Verkehrsminister Peter Hanke: “Werde Lobautunnel aufarbeiten”

Ist eine Verdopplung des Radverkehrsanteils auf 14 Prozent realistisch? “Man muss da realistisch umgehen mit urbanen und ländlichen Bereichen”, sagt Minister Hanke.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Helle Aufregung auf Bahnsteig 11: “Sie kommen. Jetzt!”, ruft eine Frau mit ÖBB-Sackerl in der Hand. “Sie”, das ist der neue Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) mit den Spitzen von ÖBB, Austrian Airlines und Star Alliance – die eine Viertelstunde zu früh am Wiener Hauptbahnhof aufkreuzen. Dabei ist das Skript für den Termin getaktet: Es ist Hankes erster großer Presseauftritt in seiner neuen Funktion, den er dem zeitgleich stattfindenden Ministerrat an diesem Mittwochvormittag vorzieht. Und da soll tunlichst alles klappen.


Verkündet wird eine Neuerung: Die ÖBB treten dem Fluglinienverband Star Alliance um die Lufthansa-Gruppe bei, wodurch Passagiere mit nur einem Ticket fliegen und mit dem Zug bis Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck reisen können. So sind etwa Anschlüsse gesichert. Ähnliches plant die schwarz-rot-pinke Bundesregierung für den innerösterreichischen Öffi-Verkehr.


STANDARD: Künftig kann man mit einem Ticket von Linz nach Los Angeles reisen, nicht aber von einer Busstation in einem Linzer Vorort nach Wien. Bis wann wird es die im Regierungsprogramm angekündigte nationale Buchungsplattform geben?


Hanke: Das ist eine Aufgabe für die gesamte Funktionsperiode, also bis 2029. Wir müssen unsere Services verbessern, mehr auf Kundenwünsche eingehen und die Anbindung des ländlichen Raums verbessern. Treiber dieser Entwicklung sind Digitalisierung und KI, da sind wir noch lange nicht am Ziel.


STANDARD: Das Klimaticket wurde heuer erstmals verteuert, ab nun sieht das Gesetz eine jährliche Preissteigerung vor. Halten Sie daran fest?


Hanke: Wir haben uns in der Regierung vorgenommen, dass jeder einen Beitrag für das angespannte Budget zu leisten hat. Deshalb ist die gesetzlich vorgesehene Erhöhung vorzunehmen, der Preis wird auch 2026 wieder angepasst.

“Der Preis des Klimatickets wird auch 2026 wieder angepasst.”

STANDARD: Durch das Klimaticket ist auf der Bahn eine starke Nachfrage entstanden. Das verursacht teilweise sehr volle Züge, in denen mitunter aber nicht einmal ausreichend WCs funktionieren. Bei den neuen Garnituren und in den Werkstätten gibt es Engpässe. Was können Sie als Minister tun?


Hanke: Darauf drängen, dass die Unternehmensstrukturen, etwa Holding und Tochtergesellschaften, enger kooperieren und diese Planungsthemen aufnehmen. Das ist eine klare Forderung von mir, damit sich der Service-Output verbessert.


STANDARD: Drohen beim ÖBB-Rahmenplan, dem Bahnausbauprogramm bis 2029, angesichts des budgetären Konsolidierungsbedarfs Abstriche?


Hanke: Diese Investitionen in die Infrastruktur in Höhe von 21,1 Milliarden Euro sichern unsere Wettbewerbsfähigkeit, allein bei den ÖBB 47.000 Arbeitsplätze, und kommen österreichischen Unternehmen zugute, etwa im Bau- und Baunebengewerbe. Genau diesen Wirtschaftsimpuls brauchen wir. Daher ist es notwendig, den Rahmenplan ohne Abstriche fortzuführen.

Überpünktlich: Andreas Matthä, Chef der Bundesbahnen und Minister Peter Hanke (SPÖ) mit ÖBB-Werbezug.
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STANDARD: Ihre grüne Vorgängerin Leonore Gewessler hat den Wiener Lobautunnel auf Eis gelegt und wollte ihn aus dem Bundesstraßengesetz streichen. Bleibt er unter Ihnen jetzt?


Hanke: Ich werde das Projekt Lobautunnel in den nächsten Monaten mit meinen Expertinnen und Mitarbeitern im Ministerium aufarbeiten und anhand der Erkenntnisse nächste Schritte planen. Mir geht es darum, eine vernünftige Diskussion voranzubringen – und nichtpolarisierend zu wirken. Prinzipiell stehe ich positiv zum Lobautunnel. Straßen sind wichtig für den Wirtschaftsstandort, gleichzeitig haben wir die Frage der Klimaneutralität. Nötig ist ein vernünftiger Diskurs mit allen Stakeholdern, um Emotionalität herauszunehmen.


STANDARD: Es gibt bereits eine sehr aktuelle Evaluierung des Lobautunnels, nämlich die im Februar veröffentlichte Strategische Prüfung im Auftrag von Gewessler durch rund 20 Fachleute vom Umweltbundesamt und den Technischen Unis Wien und Graz. Sie empfehlen klar eine Absage des Projekts. Misstrauen Sie ihnen?


Hanke: Ich möchte mir in meiner neuen Funktion den aktuellen Stand der Diskussion und Verfahren erörtern lassen. Es ist nur vernünftig, mit der Expertise meines eigenen Hauses ein eigenes Bild zu entwickeln. Das steht mir als Minister zu.

“Es ist nur vernünftig, mit der Expertise meines eigenen Hauses ein eigenes Bild zu entwickeln. Das steht mir als Minister zu.”

STANDARD: Ist so eine Evaluierung vielleicht einfach praktisch für die SPÖ? Wenn Sie sich jetzt klar positionieren, könnte das bei der Wien-Wahl Ende April den Grünen helfen.


Hanke: Das ist zu kurzfristig gedacht. Ich sehe es als meine Verantwortung, seriös umzugehen mit einem Thema, das Auswirkungen auf die nächsten Generationen hat.


STANDARD: Der Radverkehrsanteil soll laut Regierung von sieben auf 14 Prozent gesteigert werden. Schon Türkis-Grün ist an einer Verdopplung gescheitert. Wie wollen Sie das schaffen?

Elf Prozent beträgt der Radverkehrsanteil in Wien mittlerweile. “Man muss realistisch umgehen mit urbanen und ländlichen Bereichen”, sagt Hanke mit Blick auf die Steigerung des Radverkehrs.
APA/JAKOB LANGWIESER

Hanke: Wenn man sich die Hürde zu niedrig aufstellt, dann ist es auch kein Problem, sie zu überwinden. Es ist schon gut, wenn es fordernde Ziele gibt, die wir bestmöglich umzusetzen versuchen. In Wien haben wir gezeigt, dass es möglich ist, den Radverkehrsanteil auf mittlerweile elf Prozent zu erhöhen. Wir haben aber auch gesehen, dass das ein Umlernen von Mobilität erfordert – und dieses Umlernen bedarf Zeit. Man muss da auch realistisch umgehen mit urbanen und ländlichen Bereichen. Für die Frage der letzten Meile etwa geht beim Rad sicher mehr.


STANDARD: Wann wird es eine Lösung für den ewigen Streit um eine Änderung der Straßenverkehrsordnung geben, die Zufahrtskontrollen in Städten mit Kameras ermöglicht? Eine Novelle ist ja die Voraussetzung für die lange geplante Verkehrsberuhigung im ersten Bezirk Wiens.


Hanke: Ich bin mit unseren Juristinnen und Juristen in Abstimmung, um diese Novelle schnell zu ermöglichen – und damit die Voraussetzung für eine Umsetzung der Verkehrsberuhigung auf Landesebene zu schaffen. Davon betroffen ist ja nicht nur Wien, sondern auch andere Städte. Die Novelle ist jedenfalls ein kurzfristigeres Projekt.


STANDARD: Kommt sie vor oder nach der Wien-Wahl?


Hanke: Das lasse ich mir noch offen.


STANDARD: Wie froh sind Sie angesichts der sich zuspitzenden Budgetsituation, Verkehrs- und nicht Finanzminister geworden zu sein?


Hanke: Es war mir Ehre und Freude, für beides genannt zu werden. Im Bereich der Infrastruktur habe ich in den vergangenen Jahren Kompetenz und Erfahrung gesammelt. Es gefällt mir sehr gut, dass ich in diesem Bereich weiterarbeiten darf. (Stefanie Rachbauer, 19.3.2025)


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