremen sind dort zu finden, wo es “Action” gibt.


Antifa-Demo gestört

Das zeigte sich nur wenige Tage nach der Pro-FPÖ-Demonstration. So tauchten junge Männer aus dem Umfeld von “Defend Austria” bei einer antifaschistischen Kundgebung in Wien auf, um zu provozieren. Es war jedoch nur ein kurzer Auftritt, da ihnen von den Demonstrierenden klargemacht wurde, dass sie auf der falschen Veranstaltung sind.

Der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek wird von Ronald F. Schwarzer begrüßt, der im vergangenen Jahr mit FPÖ-Leuten nach Afghanistan reiste, wo man von den Taliban die Freilassung des Rechtsextremisten Herbert Fritz erbat.
Foto: Markus Sulzbacher

Die Demonstration im fünften Bezirk richtete sich gegen ein Treffen der Strippenzieher der sogenannten Neuen Rechten. Beschützt von einem großen Polizei- und Verfassungsschutzaufgebot, waren Identitären-Anführer Martin Sellner und der rechtsextreme Ideologe Götz Kubitschek zu einem Vortrag des AfD-Politikers Maximilian Krah in den Alten Ferdinandshof gekommen. Es war eines der wichtigsten Treffen der Szene im vergangenen Jahr.

Protest gegen das Treffen der Rechtsextremen in der rechten Eventlocation Ferdinandhof.
Foto: Markus Sulzbacher

In den vergangenen Monaten versuchten Mitglieder von “Defend Austria” immer wieder Demonstrationen zu stören, etwa in Linz. Selbst hielten sie eine Kundgebung in Graz ab, eine Demonstration am Wahltag wurde nach Presseberichten darüber wieder abgesagt.


“Tag der Ehre” in Budapest

Während die jungen Rechtsextremen an die Öffentlichkeit drängen, bleiben jene Neonazis im Schatten, die seit Jahren aktiv sind und im Umfeld der neonazistischen Hasswebsite “Alpen-Donau-Info”, kurz “Adi”, zu finden waren. Sie nennen sich unter anderem “Sozialismus jetzt” oder “Gruppe für Sport und Technik” und treten im Netz klandestin auf.


Aktuell mobilisiert die Gruppe den sogenannten “Tag der Ehre” am 8. Februar in Budapest. Seit 1997 treffen sich in der ungarischen Hauptstadt Rechtsextreme, um bei einem Aufmarsch die deutsche Wehrmacht, Einheiten der Waffen-SS und ihre ungarischen Kollaborateure zu glorifizieren.

Video vom Aufmarsch in Budapest 2024.

Von Anfang an ist diese Veranstaltung ein bedeutendes Ereignis für die rechtsextreme Szene in Europa und dient zugleich als Plattform für deren Vernetzung. Im vergangenen Jahr nahmen die Köpfe der “Gruppe für Sport und Technik” an dem Aufmarsch teil, wie ein Video von Democ zeigt.


Gute Kontakte unterhalten die österreichischen Rechtsextremen zur deutschen Neonazi-Partei “III. Weg”. Jüngst wurde gemeinsam eine Kampagne gegen das NS-Verbotsgesetz in Österreich gestartet. (Markus Sulzbacher, 23.1.2025)


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