Grüne und blaue Premieren in Niederösterreichs Rathäusern

Niederösterreichs Gemeindeämter werden bunter: Neben der FPÖ stellen bald auch die Grünen ihren ersten Bürgermeister im Bundesland. In Mödling (Bezirk Mödling) wird Rainer Praschak ab 2027 Bürgermeister – die erste Hälfte der Legislaturperiode übernimmt die SPÖ mit Silvia Drechsler das Bürgermeisteramt. Geplant ist aber, dass Praschak und Drechsler bis dorthin als “Bürgermeister-Duo” auftreten.
In Enzersdorf an der Fischa (Bezirk Bruck an der Leitha) wird wiederum der Nationalratsabgeordnete Werner Herbert Ortschef – es ist das erste Mal überhaupt, dass ein blauer Bürgermeister in Niederösterreich auf fünf Jahre gewählt wurde. Blaue Bürgermeister gibt es auch noch in Gerasdorf bei Wien (Bezirk Korneuburg), Dorfstetten und Alberndorf im Pulkautal (beide Bezirk Hollabrunn). DER STANDARD bat Praschak und Herbert zu einem Gespräch.
Rainer Praschak (Grüne), Mödling
Ursprünglich war es gar nicht Rainer Praschaks Plan, Politiker zu werden. “Irgendwie bin ich dann hineingestolpert”, sagt der 51-Jährige. Die Rolle eines klassischen Politikers ist dem grünen Funktionär auch nicht sofort anzusehen. Zum Gespräch mit dem STANDARD trägt der gebürtige Mödlinger eine grüne Haube, Jeans und eine lockere beige Frühlingsjacke.
Seine Leidenschaft für die Kommunalpolitik habe er erst vor mehr als einem Jahrzehnt durch seine Tätigkeit im Musik- und Kulturbereich entdeckt. Seit mehreren Jahrzehnten arbeitet er für diverse Musiklabels, organisiert Konzerte und besitzt ein kleines Geschäft für Schallplatten an der Hauptstraße.

Das kulturelle Engagement bemerkten schließlich die Mödlinger Grünen, die ihn 2010 zu einer Kandidatur auf ihrer Liste überreden konnten. Zuerst als einfacher Gemeinderat tätig, wurde Praschak schnell Stadtrat und ist seit 2020 Vizebürgermeister von Mödling. “Die haben das spannend gefunden, was ich beruflich tue. Und ich hatte auch schon immer den Drang, etwas mitgestalten zu wollen.”
Für die Grünen war es in der Nachbetrachtung wohl die richtige Entscheidung, Praschak ins Boot zu holen. Noch nie gelang es den Grünen, bei einer Kommunalwahl in Niederösterreich den ersten Platz zu holen. In Mödling war es dann Ende Jänner besonders knapp: Weniger als ein Prozent trennte am Wahlabend die erstplatzierte ÖVP (27,2 Prozent) von den Grünen (26,5 Prozent).
Und dennoch: Praschak wird bald Niederösterreichs erster grüner Bürgermeister. SPÖ und Grüne einigten sich nach der Wahl rasch auf eine Koalition, die ÖVP Mödling muss nach rund 40 Jahren in Opposition.
Im STANDARD-Gespräch zeigt sich Praschak bescheiden. Von einem persönlichen Erfolg will er nicht sprechen, das grüne Team sei ausschlaggebend gewesen. Umso ambitionierter zeigte sich Praschak im Wahlkampf: Das Wahlziel wurde klar mit dem Bürgermeisterposten vorgegeben. Die Grünen auf Bundes- und Landesebene trauten dem mittlerweile erfahrenen Kommunalpolitiker dieses Ziel durchaus zu. Unter anderem stattete Ex-Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) Mödling einen Besuch ab, um sich mit Praschak ablichten zu lassen.

Nach der Wahl im Jänner fackelte Praschak auch nicht lange bei den Koalitionsverhandlungen. “Menschlich und inhaltlich passt es mit der SPÖ. Wir haben schnell zusammengefunden”, erzählt er.
Noch müssen die Grünen aber Geduld walten lassen. Praschak verhandelte mit den Roten eine Halbzeitlösung aus – quasi als Kompromiss. Für die SPÖ wäre als Alternative auch die ÖVP als Partnerin möglich gewesen, mit der die Roten seit 2020 regieren. Die ÖVP hätte den Sozialdemokraten aber wohl den Bürgermeistersessel verweigert.
Die erste Hälfte der Legislaturperiode ist Silvia Drechsler (SPÖ) Bürgermeisterin, im Sommer 2027 übernimmt dann Praschak. “Wir haben uns bewusst für die zweite Hälfte entschieden”, sagt Praschak. Es sei keine riskante Entscheidung, wie er zum STANDARD sagt. Theoretisch könnte die SPÖ einen Wechsel einfach verweigern, indem sie im Gemeinderat nicht zustimmen würde.
“Unsere Einigung ist aber fix. Wir sehen das als eine gleichberechtigte Partnerschaft. Wir planen quasi, als Bürgermeister-Duo aufzutreten”, erklärt der Mödlinger, der sich damit schon vor 2027 in die Rolle des Ortschefs einfinden will.
Wenig überraschend will Praschak auf grüne Kernthemen setzen. Dem STANDARD zeigt er ein altes Tankstellenareal, auf dem mittlerweile eine Wiese gepflanzt und Bänke aufgestellt wurden. “Das war ein erster guter Schritt, ist aber noch recht lieblos gemacht. Wir wollen hier einen schönen Park gestalten.”

Auf dem Mödlinger Freiheitsplatz soll wiederum ein Wochenmarkt entstehen. Die Autos sollen in dieser Zeit weichen und Platz für Besucherinnen und Besucher machen. Und auch über die Entsiegelung von Autoabstellflächen denkt Praschak laut nach, obwohl im Ort die Parkplatzsituation angespannt ist. “Wir wollen natürlich die Alternativen zum Auto stärken. Die Situation soll für Autofahrer dadurch aber nicht schlechter werden.”
Werner Herbert (FPÖ), Enzersdorf an der Fischa
Werner Herbert hat dieser Tage viel zu tun, denn auf dem Gemeindeamt in Enzersdorf an der Fischa herrscht Hochbetrieb. Erst seit einer Woche ist der FPÖ-Politiker als Bürgermeister im Amt und muss sich mit einigen Vorgängen auf der Behörde noch vertraut machen.
Hinzu kommt ein voller Terminkalender wegen des Parlaments – Herbert sitzt seit 2023 erneut im Nationalrat für die Freiheitlichen. Zuvor war er bereits von 2008 bis 2013 sowie von 2017 bis 2019 Nationalratsabgeordneter.

Während des Gesprächs mit dem STANDARD leuchtet immer wieder sein Handy auf, und einmal klopft es an der Tür: Eine Frau will den Bürgermeister sprechen. “Momentan ist es ganz schlecht”, entgegnet Herbert.
Nicht immer war es so laut rund um den Enzersdorfer. Vor 25 Jahren war Herbert noch ein einsamer Mandatar. Als Polizeibeamter sei er damals zur FPÖ gekommen. “Das Thema Sicherheit und die FPÖ gehen natürlich Hand in Hand”, sagt Herbert.
Im Jahr 2000 gründete er schließlich die blaue Ortsgruppe in der Kommune nahe dem Flughafen Wien-Schwechat und zog als einziger Freiheitlicher ins Gemeindeparlament ein. Im Jänner konnte Herbert, der zuvor schon Vizebürgermeister war, mit den Freiheitlichen einen Erdrutschsieg einfahren und mit acht Mandaten den ersten Platz holen.
Grund für den Erfolg seien Streitereien in der ÖVP Enzersdorf gewesen – die Schwarzen wollten ihren eigenen Bürgermeister loswerden. “Dieser Streit hat am Ende sehr eskalierende Ausmaße angenommen”, sagt der 61-Jährige. Der Erfolg sei aber auch seinem eigenen “Bekannt- und Beliebtheitsgrad” im Ort geschuldet.

Mit den Stimmen der SPÖ wurde er schließlich zum Bürgermeister. Eine Zusammenarbeit, die Herbert wohl so im Nationalrat nicht eingehen würde. Der FPÖ-Politiker will zwischen seinen beiden Jobs – Ortschef und Parlamentarier – aber eine Linie ziehen.
Im Ort ist Herbert vor allem auf Kompromiss aus. Scharfe Rhetorik, wie man sie von der FPÖ unter Herbert Kickl gewohnt ist, meidet er in Enzersdorf. “Man muss das pragmatisch sehen und die beiden Dinge politisch und emotional trennen. Du musst immer wissen, was gerade dein Job ist”, erzählt Herbert.
Im Parlament betreibt der Enzersdorfer unter der Kickl-FPÖ wiederum kantige Oppositionspolitik und verfolgt dort den blauen Kurs in Richtung “Festung Österreich”. Von der neuen Dreierkoalition hält er nicht viel – am Scheitern der Regierungsverhandlungen habe die ÖVP Schuld. Für Österreich hätte er sich eine Koalition mit dem Wahlsieger gewünscht, “so wie in Enzersdorf”.
Im Bund und in den Bundesländern wird Herbert als erfahrener Politiker von FPÖ-Organisationen gern empfangen. Erst unlängst stand er gemeinsam mit Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp Schulter an Schulter und sprach über eine “explodierende Kriminalität” in der Bundeshauptstadt.
Zudem ist Herbert Bereichssprecher für den öffentlichen Dienst im Parlament und Vorsitzender der freiheitlichen Polizeigewerkschaft. In dieser Funktion erntete Herbert mitunter Kritik: Eine Presseaussendung wurde 2011 mit einem Bild illustriert, das laut dem Mauthausen-Komitee einer Darstellung eines KZs ähnelt. Das Innenministerium zeigte Herbert daraufhin an, die Ermittlungen wurden jedoch eingestellt.

In Enzersdorf ist Herbert vor allem mit großen Verkehrsprojekten beschäftigt. Quer durch den Ort soll eine neue Bahnstrecke verlaufen, der FPÖ-Politiker will für einen eigenen Bahnhof im Ort kämpfen. “Ich habe immer gesagt: Die Bahnstrecke gibt es nur, wenn es für uns einen Bahnhof und eine Untertunnelung gibt.” Auch eine Umfahrungsstraße der stark verkehrsbelasteten Gemeinde ist ein Schwerpunkt in Herberts Arbeitsprogramm.
Viel Freizeit bleibe ihm neben seinen politischen Ämtern nicht mehr. “Das ist natürlich sehr zeitaufwendig. Da trägt dir schon die Sekretärin in den Kalender ein, wann du mit deiner Frau einkaufen gehst”, scherzt Herbert.
Abseits seiner Arbeit verbringt Herbert gerne Zeit mit seinen Drillingen. Falls er sich irgendwann zwischen dem Parlament und Enzersdorf entscheiden müsste, bliebe Herbert wohl in Niederösterreich: “Mein Herzblut hängt jedenfalls an der Gemeinde.” (Max Stepan, 19.3.2025)
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