Erst gefeiert, jetzt bedroht: “Held von Villach” muss um seine Sicherheit fürchten

Exklusiv

Der mutige Syrer A., der den Villacher Messerattentäter umfuhr und dazu mit voller Namensnennung interviewt wurde, erwägt, die Wohnung zu wechseln

Blumen und Kerzen am Tatort des Messerattentats in Villach am Sonntag, 16. Februar 2025.
Tatort des Messeranschlags von vergangenem Samstag in Villach: Ohne A.s beherztes Einschreiten hätte es wohl weit mehr Opfer gegeben.
Foto: APA/Peter Lindner

A. ist der “Held von Villach”, ein mutiger und entschlossener Mensch. Seinem Eingreifen am vergangenen Samstag, als ein syrischer IS-Anhänger im Zentrum der Stadt an der Drau auf Menschen einstach – und dabei einen 14-jährigen Burschen tötete sowie sechs weitere Personen verletzte – ist zu verdanken, dass nicht noch mehr Geschädigte oder gar Tote zu beklagen sind.


Dafür wurde der 41-jährige Syrer, der den Attentäter mit seinem Auto rammte und umwarf, bedankt und gelobt – vom Innenminister bis zur Kärntner Polizeipräsidentin. Er wurde im Fernsehen interviewt und in anderen Medien zitiert, mit Bild und ganzem Namen. Sein Beispiel zeige, “wie eng Böses, Terroristisches, aber auch Humanes, Gutes, in ein und derselben Staatsangehörigkeit, hier bei uns in Österreich lebend, beieinander liegt”, sagte der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ).


Jetzt, nur wenige Tage später, ist für A. alles anders. Das Feiern ist für ihn fürs Erste vorbei: Er wird massiv bedroht. A. benötigt dringend Hilfe, für sich und für seine Familie.


Islamisten schwören Rache

Die Drohungen starteten bald nach den ersten Interviews, die via Fernsehen, Print- und sozialen Medien verbreitet wurden. Sie kamen über soziale Plattformen: Islamisten, die sich in der Anonymität verschanzen, kündigten dem Syrer Rache an. “Da meldet sich zum Beispiel auf Facebook ein Gunther. Erst auf Deutsch mit einem Dank. Dann wechselt er auf Arabisch und beginnt zu drohen”, schildert O., A.s Freund. A., so sagt er, lebe nun in Furcht. Seit dem Wochenende gehe er nicht mehr arbeiten, auch seine Familienmitglieder blieben seitdem zu Hause. Telefonisch ist er nicht mehr zu erreichen.


Dass die Drohungen ernst zu nehmen sind – darüber ist sich O., der ebenfalls Syrer ist, im Klaren: “Wir kennen diese Leute aus dem eigenen Land”, sagt er: “Sie sind gefährlich.” Hinzu komme die Enge der syrischen Community in Kärnten, die Anonymität verunmögliche. Jeder kenne jeden. “Auch der Attentäter ist mir vom Sehen her bekannt. Erst vor zwei Wochen sind wir auf der Straße aneinander vorbeigegangen. Ich hätte niemals angenommen, dass er sich zum radikalen Islamisten entwickelt hat.”


Syrer fordern Schutz für A.

A. könne nun nicht so weiterleben wie bisher, sagt O.: “Auf alle Fälle muss er umziehen.” Wegen einer neuen Wohnung würden beide in den kommenden Tagen beim Villacher Bürgermeister vorsprechen. Vielleicht wäre es aber noch besser, wenn A. Kärnten verließe. Auch Abdulhkeem Alshater, Obmann der Freien Syrischen Gemeinde Österreich, fordert Hilfe für A.: “Die Polizei muss ihn schützen und jene Bedingungen schaffen, unter denen er und seine Familie sicher sind. Er muss keinen Orden verliehen bekommen wegen seiner guten Tat. Aber er muss zumindest beschützt werden und die Stadt muss ihm psychologische Unterstützung anbieten nach allem, was passiert ist”, sagt er.


Die offizielle Hilfe für A. läuft jedoch erst an. Am Mittwoch schauten Mitarbeiter des Roten Kreuzes für eine Viertelstunde bei ihm vorbei. Am Donnerstag folgten dann Polizeibeamte sowie Psychologinnen. Man werde A. schützen, versprach der Kärntner Polizeisprecher Rainer Dionisio im Gespräch mit dem STANDARD: “Schon jetzt sind die Polizeistreifen rund um A.s Wohnort verstärkt worden.”


Journalistische Verantwortung

Zu dem Schrecken, dass eine mutige Tat so rasch in eine Bedrohungssituation umgeschlagen ist, mischt sich jedoch auch Nachdenklichkeit. Es wäre wohl besser gewesen, wenn A. nicht mit vollem Namen in den Medien erschienen wäre, sagt ein hochrangiger Behördenvertreter. Genau das hätte man ihm auch von Journalistenseite raten müssen, meint Brigitta Pongratz, Sprecherin der Opferhilfeorganisation Weißer Ring.


“Wir empfehlen unseren Klienten so wenige Medienkontakte wie möglich”, sagt Pongratz. Auch Menschen, die sich wie A. bewusst der Öffentlichkeit stellen, hätten Shitstorms und Drohungen zu vergegenwärtigen, weiß sie. Für den Villacher Syrer hat sie einen Rat: “Er sollte Anzeige wegen gefährlicher Drohung und Nötigung erheben, dann hat er Anrecht auf volle Opferhilfe.” (Irene Brickner, Viktoria Kirner, 20.2.2025)


>read more at © Der Standard

Views: 0