Das Eichhörnchen Emily als Vorbild: Wie Kinder Demokratie lernen
Vorlesetag
Mehrere Waldtiere streiten sich um Pfirsiche. Ihre Lösung: ein Parlament! Diese Geschichte bekamen zwei Volksschulklassen im echten Parlament zu hören, vorgelesen von Doris Bures

Als Dritte Nationalratspräsidentin wacht Doris Bures über die Ordnung im Parlament. Das Ziel: Kompromisse, mit denen möglichst alle Abgeordneten zufrieden sind. Wie das funktioniert, konnte die SPÖ-Politikerin nun genauer lernen – auch wenn sie eigentlich die Vortragende war: Zwei Volksschulklassen aus Wien-Floridsdorf waren im Parlament zu Gast, um von Bures ein Kinderbuch über die Demokratie vorgelesen zu bekommen.
16 Tonnen Marmorstein
Anlass für die Veranstaltung war der bundesweit abgehaltene Vorlesetag: “Eine Initiative, die das Lesen wieder ins Zentrum des allgemeinen Interesses rücken will”, wie sie sich selbst beschreibt. Ob das bei den Acht- und Neunjährigen im Parlament tatsächlich geklappt hat, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben, drehten sich doch einige der Fragen nicht ganz um die Demokratie an sich.
“Wie viele Wochen hat’s gedauert, das alles aufzubauen?”, unterschätzte etwa ein Bub die neunjährige Bauzeit des Parlamentsgebäudes knapp. “Wie viele Tonnen wiegt das alles?”, wollte ein anderer wissen – Bures konnte darauf zumindest mit dem Gewicht der einzelnen Marmorsäulen in der Säulenhalle (je 16 Tonnen) aushelfen, und ein anderes bestens informiertes Kind sprang auch noch ein: “Ich weiß, dass die Steine aus Salzburg kommen!” Und die wohl schwierigste Frage eines Mädchens: “Ist es für Sie immer leicht, die richtige Entscheidung zu treffen?”
Abgeordnete für den Kompromiss
Ganz und gar nicht, antwortete Bures darauf und lenkte das Gespräch zum Thema des Tages zurück: “Man muss viel lesen und mit klugen Menschen reden, die viele Dinge wissen, die man selbst nicht weiß.” Auch das ist Parlamentarismus – und im Buch, das Bures zuvor vorgelesen hatte, ging es genau darum: In Das Parlament der Tiere streiten sich Waldtiere um den Ertrag eines großen Pfirsichbaums – und versuchen gemeinsam die fairste Aufteilung zu finden. Dafür wählen sie Abgeordnete.

Doch wer glaubt, dass es im Tierreich gesitteter abläuft als im “echten” Nationalrat, hat weit gefehlt. Auch im Gremium mit einer Eule an der Spitze (“Wer dafür ist, dass Erika die Chefin der Versammlung ist, hebt Pfote oder Flügel!”) gibt es harte Diskussionen um die Pfirsiche: Ein Bär ist zum Beispiel der Meinung, dass die größeren Tiere mehr davon bekommen sollen. Das Reh kann damit aber nichts anfangen – wenn es nach ihm geht, sollten die schnellen Läufer mehr Pfirsiche haben dürfen, weil sie es so anstrengend haben.
Und die Wildschweine? “Die haben keine eigene Idee, aber sie fordern, dass die Waschbären gar nix bekommen sollen. Die seien blöd, würden stinken, sähen komisch aus und gehörten gar nicht richtig in diesen Wald”, las Bures vor und fühlte sich dabei vielleicht an Diskussionen im Nationalrat erinnert.
Versöhnliches Kuchenessen
Doch was ist jetzt die Lösung? Eichhörnchen Emily hat die rettende Idee: “Denn wenn jeder nur an sich denkt, dann kommen wir nicht weiter.” Sie schlägt vor, dass die Tiere je nach ihrer Größe zwischen einem und drei Pfirsiche erhalten. Dieser Vorschlag erhält eine Mehrheit, nur die Bären sind (neben den Wildschweinen) dagegen, weil sie gerne noch mehr Pfirsiche hätten.
Dennoch werden sie zum Pfirsichkuchenessen eingeladen: “Benny, der Bär, hat zwar in der Versammlung gegen Emilys Vorschlag gestimmt, aber ist natürlich immer noch ihr Freund.” Denn auch das ist Demokratie. Und vielleicht wird das Doris Bures ja in den Nationalrat tragen – dann haben nicht nur die Kinder Neues gelernt. (Maximilian Werner, 28.3.2025)
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