50 Personen in Rohrbach unter Polizeischutz – “sehr, sehr gefährlicher Täter” weiter flüchtig

Polizei im Raum Rohrbach
Im Mühlviertel in Oberösterreich sind Montagfrüh zwei Menschen erschossen worden. Im Bild: Einsatzkräfte der Polizei im Raum Rohrbach.
APA/LAUMAT/MATTHIAS LAUBER

Am Montag hat Roland Drexler im Bezirk Rohrbach zwei Menschen getötet, seitdem läuft eine Großfahndung. Am Dienstag fehlte von dem 56-jährigen Mann aus dem Mühlviertel noch immer jede Spur. Die Fahndung gilt nicht nur für Österreich, sie wurde auch auf die angrenzenden Nachbarländer Deutschland und Tschechien ausgeweitet.


Konkrete Hinweise, wo sich der Mann aktuell aufhalten könnte, gab es noch nicht. Der mutmaßliche Täter gilt der Polizei zufolge als “sehr, sehr gefährlich”. Bei dem Verdächtigen handelt es sich um einen Jäger. Auch seine beiden Opfer stammen aus der Jagdszene.

Am Dienstagvormittag wandten sich Polizei und Staatsanwaltschaft mit ersten Informationen an die Öffentlichkeit. Es sprachen der Landespolizeidirektorstellvertreter Rudolf Keplinger, der Leiter des Landeskriminalamts, Gottfried Mitterlehner, sowie die Staatsanwältin Ulrike Breiteneder. Sie klärten unter anderem auf: Der Mann dürfte zwei Langwaffen und eine Faustfeuerwaffe bei sich tragen. Davon geht die Polizei aus, da diese Waffen aus dem Bestand des Verdächtigen fehlen würden.


50 Personen unter Polizeischutz

50 gefährdete Personen aus dem Umfeld der Opfer sowie des Täters standen mit Stand Dienstag unter Polizeischutz: darunter etwa Personen, die sich teilweise selbst bei der Polizei gemeldet haben, weil sie sich wegen Streitigkeiten mit dem Verdächtigen in Gefahr sehen. Einer von ihnen, ebenfalls ein Jäger, erzählte am Dienstag im Gespräch mit dem STANDARD, dass er den gesamten Montag auf der Polizeistation verbracht habe. Er sei nun zu Hause, bewaffnete Beamten seien ebenfalls rund um sein Haus anwesend. Er “stehe noch immer ein wenig unter Schock”, fühle sich aber sicher.


Gegen Roland Drexler besteht ein Haftbefehl, der Verdacht lautet auf Mord. Bei seinem ersten Opfer handelt es sich um den Bürgermeister der Gemeinde Kirchberg ob der Donau, Franz Hofer (ÖVP), im Bezirk Rohrbach.


Tathergang und letzte Spur

Genauere Details zum Tathergang schilderte die Polizei am Dienstag: Demnach war am Montag um 8.15 Uhr Franz Hofer auf dem Weg nach Fraunschlag (Gemeindegebiet Altenfelden) zu einem Fußpflegetermin. Auf dem Weg dorthin soll ihn der Verdächtige verfolgt und anschließend auch abgepasst haben. Mehrere Zeugen beobachteten, wie beide Männer gleichzeitig aus ihren Autos stiegen. Ohne weitere Worte schoss der Verdächtige auf Hofer. Das Opfer versuchte, auf eine Wiese zu fliehen. Drexler soll ihm zunächst gefolgt, dann aber zu seinem Auto zurückgekehrt sein, um seine Langwaffe zu holen. Mit dieser habe er einen weiteren Schuss auf Hofer abgegeben, womit er ihn tödlich verletzt habe. So erzählte es der Leiter des Landeskriminalamts, Gottfried Mitterlehner.

Video: Die erste Pressekonferenz nach den Mühlviertel-Morden in voller Länge
APA

Im Anschluss stieg der Verdächtige Mitterlehner zufolge wieder in sein Fahrzeug und fuhr in eine Ortschaft im Gemeindegebiet von Arnreit weiter. Gegen 8.45 Uhr drang er dort in das Haus des zweiten Opfers ein. In dessen Wohnzimmer tötete er diesen mit einem gezielten Schuss. Anschließend sei Drexler mit seinem Auto in Richtung Rohrbacher Bundesstraße geflüchtet. “Ab diesem Zeitpunkt wissen wir nicht, wo er sich aufhält”, erklärte Mitterlehner.


Lage vor Ort

Direkt vor Ort kam man am Dienstag wegen der vielen Polizei mit dem Auto gar nicht mehr durch Altenfelden. Passantinnen und Passanten waren kaum unterwegs. Die Geschäfte, vom Baumarkt bis zum kleinen Elektrogeschäft, waren fast alle geschlossen. Auch die Rollos an vielen Häusern blieben am Dienstag unten. Einzig die zwei Wirtshäuser und der Bäcker in der Ortsmitte hielten offen. Sie versorgten die anwesenden Einsatzkräfte mit Pizza. Ein Polizist erzählte, dass er am Montag bis 22 Uhr abends im Einsatz war. Und den Dienstag über werde es “wieder bis open end” sein.


Die wenigen Menschen, die zwischendurch ihr Haus verließen, zeigten sich immer noch “schockiert” über das, was passiert ist. Eine Frau, die in einem Mehrgenerationenhaus mitten im Ort wohnt, erzählte am Dienstag, wie sie gemeinsam mit ihren Kindern, eines drei und das andere ein Jahr alt, am Vorabend die Polizei beobachtet habe: “Wir haben Angst. Meine Schwiegermama und ich gehen nicht hinaus”, erzählt sie. Da zurzeit Ferien sind, war ihre dreijährige Tochter nicht im Kindergarten. “Sie hätte sich eigentlich auf Halloween gefreut – wenn sich bis dorthin nichts tut, werden wir leider zu Hause bleiben.”


“Es ist ein Geisterdorf momentan”, befand eine Frau, die ihr Haus verlassen hat, um mit ihrem Hund Gassi zu gehen. Sie habe ein “komisches Gefühl”, sagt sie. “Man geht nicht so gern auf die Straße, wenn es nicht sein muss.” Ein paar Leute erzählen, dass sie den Gesuchten als geselligen Typ kannten, der aber vor allem in der Jägerschaft mit vielen nicht gut konnte und “so seine Reibereien hatte”. Er selbst habe das am Stammtisch auch immer wieder so erzählt.


Eine Frau, die gegen Mittag durch die Stadt spazierte, erzählte, dass der Täter zuletzt im selben Wohnhaus wie sie gewohnt habe: “Ich habe ihn gekannt. Aber nicht näher, man hat nicht wirklich Kontakt gehabt.” Vorige Woche habe er sie gefragt, ob sie Parasole möge, weil er so viele gefunden habe und nicht wisse, was er damit tun solle. “Das war nett, aber ich habe abgelehnt, weil ich keine Schwammerln mag. Das war das Einzige, was ich mit ihm gesprochen habe.”


Polizei bittet um Hinweise

Laut Polizei dürfte der Verdächtige mit einem “silbernen VW Caddy mit dem Kennzeichen RO-231EL” unterwegs sein. Ein Foto des Verdächtigen wurde veröffentlicht. Hinweise sollen an den Polizeinotruf 133 gemeldet werden. Bisher seien zwar schon viele eingegangen – bislang galten die Informationen aus der Bevölkerung aber noch als “nicht zielführend”, teilte der Landespolizeidirektorstellvertreter Rudolf Keplinger bei dem Medientermin mit.


Die Polizei empfiehlt bei “einer Sichtung des Mannes” dringend, nicht selbst Kontakt mit ihm aufzunehmen, sondern sofort den Polizeinotruf zu wählen.


Die Handypeilungen waren nicht erfolgreich verlaufen, da beide Telefone des Verdächtigen in einem seiner Wohnsitze gefunden wurden. Man gehe davon aus, dass der Tatverdächtige selbst am Leben sei.

Bild des Tatverdächtigen
Die Polizei fahndet nach dem 56-jährigen Roland Drexler. Er dürfte mit einem silbernen VW Caddy mit dem Kennzeichen RO-231EL unterwegs sein.
Polizei Oberösterreich

Die Region glich am Dienstag immer noch einer Hochsicherheitszone. Es sei weiterhin eine Hundertschaft an Polizisten vor Ort, von der Cobra über weitere Sondereinheiten, auch Drohnen und Hunde seien im Einsatz, zudem ein Hubschrauber, berichtet Polizeisprecherin Ulrike Handlbauer. Weitere Unterstützung kam am Dienstag von der Exekutive aus Niederösterreich und Salzburg. Die Polizei bleibe jedenfalls vor Ort, bis der Tatverdächtige gefasst sei, bestätigte diese.

Hintergründe der Tat

Details zu Hintergründen der Tat gibt es noch nicht, Spekulationen kommentierten die Beamten bei der Pressekonferenz nicht. Nur so viel: Streitigkeiten aus dem Jagdbereich dürften tatsächlich eine Rolle gespielt haben. “Der Schwerpunkt liegt eindeutig im Jagdbereich”, hieß es vonseiten der Polizei.

Konkret soll es Differenzen um die Vergabe von Jagdrechten gegeben haben. Hofer soll Drexler beim Landesjagdverband wegen “unwaidmännischen Verhaltens” angezeigt haben. Dabei ging es um eine sogenannte Kirrung, also die Lockfütterung von Schwarzwild.


Vonseiten der Staatsanwaltschaft Linz war zu erfahren, dass im Gerichtssprengel nichts Strafrechtliches gegen den Gesuchten anhängig sei. Laut Staatsanwältin Ulrike Breiteneder weist der Verdächtige keine zurückliegenden Anzeigen oder Vorstrafe auf. Die Obduktion der Opfer laufe, sie könne dann hoffentlich weiter Aufschluss geben über Tathergang und Waffen. (Giuli Fink, Eva Plank, 29.10.2024)

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