Geschützte Daten sollen Migranten enttarnen
Im juristischen Konflikt über die kürzliche Abschiebung von mehr als 200 Venezolanerinnen und Venezolanern aus den USA hat am Montag die Anhörung begonnen. Trump berief sich bei der Deportationsanordnung auf ein selten genutztes Gesetz aus dem 18. Jahrhundert, ein Bundesgericht stufte das Vorgehen jedoch als illegal ein.
Bundesbezirksrichter James Boasberg mit Sitz in Washington erklärte am Montag, die Menschen müssten die Möglichkeit zu einem Einspruch gegen ihre Abschiebung erhalten. Zudem wies Boasberg einen Einspruch gegen ein von ihm verhängtes, zweiwöchiges Abschiebeverbot ab. Dieses bleibt damit wirksam. Nun soll höchstgerichtlich entschieden werden, wer recht hat.
Unterdessen werden im Hintergrund bereits die Fäden für eine weitere Maßnahme gezogen, die Trumps Pläne zu Massendeportationen voranbringen soll. Sollte sie tatsächlich zur Anwendung kommen, wäre sie aber keineswegs unumstrittener als die ihr vorausgegangenen. So soll die Steuerbehörde (IRS) der Migrationsbehörde (ICE) im Zuge einer Vereinbarung sensible Daten weitergeben, um zu den Adressen mutmaßlicher undokumentierter Einwanderer zu gelangen, wie die „Washington Post“ („WP“) am Wochenende berichtete.

Daten „normalerweise“ vertraulich und streng geschützt
Bereits seit Wochen würden Verhandlungen zur Nutzung des Steuersystems für diesen Zweck laufen. Konkret soll ein Austausch zwischen Migrations- und Steuerbehörde stattfinden dürfen, bei dem Namen und Adressen von sich möglicherweise illegal im Land befindlichen Personen übermittelt werden können.
So sei es möglich, die Personendaten mit vertraulichen Steuerzahlerdaten abzugleichen, um so die Identität der betreffenden Person bestätigen zu können, zitiert die „WP“ vier mit der Angelegenheit vertraute Personen, die aus Angst vor beruflichen Repressionen jedoch anonym bleiben wollten.
„Normalerweise“ würden persönliche Steuerinformationen, unter die auch Name und Adresse fallen, als vertraulich gelten und seien innerhalb der Steuerbehörde streng geschützt, heißt es bei der „WP“ weiter. Die unrechtmäßige Offenlegung von Steuerdaten ziehe zivil- und strafrechtliche Sanktionen nach sich. Zwar dürften Daten unter bestimmten Bedingungen unter den Behörden geteilt werden, allerdings nur mit jeweiliger richterlicher Genehmigung.

Weitergabe „ungewöhnlich, wenn nicht beispiellos“
„Es wäre ungewöhnlich, wenn nicht beispiellos, Ausnahmen vom Steuerzahler-Datenschutzgesetz zur Rechtfertigung der Zusammenarbeit mit der Einwanderungsbehörde zu nutzen“, zitierte die „WP“ die Insider. Es bestehe die Befürchtung, dass die vorgeschlagene Vereinbarung das Risiko berge, dass es zum Missbrauch eines sehr selten genutzten Teils des Datenschutzgesetzes komme.
Laut den der „WP“ vorliegenden Dokumenten seien Migranten und Migrantinnen mit endgültigen Abschiebungsbefehlen betroffen. Die Vereinbarung würde also die Datenüberprüfung bei jenen Personen autorisieren, die „Gegenstand einer strafrechtlichen Untersuchung“ wegen Verstoßes gegen das Einwanderungsgesetz sind.
Keine Stellungnahme seitens der Behörden
Seitens der Behörden habe es bisher noch keine Stellungnahme gegeben. Vergangenen Monat habe die Steuerbehörde eine entsprechende Anfrage der Trump-Regierung nach Daten von 700.000 mutmaßlich undokumentierten Personen allerdings noch als rechtswidrig abgelehnt. Seitdem seien jedoch einige Posten neu besetzt worden – und die neuen Verantwortlichen würden sich der Vereinbarung gegenüber interessiert zeigen, schreibt die „WP“.
Unterdessen hat das Ministerium für Innere Sicherheit laut „WP“ drei interne Aufsichtsbehörden abgeschafft, die sich für die Rechte von Migranten und Migrantinnen sowie Flüchtlingen einsetzten und Regierungsvorhaben überwachten.

Ehemaliger Beamter spricht von Verrat
Klar ist: Sollte es zu einer Vereinbarung zwischen den Behörden kommen, würde das eine „Verschiebung in der Verwaltung von Steuerzahlerinformationen“ darstellen.
Flüchtlinge und Migranten
Laut UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) bedeutet Migration grundsätzlich, dass Menschen ihr Heimatland verlassen. Fliehen sie vor direkten Bedrohungen wie Krieg und Verfolgung, handelt es sich um Flüchtlinge. Wandern sie aus anderen Gründen als diesen aus, handelt es sich um Migranten und Migrantinnen. Da eine Unterscheidung zwischen den Gruppen oft schwer zu treffen ist, verwendet ORF.at beide Begriffe.
Schließlich hätten die Behörden undokumentierten Arbeitern und Arbeiterinnen in der Vergangenheit immer versichert, dass ihre Steuerinformationen vertraulich sind. Sie seien aufgefordert worden, Einkommensteuererklärungen einzureichen – unter dem Hinweis, dass sie deshalb keine Angst vor Abschiebungen haben müssten.
Rund elf Millionen undokumentierte Migranten und Migrantinnen sowie Geflüchtete leben schätzungsweise in den USA. Laut Untersuchungen reiche etwa die Hälfte davon Steuererklärungen ein – nicht zuletzt, um ihre Chancen auf eine legale Aufenthaltsgenehmigung zu steigern. Ein ehemaliger Beamter der Steuerbehörde kritisierte gegenüber der „WP“ das Vorgehen: „Es ist ein vollständiger Verrat. 30 Jahre lang hat die Regierung den Einwanderern gesagt, sie sollen ihre Steuern einreichen.“
Laut einer Analyse des Politikjournalismusportals „The Conversation“ halten sich die meisten Migranten und Migrantinnen sowie Flüchtlinge legal in den USA auf. Rund die Hälfte wurde eingebürgert, ein gutes Fünftel hat den Status eines rechtmäßigen Daueraufenthaltsberechtigten. Rund ein Drittel gilt als undokumentiert. Die meisten stammen aus Mexiko und Zentralamerika, gefolgt von Südamerika.
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