Wie eine 48-jährige Bulgarin in Wien für Putin spionierte
Spionage
Putins langer Arm reicht bis nach Wien: ein Überblick über eine so kuriose wie gefährliche Spionagezelle.
Auf den ersten Blick wirkt Sveti D. wie eine durchaus sympathische, mittelalte Osteuropäerin, wie man sie in Wien öfter trifft. Auch ihre Biografie ist scheinbar kein Einzelfall: In Bulgarien geboren, zog sie Anfang 2000 nach Wien zu engen Verwandten, um im Westen ihr Glück zu finden, musste sich dann aber mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten. So weit, so gewöhnlich.

Wäre da nicht dieses eine Detail, dieser letzte Gelegenheitsjob, den D. in den vergangenen Jahren erledigt hat: Sie war Handlangerin einer international agierenden, von Moskau aus gesteuerten Spionagezelle.
Sveti D. ist so etwas wie die äußerste Puppe einer Matrjoschka-Reihe. Gelangt man in das Innerste, zum kleinsten Püppchen und mächtigen Herzstück der Konstruktion, ist man wohl beim Kreml angelangt, womöglich sogar beim russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Sticker bis Observationen
Sveti D. führt auf Bitten einer alten bulgarischen Freundin namens Vanya diverse Tätigkeiten in Wien aus. Sie observiert die Journalistin Anna Thalhammer ebenso wie Verfassungsschutz-Chef Omar Haijawi-Pirchner; bringt proukrainisch anmutende Sticker in Wien an, die in Wahrheit mit Nazi-Symbolik Entsetzen über den vermeintlichen Faschismus der Ukrainer erzeugen sollen.
Ihre Freundin Vanya wiederum ist Teil einer Spionagezelle, gibt aber vor, als Kosmetikerin in Großbritannien zu leben. Auf Facebook bedankte sie sich zuletzt dafür, beim “Unique Glow”-Augenbrauen-Stylingwettbewerb als Jurorin eingeladen worden zu sein. Das war im Februar 2023. Seither hat sie nichts mehr gepostet. Vermutlich weil die britischen Behörden sie geschnappt haben. Vor wenigen Wochen wurde sie wegen Spionage verurteilt.
Die nächste Ebene wird von den Dirigenten besetzt. Dazu gehört etwa Orlin Roussev, ein ebenfalls bulgarischstämmiger IT-Techniker. Er kommunizierte bereits mit Jan Marsalek, als dieser noch im Vorstand des deutschen Zahlungsabwicklungsriesen Wirecard war. Bekanntlich brach Wirecard nach Bilanzfälschungen in Milliardenhöhe im Jahr 2020 zusammen, Marsalek flüchtete nach Moskau und entpuppte sich als russischer Spion.
Die Wiener Zelle
Da ist man dann schon weit im Inneren der Matrjoschka-Sammlung: direkt bei den russischen Nachrichtendiensten wie dem Inlandsgeheimdienst FSB. Und so wanderten vom Kreml zu Marsalek zu Roussev zu Vanya zu Sveti die einzelnen Ordern nach Wien und umgekehrt die Observationsberichte in die Lubjanka, das FSB- und ehemalige KGB-Hauptquartier. Zum Beispiel der Befehl, den Investigativjournalisten Christo Grozev in seiner Wiener Wohnung zu observieren, gar bei ihm einzubrechen.
In alldem tummeln sich neben Marsalek auch andere Österreicher, zum Beispiel die Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott und sein Abteilungsleiter Martin Weiss, die beide für den Ex-Wirecard-Manager tätig waren. Und da gibt es dann einige Verbindungen zur FPÖ und zu deren letzter Regierungstätigkeit, als Herbert Kickl Innenminister war.
So nahm Kickls Bürochef Reinhard Teufel im Innenministerium an einem Termin mit Marsalek teil; auch Heinz-Christian Strache begegnete dem wohl damals schon für Russland tätigen Manager – auf Drängen von Johann Gudenus, damals Klubobmann.
Egisto Ott wiederum kommunizierte mit dem damaligen Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein; der wollte Informationen von den Parteifreunden im Kabinett Kickl. Dafür sind Jenewein und eine Kickl-Mitarbeiterin erstinstanzlich verurteilt worden, beide berufen.
Es ist jedenfalls ein beachtlicher Sumpf, der sich da in den vergangenen Jahren gebildet hat. Ermittler haben zigtausende Aktenseiten gefüllt; doch der Spionage-Paragraf ist in Österreich so lasch, dass einigen Involvierten womöglich kein Schuldspruch droht – es gilt die Unschuldsvermutung.
Politisch ist der Aufklärungswille bei Neos und Grünen stark, bei der SPÖ mittel und bei der ÖVP nur vorhanden, soweit es das blaue Treiben betrifft. Die FPÖ hingegen verweist darauf, dass all das ja eigentlich eine schwarze Affäre sei und die wahrlich heiklen Verbindungen nach Moskau im Nahebereich der Kanzlerpartei angesiedelt seien – Stichwort Raiffeisenbank International.
Ein U-Ausschuss rückt somit in fast sibirische Ferne. Obwohl all das, laut der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), nicht weniger als “Teil einer hybriden Kriegsführung” ist. (Fabian Schmid, 29.3.2025)
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