Rosenkranz provoziert durch Interview mit Ex-Identitärem und Orbán-Einladung
Nationalrat
Der neue Nationalratspräsident gibt sich verbindlich, verärgert die anderen Parteien jedoch mit seinen ersten Handlungen
“Wir haben den ersten freiheitlichen NR-Präsident!”, jubelte der Identitären-Aktivist Martin Sellner vergangene Woche. Gemeint war Walter Rosenkranz (FPÖ), der die rechtsextreme Bewegung schon 2019 als “erfrischend” gelobt hatte. Am Nationalfeiertag zeigte Rosenkranz dann erneut, wie offen die Grenzen zwischen der FPÖ und Rechts-außen sind. Zwölf Minuten lang ließ sich der neu gewählte Nationalratspräsident von Philipp Huemer interviewen, dem ehemaligen Leiter der Identitären-Landesgruppe Wien. Inhaltlich bewarb er im Gespräch die Studentenverbindungen, die entscheidend für die österreichische Demokratie gewesen seien, und philosophierte über das Gendern in Parlamentspublikationen.
Das Interview wurde für den rechtsextremen und verschwörungverbreitenden Sender Auf 1 aufgenommen, bei dem Huemer als Innenpolitik-Redakteur engagiert ist. Über den oberösterreichischen Lokalsender RTV, mit dem Auf 1 kooperiert, hatte die Plattform schon am Wahlabend einen Platz im Parlament bekommen – was zu heftiger Kritik von Neos und Grünen geführt hatte. Nach seinem Wahlerfolg gab Herbert Kickl sein erstes Einzelinterview an Auf 1, der nahezu kritiklos über die FPÖ berichtet. “Dass sich FPÖ-Politiker unter der Führung Kickls von Identitären interviewen lassen, bestätigt uns in unserer Ablehnung der Person Herbert Kickl. Ein Nationalratspräsident sollte es eigentlich besser wissen und sich deutlich von den rechtsextremen Identitären distanzieren”, sagt ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker zum STANDARD.
“In seiner Antrittsrede betonte FPÖ-NR-Präsident Rosenkranz noch, den Weg des Kampfes gegen Antisemitismus im österreichischen Parlament fortzusetzen – nur zwei Tage später erweist sich dieses Versprechen als Schall und Rauch: Durch die bewusste und gezielte Zusammenarbeit mit einem rechtsextremen Medium bricht er dieses Versprechen und verlässt gleich zu Beginn seiner Amtszeit den gemeinsamen Weg im Kampf gegen Antisemitismus in Österreich”, sagt die grüne Generalsekretärin Olga Voglauer.
Orbán und Schröder in Wien
Schlagzeilen produzierte Rosenkranz auch mit einem außenpolitischen Statement: Kommende Woche wird er als Nationalratspräsident den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán empfangen. Angesetzt ist offensichtlich ein halbstündiger, nichtöffentlicher Empfang im Parlament; danach will sich Orbán noch mit FPÖ-Chef Herbert Kickl besprechen. Ein Treffen zwischen Kanzler Karl Nehammer und Orbán sei nicht geplant, heißt es aus dem Kanzleramt. Dem Vernehmen nach sind die anderen Parteien über Rosenkranz’ Vorgehensweise verärgert und hätten sich zumindest anfangs mehr Zurückhaltung erwartet. Mit Orbán empfange Rosenkranz “jemanden, der in Ungarn die liberale Demokratie Schritt für Schritt zerstört”, sagt Voglauer. “Er beweist bereits in den ersten Tagen, dass er sein Amt nicht neutral ausübt und stattdessen seine – eigentlich überparteiliche – Position nutzt, um die rechtsextremen Freunde der FPÖ zu fördern.”
SPÖ-Verfassungs- und Europasprecher Jörg Leichtfried empfindet es als “unerträglich”, dass Rosenkranz einen “antidemokratischen, antiwestlichen Politiker, der die EU zerstören will und als politischen Freund nur mehr Putin hat”, treffen will. Rosenkranz habe “Österreich und dem Parlament zu dienen, nicht der FPÖ”. Das bedeute, “sich von Rechtsextremen wie den Identitären fernzuhalten”, so Leichtfried. In der ORF-Sendung Hohes Haus gab Rosenkranz an, die Einladung an Orbán schon vor seiner Wahl zum Nationalratspräsidenten ausgesprochen zu haben. Er betonte dort auch, dass er keine Identitären ins Parlament einladen würde.
Orbán weilt nächste Woche für eine Diskussionsveranstaltung in Wien: Gemeinsam mit dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) tritt er bei einer Veranstaltung der Schweizer Weltwoche auf. Der “geopolitische Abend in Wien” wird von Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel moderiert, der im Juli gemeinsam mit Orbán den russischen Präsidenten Wladimir Putin besucht hatte. Schröder, Orbán und Köppel gelten als dem Kreml zugeneigt, sie wollen über “Frieden in Europa” diskutieren. (Fabian Schmid, 27.10.2024)
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