Nationalfonds-Vorsitz: Das Parlament entmachtet seinen Präsidenten

Abgang oder Abwahl

Künftig kann Walter Rosenkranz als Vorsitzender des Nationalfonds freiwillig gehen oder abgewählt werden. Für die Gesetzesnovelle stimmten ÖVP, SPÖ, Neos und Grüne, die FPÖ ist empört

Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) am Donnerstag im Hohen Haus.
APA/HELMUT FOHRINGER

Ein schlagender Burschenschafter, der NS-Verbrecher als “Leistungsträger” bezeichnet hat, sich mehrfach vor einem Wandbild eines NS-Künstlers in seinem Büro ablichten ließ und seinen nunmehr ehemaligen Büroleiter, gegen den wegen Verstößen gegen das Verbots- und Waffengesetz ermittelt wird, in Schutz nimmt: Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) lieferte der jüdischen Community und den anderen Parlamentsparteien zuletzt eine ganze Reihe von Gründen, warum er nicht geeignet ist, den Vorsitz jenes Fonds zu führen, den die Republik eingerichtet hat, um Opfer des Nationalsozialismus zu entschädigen.


Allein: Als Nationalratspräsident hat er diese Funktion automatisch inne und kann sich auch nicht dauerhaft vertreten lassen, das ist geltende Gesetzeslage. Zumindest noch. Denn vor zwei Wochen ebnete der Verfassungsausschuss den Weg dafür, dass ein Nationalratspräsident den Vorsitz an den Zweiten Präsidenten oder die Dritte Präsidentin abgeben und auch vom Hauptausschuss aus dieser Funktion abgewählt werden kann. Donnerstag Mittag wurde der Beschluss schließlich im Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Neos und Grünen, und damit mit der dafür notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit, befasst. Den Vorsitz im Hohen Haus führte zu diesem Zeitpunkt der Zweite Nationalratspräsident Peter Haubner (ÖVP), Rosenkranz wohnte der Debatte im Plenarsaal nicht bei.


FPÖ spricht von “Wahnwitz”

Dem Beschluss vorangegangen war eine kontroverse Debatte im Hohen Haus. Der FPÖ-Abgeordnete Markus Tschank kritisierte das Vorhaben “der Einheitspartei”, die Verfassung zu ändern, um Rosenkranz die “Vorsitzführung zu verwehren” scharf. Er sprach von “Anlassgesetzgebung”, die “unsachlich, ungerecht und durch und durch ideologisch motiviert” sei. Dies sei ein “zutiefst antidemokratischer Anschlag” auf die rechtsstaatlichen Prinzipien der Republik und “Wahnwitz”.


ÖVP-Mandatar Wolfgang Gerstl attestierte daraufhin der FPÖ, nichts anderes zu können “als Opfer zu sein”. Dem abwesenden Rosenkranz richtete er aus, zwar sehr zu schätzen, dass dieser im Rahmen seiner Antrittsrede in Aussicht gestellt hatte, zur Seite zu treten, sollte seine Person hinderlich sein, aber: “Leider haben Sie Ihren Worten keine Taten folgen lassen.”


Ähnlich äußerte sich die SPÖ-Mandatarin Muna Duzdar: Mit der Gesetzesnovelle werde Rosenkranz ermöglicht, sich im Vorsitz vertreten zu lassen. “Lassen Sie ihren Worten Taten folgen”, appellierte sie. Die Gesetzesänderung begründete Duzdar mit der “historischen Verantwortung den Opfern des Nationalsozialismus gegenüber”. Daher müsse man dafür sorgen, dass der Nationalfonds arbeiten könne: “Und wenn die Opferverbände sagen, sie nehmen nicht mehr teil, solange Rosenkranz Vorsitzender ist, sind wir gefordert zu handeln.”


Neos-Vizeklubchef Nikolaus Scherak betonte, dass es zwar “gute Gründe” gebe, dass “grundsätzlich der Präsident den Vorsitz” innehat, erachtet es aber “als wesentliches Problem”, wenn dieser bei Opferverbänden “auf Ablehnung stößt”. Denn es pervertiere die Aufgaben des Fonds, wenn jene, um die es gehe, sagten, sie könnten mit einem Vorsitzenden Rosenkranz nicht teilnehmen. Mit der Gesetzesänderung gebe man Rosenkranz “die Möglichkeit das zu tun, was er auch selbst angekündigt hat”.


Für die geschäftsführende Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer war jedenfalls “zu erwarten”, dass Rosenkranz “trotz wortreicher Ankündigungen seinerseits” nicht freiwillig zur Seite treten werde – zumindest gebe es “keinerlei Hinweise darauf”. Deshalb begrüßt Maurer, dass künftig der Hauptausschuss “statt ihm diesen Schritt erzwingen kann”.


Widerstand gegen Rosenkranz

Die Gesetzesnovelle war notwendig geworden, weil aus den jüdischen Gemeinden und von Opferschutzverbänden heftiger Protest gegen Rosenkranz als Nationalratspräsident und Vorsitzender des Nationalfonds gekommen war. Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, hält Rosenkranz in diesen Funktionen für ungeeignet – und kündigte bereits vor Monaten an, an den Sitzungen des Nationalfonds nicht teilzunehmen, solange dieser dort den Vorsitz führt. Auch Ariel Muzicant, Präsident des European Jewish Congress, schrieb in einem offenen Brief an den Nationalratspräsidenten, dass dieser für die österreichischen Jüdinnen und Juden nicht als Vorsitzender des Nationalfonds, des Friedhofsfonds und des Simon-Wiesenthal-Preises zu akzeptieren sei.


Von politischer Seite wurde deren Anliegen von Anfang an von den Grünen unterstützt und vorangetrieben. Sie hatten sich als einzige Partei klar gegen die Wahl von Rosenkranz zum Nationalratspräsidenten ausgesprochen. Bei der ersten von Rosenkranz geleiteten Präsidiale im November brachte die Partei einen Gesetzesentwurf zur Diskussion mit, wonach der Nationalratspräsident nicht mehr automatisch Vorsitzender des Nationalfonds sein soll.


Bewegung in die Sache kam schließlich mit dem Antritt der neuen Regierung Anfang März: Auch ÖVP, SPÖ und Neos hatten in ihrem Koalitionspakt festgeschrieben, das Nationalfonds- und Friedshofsfonds-Gesetz “zur Besetzung der Leitung des Vorsitzes sowie des Simon-Wiesenthal-Preises” ändern zu wollen – eben weil Rosenkranz die Leitung dieser Gremien innehat und diese aus gesetzlichen Gründen auch nicht abtreten kann.


Rosenkranz: “Keine Angst vor Abwahl”

Rosenkranz selbst hatte einen Rückzug oder eine dauerhafte Vertretung als Vorsitzender zunächst stets ausgeschlossen – und berief sich dabei auf die geltende Gesetzeslage. Am Donnerstag äußerte er sich vorerst nicht dazu. Vor zehn Tagen kündigte er im Rahmen eines “Business-Talks” eine “tragbare Lösung” an, ohne aber einen Rückzug konkret in Aussicht zu stellen.


Zunächst werde er diesbezüglich Gespräche mit den Verfassungssprechern der Parteien und den anderen beiden Nationalratspräsidenten führen. Außerdem werde er den Rechts- und Legislativdienst des Parlaments damit befassen. “Ich habe keine Angst vor einer Abwahl, aber es geht darum, dass man gewissenhaft prüft, was das Beste für das Parlament ist”, sagte Rosenkranz. (Sandra Schieder, 27.3.2025)


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