Norbert Hofer: “Die Hofburg ist für mich abgehakt”

Norbert Hofer zieht als Spitzenkandidat der FPÖ in die Landtagswahl im Burgenland.
Regine Hendrich

Norbert Hofer befindet sich gerade auf “Arbeitsurlaub” im Burgenland. Sein Haus wird umgebaut. Zwischen den Bauarbeiten empfängt der scheidende Dritte Nationalratspräsident, der als Spitzenkandidat der FPÖ in die Landtagswahl im Burgenland ziehen wird, den STANDARD zum Interview in einer Konditorei in Pinkafeld. Zum Termin kommt er mit dem Scooter.


STANDARD: Wissen Sie, was Sie mit dem skrupellosen US-Präsidenten Frank Underwood aus der Serie “House of Cards” gemeinsam haben?


Hofer: Na hoffentlich gar nichts.


STANDARD: Sie beide betreiben Sport auf dem Rudergerät. Steht Ihres auch im Keller?


Hofer: (lacht) Nein, meines steht im Wohnzimmer vor dem Fernseher.


STANDARD: Ich frage Sie das, weil Sie gesagt haben, dass Sie Ihre Entscheidung, als Spitzenkandidat in die Landtagswahl zu ziehen, auf dem Rudergerät getroffen haben. War das nicht vielmehr eine Entscheidung Ihres Parteichefs?


Hofer: Es war zunächst eine Teamentscheidung. Die Letztentscheidung habe aber ich am Donnerstag mit meinen Freunden im Burgenland getroffen. Im Anschluss hatte ich einen Termin mit Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ, Anm.). Wir treffen uns regelmäßig alle sechs Monate, und das war zufällig genau an diesem Tag. Da hatten wir dann auch gleich Gelegenheit, darüber zu sprechen.

“Herbert Kickl und ich haben uns schon vor langer Zeit ausgesöhnt. Wir waren nie böse, sind aber wieder gut.”

STANDARD: Ihnen wurde allerdings größeres Interesse am Amt des Nationalratspräsidenten als an der Spitzenkandidatur nachgesagt. Wie freiwillig ist also der Wechsel ins Burgenland?


Hofer: Mein erster Mentor Wolfgang Rauter (einstiger burgenländischer FPÖ-Politiker, Anm.) hat mir geraten, eine Funktion nicht länger als zehn Jahre zu machen. Als Dritter Nationalratspräsident sind es jetzt zehn Jahre, deswegen passt die Veränderung ganz gut.


STANDARD: An Ihrer Amtsführung als Dritter Nationalratspräsident hatte niemand etwas auszusetzen. Sie wären wohl der blaue Wunschkandidat aller anderen Parteien gewesen, nur nicht der eigenen Partei. Wie sehr schmerzt Sie das?


Hofer: So sehe ich das nicht. Ich habe intern nie gesagt, ich will das machen. Wenn ich klar gesagt hätte, dass ich das will, bin ich mir ganz sicher, dass ich dann auch die Unterstützung der Partei dafür gehabt hätte.


STANDARD: Herbert Kickl hat aber schon seit längerem damit geliebäugelt, jemand anderen als Sie zu nominieren. Als aussichtsreiche Kandidaten werden nun Walter Rosenkranz, Susanne Fürst und Norbert Nemeth gehandelt. Wen hielten Sie für den geeignetsten Kandidaten?


Hofer: Es wäre unfair, wenn ich jetzt Namen nennen würde. Der Name wird nach der Klubsitzung, die vor der konstituierenden Sitzung des Nationalrats am 24. Oktober stattfindet, verlautbart.


STANDARD: Dann frage ich anders: Welche Eigenschaften muss eine Person für das Amt des Nationalratspräsidenten mitbringen?


Hofer: Sie muss ein gutes Gespür für das Parlament und die Stimmung im Plenarsaal haben. Man kann vom Vorsitz aus sehr viel beeinflussen – durch die Art und Weise, wie man Abgeordnete zum Rednerpult bittet oder mit Zwischenrufen umgeht. Man sollte in der Funktion die eigene Partei immer ein wenig strenger behandeln als die anderen, ohne dabei unfair zu sein. In dem Amt steht man zwar laut Protokoll ganz vorn, muss sich aber stark zurücknehmen. Ein guter Nationalratspräsident tritt wie ein guter Bundespräsident nicht viel in der Öffentlichkeit auf, sondern arbeitet im Hintergrund, um die Dinge am Laufen zu halten.

Der scheidende Dritte Nationalratspräsident in einer Konditorei in seinem Heimatort Pinkafeld.
Regine Hendrich

STANDARD: Und wem trauen Sie das in der eigenen Partei am ehesten zu?


Hofer: Da gibt es viele Persönlichkeiten, und eine davon wird bald ausgewählt werden.


STANDARD: Für eine Hofburg-Kandidatur wäre der Posten des Nationalratspräsidenten jedenfalls ein geeignetes Sprungbrett gewesen. Haben Sie diesen Traum nun endgültig begraben?


Hofer: Auch diese Sache wäre gesetzt gewesen, wenn ich gewollt hätte. Meine Entscheidung ist aber auf das Burgenland gefallen. Und ich habe klipp und klar gesagt, dass ich nicht für die Bundespräsidentenwahl zur Verfügung stehe, wenn ich ins Burgenland gehe. Die Hofburg ist für mich abgehakt.


STANDARD: Aber Ihr Vorhaben, erneut ins Rennen um die Bundespräsidentschaft zu gehen, war in den vergangenen Jahren doch sehr konkret.


Hofer: Wenn ich nicht ins Burgenland gegangen wäre, hätte ich das auch gemacht. Dann hätte ich gesagt, ich will den Nationalratspräsidenten machen – auch als Basis, um in die Hofburg zu gehen. Aber die Entscheidung ist auf das Burgenland gefallen. Ich gehe hier all-in und auch nicht mehr weg, egal was passiert.

“Ich habe die Identitären wesentlich kritischer gesehen, als das vielleicht andere tun.”

STANDARD: Kritiker von Herbert Kickl meinen, dass dieser nur ungern Platz für starke Persönlichkeiten in seinem Umfeld lässt. Wurden Sie auch deshalb ins Burgenland versetzt?


Hofer: Zunächst darf ich vorwegsagen, dass Kickl und ich uns schon vor langer Zeit ausgesöhnt haben. Wir sind wieder gut. Wir waren zwar nie böse aufeinander, aber so ein Wechsel an der Spitze einer Partei ist auch nicht immer ganz einfach. Und das mit den starken Persönlichkeiten sehe ich nicht so. Weil man kann nicht sagen, dass zum Beispiel ein Michael Schnedlitz oder eine Susanne Fürst schwache Persönlichkeiten wären. Vor allem hat Kickl viele starke Frauen um sich.


STANDARD: Themenwechsel: Mehrere Parteifreunde von Ihnen, die Mitglied der Burschenschaft Olympia sind, haben an einem Begräbnis teilgenommen, an dem das SS-Treuelied gesungen wurde. Werden dieses oder andere historisch belastete Lieder auch in Ihrer schlagenden Burschenschaft Marko-Germania Pinkafeld auf Begräbnissen oder anderen Anlässen gesungen?


Hofer: Ich war bei diesem Begräbnis nicht dabei und weiß nicht, was dort vonstattengegangen ist. Tatsache ist, dass Burschenschaften und dieses Lied schon lange vor dieser belastenden Zeit, die uns alle traumatisiert und Millionen Tote gefordert hat, entstanden sind.


STANDARD: Nicht in der abgewandelten Version, in der das Lied gesungen wurde. Besingen Sie auch das “heil’ge deutsche Reich”?


Hofer: Ich singe gar nicht. Außer Simon & Garfunkel und Don McLean an der Gitarre. Ich glaube, dass in diesem Fall nicht das Dritte Reich, sondern ein anderes deutsches Reich, nämlich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, besungen wurde.


STANDARD: Wie gefällt Ihnen die Wiederannäherung der FPÖ an die Identitären? Unter Ihnen als Parteichef war man ja um eine Distanzierung von der rechtsextremen Gruppierung bemüht.


Hofer: Es stimmt, ich habe diese Gruppe wesentlich kritischer gesehen, als das vielleicht andere tun. Deshalb war ich auch um große Distanz bemüht. Aber ich bin nicht mehr Parteiobmann. Solche Entscheidungen werden an der Spitze der Partei getroffen.

Norbert Hofers bevorzugtes Verkehrsmittel in Pinkafeld ist der Scooter.
Regine Hendrich

STANDARD: Wo, denken Sie, stünde die FPÖ heute, wären Sie noch Parteichef?


Hofer: Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Deshalb ist das eine Frage, die ich schwer beantworten kann. Natürlich sind Kickl und ich unterschiedliche Persönlichkeiten, aber wir beide arbeiten auf Basis desselben Parteiprogramms.


STANDARD: Aber finden Sie den unversöhnlichen und radikalisierten Kurs Kickls gut?


Hofer: Wir sind heute die stärkste Partei im Bund, in den Ländern ganz vorn dabei, und die Partei ist geschlossener denn je. Ich finde gut, wie alles gekommen ist.


STANDARD: Obwohl Kickl Sie aus dem Amt gemobbt hat, haben Sie nie ein schlechtes Wort über ihn verloren. Hegten Sie denn gar keinen Groll?


Hofer: Natürlich habe ich mir in den ersten Monaten nach dem Wechsel an der Spitze Gedanken gemacht, aber so etwas muss man ganz schnell ad acta legen. Die Politik ist kein Kindergeburtstag. Man muss Angriffe von außen und Kritik von innen aushalten. Man ist in einem Haifischbecken, die Kunst dabei ist, nicht selbst zum Haifisch zu werden.

“Wir haben ein hohes Maß an Resilienz und kennen die Oppositionsbank.”

STANDARD: Manche sehen in Kickl so einen Haifisch. Ist es aus Ihrer Sicht denkbar, dass dieser wie einst Jörg Haider letzten Endes doch einen Schritt zur Seite macht, um einer Regierungsbeteiligung nicht im Weg zu stehen?


Hofer: Ich würde ihm das auf gar keinen Fall empfehlen. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass so ein Modell nicht funktioniert. Das würde eine Flanke aufmachen, die man nur schwer wieder schließen kann.


STANDARD: Ist es für Sie vorstellbar, dass der eine oder die andere in der Partei ihn opfern wollen würden, um mit der ÖVP regieren zu können?


Hofer: Das halte ich für undenkbar. Wir sind zwar mit dem Ziel angetreten, zu regieren, und auch gewählt worden, weil die Menschen wollen, dass wir regieren. Aber wenn andere Parteien glauben, uns sagen zu können, wer an der Spitze einer blauen Regierung steht, haben sie jeden Bezug zur Realität verloren. Der Fehler, den die ÖVP macht, ist, dass sie davon ausgeht, dass wir so ticken wie sie und unter allen Umständen regieren wollen. Das ist aber nicht der Fall.


STANDARD: Das heißt, Sie fänden es in Ordnung, wenn die FPÖ trotz Platz eins mangels Allianzpartners auf der Oppositionsbank landet?


Hofer: Wir haben ein hohes Maß an Resilienz und kennen die Oppositionsbank. Man stelle sich vor, eine Koalition von ÖVP, SPÖ und Neos steht im Parlament einer so starken Opposition wie der FPÖ gegenüber. Die Umfragewerte werden sich schnell wie jene der Ampel in Deutschland entwickeln. Das wird bestimmt nicht lange gut gehen.


STANDARD: Sie denken also, früher oder später wird die FPÖ ohnehin zum Zug kommen?


Hofer: Ja. (Sandra Schieder, 8.10.2024)

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